|
[94] Daß aber nicht ist ein Leeres so abgesondert, wie Einige sagen, wollen wir von neuem darthun. Wenn ein jeder von den einfachen Körpern eine bestimmte räumliche Bewegung von Natur hat, z.B. das Feuer nach oben, die Erde aber nach unten und nach der Mitte, so erhellt, daß nicht das Leere Ursache sein kann der räumlichen Bewegung. Wovon nun soll Ursache das Leere sein? Da es ja für Ursache der räumlichen Bewegung gilt, von dieser aber es nicht ist. – Ferner, wenn so etwas wie ein Raum ohne Körper das Leere ist, wohin soll sich bewegen der in es hineingelegte Körper? Doch wohl nicht nach Allem hin. Dasselbe gilt auch gegen die, so den Raum für etwas abgesondert bestehendes halten, in welches die Bewegung geschieht. Denn wie soll das Hineingelegte sich bewegen oder verbleiben? Auch wegen des Oben und Unten passen auf das Leere dieselben Gründe. Natürlich, denn das Leere lassen einen Raum sein, die sein Sein behaupten. Und wie soll etwas enthalten sein in dem Raume, oder in dem Leeren? [Es paßt nicht, wenn ein ganzen Körper gesetzt wird als in einem abgesondert für sich bestehenden und zum Grunde liegen bleibenden Raume. Denn der Theil, wenn er nicht abgesondert gesetzt wird, ist nicht im Raume, sondern in dem Ganzen. Giebt es aber keinen Raum, so giebt es auch kein Leeres.] Es begegnet aber denen, die das Sein des Leeren behaupten als nothwendig wenn Bewegung sein soll, daß im Gegentheil vielmehr, wenn man es genauer betrachtet, nichts sich bewegen kann, wenn es ein Leeres giebt. Denn wie man sagt, daß wegen der Gleichheit die Erde ruhe, so muß auch in dem Leeren Ruhe statt finden,[94] Denn es ist nichts vorhanden, wohin mehr oder minder die Bewegung geschehen sollte. Denn wiefern es Leeres ist, hat es keinen Unterschied. – Erstens nun ist alle Bewegung entweder eine gewaltsame, oder natürliche. Es muß aber, wenn eine gewaltsame, auch eine natürliche geben. Die gewaltsame nämlich ist gegen die Natur, die gegen die Natur aber später als die naturgemäße. Also wenn nicht der Natur zufolge ein jeder der natürlichen Körper Bewegung hat, so hat er auch von den andern Bewegungen keine einzige. Allein wie sollte es von Natur eine geben, wenn kein einziger Unterschied statt findet hinsichtlich des Leeren und des Unbegrenzten? Denn wiefern ein Unbegrenztes ist, giebt es kein Unten, noch Oben, noch Mittleres. Wiefern aber ein Leeres, unterscheidet sich das Unten von dem Oben. Denn gleichwie an dem Nichts kein einziger Unterschied sein kann, also auch an dem Nichtseienden. Das Leere aber gilt für ein Nichtseiendes und eine Verneinung. Die natürliche Ortveränderung aber ist eine verschiedene. Also muß das, was von Natur ist, ein verschiedenartiges sein. Entweder also giebt es von Natur nirgends und für nichts eine Bewegung, oder wenn dieß sein soll, so giebt es kein Leeres. Ferner bewegt sich jetzt, was geworfen wird ohne daß das Stoßende es berührt, entweder vermittelst des Ringsherumtretens der vertriebenen Luft, wie Einige sagen, oder weil die angestoßene Luft zu schnellerer Bewegung antreibt, als die Bewegung dessen, was gestoßen wird, nach eigenthümlichen Orte hin ist. In dem Leeren aber kann nichts hievon statt finden, und es giebt keine Ortveränderung, als wie dessen, was getragen wird. – Ferner möchte niemand sagen können, wodurch das, was in Bewegung ist, zum Stehen gebracht werde. Denn warum soll es vielmehr hier als dort sein? Also wird es entweder ruhen, oder ins Unbegrenzte sich bewegen, wenn nichts Stärkeres es hindert.[95] – Ferner scheint jetzt in das Leere vermittelst des Ausweichens die Bewegung statt zu finden. In dem Leeren aber ist überall auf gleiche Weise ein solches; so daß überall hin die Bewegung geschehen muß.
