Zweites Capitel

[125] Nach dem Wesen aber giebt es keine Bewegung, weil nichts, was ist, dem Wesen entgegengesetzt ist. Und auch nicht nach dem Verhältniß. Denn es kann, während das eine sich verändert, das andere mit Wahrheit für unverändert gelten: So daß eine beiläufige die Bewegung von diesen ist. Eben so auch nicht von dem Thätigen und Leidenden, noch von allem Bewegenden und Bewegten; weil nicht stattfindet eine Bewegung der Bewegung, noch eine Entstehung der Entstehung, noch überhaupt eine Veränderung der Veränderung. Denn zunächst zwar ließe sich auf doppelte Weise denken eine Bewegung der Bewegung: entweder als einer Grundlage, wie z.B. der Mensch sich bewegt, wenn er aus Weiß in Schwarz übergeht. Sollte nun so auch die Bewegung warm werden, oder kalt, oder den Ort verändern, oder wachsen, oder abnehmen? Dieß ist unmöglich. Denn nicht zu den Grundlagen gehört die Veränderung. – Oder indem eine andere Grundlage aus einer Veränderung übergeht in eine andere Art der Veränderung; wie der Mensch aus dem Krankwerden in das Gesundwerden. Aber auch dieß findet nicht statt, außer nebenbei. Denn diese Bewegung ist Uebergang aus einer Art in die andere, und die Entstehung und der Untergang eben so; nur daß der Gegensatz bei diesen und bei der Bewegung ein verschiedenartiger ist. Zugleich nun geschieht die Veränderung aus Gesundheit[125] in Krankheit, und aus eben dieser Veränderung in eine andere. Es erhellt aber, daß mit dem Uebergange in die Krankheit jedwede andere Veränderung zusammentreffen kann; denn es läßt sich auch Ruhe denken. Sie kann aber auch mit der nicht zufällig zu ihr sich verhaltenden zusammentreffen kann; denn es läßt sich auch Ruhe denken. Sie kann aber auch mit der nicht zufällig zu ihr sich verhaltenden zusammentreffen, denn auch diese geht von etwas zu etwas anderem. Also würde auch die entgegengesetzte Veränderung stattfinden, nämlich das Gesundwerden. Allein nur nebenbei; wie wenn aus der Erinnerung in Vergessenheit übergegangen würde; da, worin es vorhanden ist, dieses sich verändert und übergeht, sei es in Einsicht, oder in Gesundheit.

Ueberdieß würde man gehen müssen ins Unbegrenzte, wenn stattfinden soll eine Veränderung der Veränderung und eine Entstehung die Entstehung. Denn nothwendig muß dasselbe auch von der vorhergehenden gelten, was von der nachfolgenden; z.B. wenn die Entstehung überhaupt entstanden ist, so muß auch das Entstehende als solches entstanden sein. So daß es nie gäbe ein Entstehendes schlechthin, sondern ein erst entstehendes Entstehende; und auch dieses wiederum erst entstünde. Also gäbe es niemals ein zu dieser Zeit Entstehendes. Und weil das Unbewegte kein Erstes hat, so giebt es kein Erstes. Und also auch kein Nachfolgendes. Weder entstehen demnach, noch sich bewegen könnte irgend etwas, noch sich verändern. – Ferner hat das nämliche die entgegengesetzte Bewegung, und auch Ruhe, und Entstehen und Vergehen. Also das Werdende, wenn es ein Werdendes wird, eben dann geht es unter; nämlich nicht sogleich wenn es ward, oder später. – Ferner muß doch ein Stoff zum Grunde liegen sowohl dem Werdenden als dem sich Verändernden. Was nun soll es sein? Gleichwie das Umbildsame Körper oder Seele, so denn das Werdende Bewegung oder Entstehung. Und wiederum was, wohin die Bewegung geschieht? Denn es[126] muß etwas sein die Bewegung von diesem aus diesem zu diesem, und nicht wiederum Bewegung oder Entstehung. Zugleich aber wie beschaffen soll eine solche Bewegung sein? Denn nicht ist Lernen das Werden des Lernens. Also giebt es weder eine Entstehung einer Entstehung, noch eine bestimmte von einer bestimmten. Ferner wenn es drei Arten der Bewegung giebt, so muß eine von diesen sein das zum Grunde liegende Wesen, und das wohin die Bewegung geschieht; z.B. es muß die räumliche Bewegung sich umbilden oder räumlich bewegen. Ueberhaupt aber, da alles was sich bewegt, auf dreifache Weise sich bewegt, entweder nebenbei, oder seinen Theilen nach, oder an sich: so möchte auf beiläufige Weise allein sich verändern können die Veränderung, wie z.B. wenn der Genesende liefe oder lernte. Die auf beiläufige Weise geschehende aber haben wir längst zur Seite liegen lassen.

Da sie nun weder an dem Wesen, noch dem Verhältnisse, noch dem Thun und Leiden ist: so bleibt übrig, daß nach der Beschaffenheit und der Größe und dem Raume allein es Bewegung gebe. Denn in allem diesem findet Gegensatz statt. – Die Bewegung nun nach der Beschaffenheit möge Umbildung heißen. Dieß nämlich ist ihr beigelegt als allgemeiner Name. Ich verstehe aber unter Beschaffenheit nicht, was in dem Wesen ist; denn auch der Unterschied des Wesens heißt Beschaffenheit; sondern was zu dem Zustande gehört, und wonach es von einem Dinge heißt, es sei in oder außerhalb eines Zustandes. – Die aber nach der Größe hat keinen allgemeinen Namen; nach ihren beiden Seiten aber heißt sie Wachsthum und Abnahme; die nämlich nach der vollendeten Größe hin: Wachsthum, die aber von ihr weg: Abnahme. – Die endlich nach dem Raume hat sowohl im Besondern als im Allgemeinen keinen Namen; sie mag aber Ortveränderung heißen im Allgemeinen. Insbesondere sind verschiedene die Ausdrücke, welche man für die räumliche Bewegung alsdann[127] braucht, wenn es nicht von dem Bewegenden selbst abhängt, die Bewegung zu unterbrechen und stillzustehen, oder aber sie fortzusetzen, und wenn es von ihm abhängt. Die Veränderung aber innerhalb derselben Formbestimmung zu dem Mehr oder Minder ist Umbildung. Denn die Bewegung geht von dem einen Gegentheile zu dem andern entweder schlechthin, oder auf gewisse Weise. Wenn sie nämlich nach dem Minder hin geht, wird sie Uebergang in das Gegentheil genannt; wenn aber nach dem Mehr, vielmehr aus dem Gegentheile in dasselbe. Es ist aber kein Unterschied zwischen der Veränderung schlechthin und auf gewisse Weise; außer daß in der auf gewisse Weise müssen die Gegentheile darin vorhanden sein. Das Mehr und Minder aber besteht darin, das mehr oder weniger von dem Gegentheile darin vorhanden ist oder nicht. – Daß es nun nur diese dreierlei Bewegungen giebt, erhellt hieraus.

Unbeweglich aber ist, was ganz und gar nicht bewegt werden kann; gleichwie der Laut unsichtbar. Und das in langer Zeit kaum zu Bewegende oder das langsam Beginnende; welches schwer beweglich heißt. Und das was bestimmt zwar ist, sich zu bewegen, aber nicht dann sich bewegt, wenn es sollte, und wo und wie: von welchem allein unter dem Unbeweglichen ich sage, daß es ruhe. Entgegengesetzt nämlich ist die Ruhe der Bewegung dergestalt, daß sie für ihre Verneinung gelten kann an dem, welches ihrer empfänglich ist. – Was nun also ist Bewegung, und was Ruhe, und wie vielerlei die Veränderung, und wie beschaffen die Bewegungen, ist ersichtlich aus dem, was gesagt ist.

Quelle:
Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 125-128.
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