Ferner nun ist auch aus Folgendem ersichtlich das Behauptete. Wir sehen dieselbe Schwere und denselben Körper sich schneller bewegen aus zwei Ursachen: entweder wegen der Verschiedenheit dessen, wodurch er sich bewegt, z.B. des Wassers oder der Erde oder der Luft, oder weil das, was sich bewegt, wenn das Uebrige gleich ist, durch das Ueberwiegen der Schwere oder der Leichtigkeit sich unterscheidet. Das nun, wodurch die Bewegung geschieht, ist Ursache indem es hindert, vorzüglich zwar, wenn es die entgegengesetzte Bewegung hat, sodann aber auch, wenn es ruht. Besonders aber das nicht leicht Theilbare. Ein solches aber ist das Dichtere. Es mag also der Gegenstand A sich bewegen durch B in der Zeit C, durch D aber, welches aus feineren Theilen besteht, in der Zeit E, wenn gleich ist die Länge des B dem D, nach Verhältniß des im Wege stehenden Körpers. Es sei nämlich B Wasser, D aber Luft. Wieviel dünner nun Luft als Wasser ist und unkörperlicher, um so viel schneller wird A durch D sich bewegen als durch B. Es muß also dasselbe Verhältniß haben, nach welchem verschieden ist Luft von Wasser, die Schnelligkeit von der Schnelligkeit. Also wenn doppelt so dünn, so durchgeht es in der doppelten Zeit das B als das D, und es ist die Zeit C doppelt so groß, als die E. Und so stets, um so unkörperlicher und weniger hindernd und leichter theilbar das ist, wodurch die Bewegung geschieht, um so schneller geht die Bewegung von statten. Das Leere aber hat kein Verhältniß, nach welchem es übertroffen würde von dem Körper: so wie auch das Nichts gegen die Zahl keines hat. Wie nämlich die Vier die Drei um Eins überwiegt, um ein mehres aber die Zwei, und noch[96] um ein mehres die Eins als die Zwei, so hat sie für das Nichts kein Verhältniß, nach dem sie es übertrifft. Denn es muß getheilt werden können das Uebertreffende in den Ueberschuß und in das was übertroffen wird. Also wäre die Vier das um was sie überwiegt, und Nichts. Darum übertrifft auch nicht die Linie den Punct, wofern sie nicht zusammengesetzt ist aus Puncten. Auf ähnliche Art vermag auch das Leere zu dem Erfüllten in keinem Verhältniß zu stehen. Also kann es auch nicht der Bewegung theilhaftig sein. Aber wenn durch das Dünnste in so viel Zeit sich etwas so weit bewegt, so geht es, wenn durch das Leere, über jede Berechnung hinaus. Es sei nämlich das F Leeres, gleich aber an Größe dem B und D. Geht nun A durch es hindurch, und bewegt sich in irgend einer Zeit G, die kleiner ist als die Zeit E, so muß in diesem Verhältniß stehen das Leere zu dem Erfüllten. Aber in so viel Zeit wie G ist, mußte A einen Theil von D durchgehen, den Theil H. Es wird aber durchgangen, auch wenn sich an Dünne unterscheidet von der Luft das F, nach Verhältniß, welches die Zeit E zu der Zeit G hat. Wenn nämlich um so viel dünner ist der Körper F als der D, um wie viel größer die E ist als die G, so muß umgekehrt das A, wenn es sich hindurch bewegt, der Schnelligkeit nach in so großer Zeit, wie die Zeit G ist, das F durchgehen. Ist nun also kein Körper in dem F, noch schneller. Allein es war angenommen, in der Zeit G. Also geht es in gleicher Zeit durch etwas, das erfüllt ist und durch etwas, das leer. Aber dieß ist unmöglich. Man sieht also, daß, wenn es irgend eine Zeit giebt, in welcher etwas durch das Leer sich bewegt, hieraus dieses Unmögliche folgt. In gleicher Zeit nämlich wird man finden, daß etwas das, was erfüllt ist, durchgeht, und das, was leer ist. Denn es muß einen Körper geben, der sich eben so zu dem andern verhält, wie die Zeit zur Zeit. Um aber das Hauptsächliche[97] zusammenzufassen, so ist offenbar von diesem Umstande der Grund, daß alle Bewegung zur Bewegung ein Verhältniß hat. Denn in der Zeit ist sie: alle Zeit aber hat eines zur Zeit, da beide begrenzt sind. Das Leere aber zu dem Erfüllten hat keines.
Wiefern nun der Unterschied in demjenigen liegt, wodurch die Bewegung geschieht, sind dieses die Folgen. Hinsichtlich aber des Uebertreffens dessen, was bewegt wird, Folgendes. Wir sehen, daß, was ein größeres Theil entweder von Schwere oder von Leichtigkeit hat, wenn es sich übrigens gleich verhält in Bezug auf die Gestalt, schneller durchläuft den gleichen Raum, und nach dem Verhältniß, in welchem die Größen unter einander stehen. Also auch durch das Leere. Aber dieß ist unmöglich. Denn aus welcher Ursache soll es schneller sich bewegen? In dem Erfüllten nämlich ist eine Nothwendigkeit vorhanden; denn schneller theilt durch seine Kraft das Größere. Entweder nämlich durch seine Gestalt vollbringt die Theilung, oder durch sein Gewicht, das in Bewegung gesetzte oder Geworfene. Von gleicher Schnelligkeit also müßte alles sein. Aber dieß ist unmöglich. – Daß nun also, wenn es ein Leeres giebt, das Gegentheil folgt von dem, weswegen es einführen diejenigen, die sein Sein behaupten, ist ersichtlich aus dem Gesagten. Einige nun also meinen, daß das Leere sei, dafern es gebe eine räumliche Bewegung, etwas abgesondertes für sich. Dieß aber ist dasselbe mit der Behauptung, daß Raum etwas abgesondert bestehendes sei: hiervon aber ist die Unmöglichkeit früher gezeigt.
Auch wenn man es an sich betrachtet, möchte wohl sich ergeben das sogenannte Leere ein in Wahrheit Leeres. Denn gleichwie in dem Wasser, wenn man einen würfelförmigen Körper hineinthut, so viel Wasser ausweicht, als der Körper beträgt, so auch in der Luft. Aber hier bleibt es dem Sinne unbemerkt. Und stets wohl muß jeder Körper,[98] der den Platz verändern kann, wohin er sich zu bewegen von Natur bestimmt ist, wenn er nicht zusammengedrückt werden kann, sich bewegen: entweder stets nach unten, wenn seine räumliche Bewegung nach unten geht, wie die der Erde, oder nach oben, wenn er Feuer ist, oder nach beiden Richtungen, wie die Luft, mag nun was will in ihn hineingesetzt werden. Bei dem Leeren nun aber ist dieß unmöglich; denn es ist gar kein Körper. Durch den würfelförmigen Körper aber wird ein gleicher Raumabschnitt hindurchzudringen scheinen, als vorher in dem Leeren war: gleichwie wenn das Wasser nicht auswiche dem hölzernen Würfel, noch die Luft, sondern sie überall durch ihn hindurchdrängen. Allein auch der Würfel hat eine solche Größe, wie sie einnimmt das Leere. Wenn nun diese auch warm ist oder kalt, oder schwer oder leicht, so ist sie darum nicht minder ein anderes, sondern eher mehr, dem Sein nach, als alle Zustände, und wenn sie auch nicht trennbar ist. Ich meine aber den Umfang des hölzernen Würfels. Also wenn dieser auch getrennt würde von allem andern, und weder schwer noch leicht wäre, so würde er doch stets eben so viel Leeres einnehmen, und in demselben ihm gleichen Theile des Raumes und des Leeren sein. Wodurch also würde sich unterscheiden der Körper des Würfels von dem gleichen Leeren und Raume? Und wenn zwei dergleichen, warum sollte nicht auch jede beliebige Menge in Einem und demselben sein? – Dieß Eine nun ist gewiß seltsam und unmöglich. – Ferner ist ersichtlich, daß nichts anderes von dem Würfel gilt, wenn er den Platz wechselt, als was auch von allen andern Körpern gilt. Also wenn sie von dem Raume sich nicht unterscheiden, warum soll man annehmen einen Raum für die Körper außerhalb des Umfangs eines jeden, wenn eigenschaftslos der Umfang? Denn nichts hilft es, wenn um ihn ein anderer ähnlicher solcher Raumabschnitt wäre. [Ferner müßte klar sein, von[99] welcher Art das Leere wäre in dem Bewegten. So aber zeigt es sich nirgends innerhalb der Welt. Denn die Luft ist etwas, obgleich sie es nicht zu sein scheint. Auch das Wasser würde nicht zu sein scheinen, wenn die Fische von Eisen wären. Denn mit dem Gefühl wird unterschieden das Fühlbare.] – Daß es nun also kein für sich bestehendes Leere giebt, ist aus diesem klar.
Ausgewählte Ausgaben von
Physik
|
Buchempfehlung
Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.
640 Seiten, 29.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro