Viertes Capitel

[131] Einheit der Bewegung bedeutet vielerlei: denn Eins sagen wir in vielfachen Bedeutungen. Der Gattung nach zwar ist sie Eine nach den Gestaltungen ihrer Benennung. Ortveränderung nämlich ist mit aller Ortveränderung der Gattung nach Eins; Umbildung von Ortveränderung verschieden der Gattung nach. – Der Art nach Eine aber, wenn sie als der Gattung nach Eine zugleich in einer untheilbaren Formbestimmung ist. Z.B. von der Farbe giebt es Unterschiede; und es wird sonach eine andere der Art nach sein die Schwärzung und die Weißung. Alle Weißung also wird mit aller Weißung dieselbe der Art nach sein; und alle Schwärzung mit der Schwärzung. Mit der Weiße aber nicht mehr. Darum ist der Art nach Eine die Weißung mit aller Weißung. Giebt es aber etwas, das Gattung zugleich und Art ist, so erhellt, daß die Bewegung der Art noch gewissermaßen zwar Eine ist, schlechthin aber Eine der Art nach nicht: z.B. das Lernen, dafern die Wissenschaft Art zwar der Auffassung, Gattung aber der Wissenschaften ist. Zweifeln könnte man, ob der Art nach Eine die Bewegung ist, wenn aus Demselben Dasselbe in Dasselbe übergeht; z.B. der Eine Punct von diesem Orte an diesen Ort zu wiederholten malen. Ist aber dieß, so wäre die Kreisbewegung[131] mit der geradlinigen Bewegung die nämliche, und das Wälzen mit dem Gehen. Oder lautet die Bestimmung so, daß, wenn das Worin verschieden, der Art nach verschieden die Bewegung ist? Das Krumme nämlich ist von dem Geraden verschieden der Art nach. – Der Gattung nach nun und der Art nach ist die Bewegung Eine diesergestalt. Schlechthin aber Eine Bewegung ist die dem Wesen nach einige und der Zahl nach. Welche aber eine solche sei, ergiebt sich aus der Eintheilung. Dreierlei nämlich ist der Zahl nach, in Bezug worauf wir die Bewegung Eine nennen: Was und Worin und Wann. Ich nenne aber das Was, weil nothwendig etwas ist, das sich bewegt; z.B. Mensch, oder Gold. Und daß in etwas dieses sich bewegt, z.B. im Raume, oder in einem Zustande. Und Wann: denn in einer Zeit bewegt sich alles. Hievon aber bezieht sich das der Gattung oder der Art nach Eins sein, auf das Ding, worin die Bewegung geschieht. Das Fortgesetzte aber bezog sich auf die Zeit; das schlechthin Eins auf alles dieses. Denn sowohl das Worin muß Eins sein und untheilbar, wie die Art; als auch das Wann, wie die Zeit Eine und ohne Unterbrechung; und auch das was sich bewegt muß Eins sein, und nicht zufällig, (wie z.B. daß das Weiße schwarz wird und Koriskus geht. Eins nämlich sein mag Koriskus und das Weiße, aber nebenbei), noch auch als gemeinschaftliches. Es könnten nämlich zugleich zwei Menschen genesen von der nämlichen Krankheit, z.B. von dem Augenübel. Aber nicht Eine wäre diese, sondern nur der Art nach einerlei. Wenn aber Sokrates die nämliche Umbildung erleidet der Art nach, aber zu verschiedenen Zeiten, so wäre, dafern das dabei Untergehende wiederum Eins werden könnte an Zahl, auch diese eine einige: dafern aber nicht, einerlei zwar, Eine aber nicht. – Es unterliegt aber einem verwandten Zweifel, ob Eins die Gesundheit, und überhaupt die Eigenschaften[132] und die Zustände dem Wesen nach sind in den Körpern. Als bewegt nämlich erscheint was sie hat, und fließend. Wenn aber eine und dieselbe die Gesundheit von frühe und von jetzt ist: warum sollte nicht auch, wenn man verliert und wieder gewinnt die Gesundheit, sowohl diese, als dort die Bewegung, Eine sein der Zahl nach? Denn es ist der nämliche Begriff: nur darin ist ein Unterschied, daß, wenn jene zwei sind, eben darum auch diese es sind, wie wenn diese der Zahl nach Eine, auch die Eigenschaften es sein müssen. Denn Eine der Zahl nach ist die Thätigkeit durch die Einzahl. Ist aber die Eigenschaft Eine, so könnte man glauben, daß nicht darum Eine auch die Thätigkeit wäre. Denn sobald man aufhört zu gehen, so ist nicht mehr vorhanden der Gang; fängt man aber wieder an, so ist er vorhanden. Wäre er nun einer und derselbe, so würde Eines und dasselbe zugleich untergehen und sein können mehrmals. – Diese Zweifel nun liegen außerhalb der gegenwärtigen Betrachtungen.

Da nun stetig alle Bewegung ist, so muß die schlechthin Eine durchaus auch stetig sein; dafern alle theilbar ist: und wenn stetig, Eine. Denn nicht alle hängt stetig zusammen mit allen, gleichwie auch sonst nicht, was sich trifft mit was es sich trifft; sondern, von welchem Eins sind die letzten Theile. Letzte Theile aber hat einiges nicht, anderes hat verschiedene der Art nach und nur dem Namen nach gleiche. Wie nämlich sollte sich berühren oder Eines sein das Letzte einer Linie und eines Ganges? Fortsetzend einander zwar könnten wohl auch solche sein, die nicht einerlei sind an Art noch an Gattung. Es könnte nämlich einer laufen und gleich darauf ein Fieber bekommen. So ist auch der Fackellauf durch Nachfolge zwar eine fortgesetzte, nicht aber eine stetige Bewegung. Es bleibt nämlich das Stetige das, von dem die letzten Theile Eins sind. Es ergiebt sich also, daß sie sich einander fortsetzend und auf[133] einander folgend sind, wiefern die Zeit stetig ist; stetig zusammenhängend aber, wiefern die Bewegung; dieses aber, wenn Eins das letzte wird von zweien. Darum muß einerlei der Art nach sein, und von Einem, und in Einer Zeit die schlechthin stetige Bewegung und einige. Mehre nun und nicht Eine sind die Bewegungen, die zwischen sich eine Ruhe haben. Also wenn eine Bewegung durch einen Stillstand unterbrochen wird, so ist sie weder eine einige, noch eine stetige. Unterbrochen aber wird sie, wenn zwischen ihr eine Zeit ist. Welche aber der Art nach nicht Eine ist, von dieser gilt dieß nicht, auch wenn nicht unterbrochen wird die Zeit. Die Zeit nämlich zwar ist Eine; die Art aber hat ihre eigenthümliche Bewegung für sich. Die einige Bewegung nämlich muß auch der Art nach einerlei sein, diese aber umgekehrt braucht nicht schlechthin Eine zu sein. – Welche Bewegung nun schlechthin Eine sei, ist gezeigt worden.


Ferner aber wird Eine genannt auch die vollständige, sei es der Gattung, oder der Art, oder dem Wesen nach. Gleichwie auch sonst Vollständig und Ganz ausgesagt wird von dem was Eines ist. Doch auch eine unvollständige nennt man wohl Eine, wenn sie nur stetig ist. – Noch auf andere Art wird neben der angegebenen eine einige Bewegung genannt, die gleichmäßig ist. Die ungleichmäßige nämlich gilt gewissermaßen nicht für Eine, sondern vielmehr die gleichmäßige, gleichwie die gerade Linie. Die ungleichmäßige nämlich ist theilbar; sie scheint aber Unterschied zu haben wie das Mehr und Weniger. – Es findet aber statt in aller Bewegung das Gleichmäßig oder nicht. Denn sowohl eine Umbildung kann gleichmäßig geschehen, als auch eine räumliche Bewegung, z.B. im Kreis oder in gerader Linie. Und hinsichtlich der Wachsthums eben so und der Abnahme. Die Ungleichmäßigkeit[134] aber hat ihren Unterschied bald in dem, worauf die Bewegung geschieht; denn nicht kann gleichmäßig sein die Bewegung auf nicht gleichmäßiger Größe, z.B. die Bewegung auf der gebrochenen Linie oder der gewundenen, oder auf einer andern Größe, von der nicht paßt welcher Theil sich trifft auf welchen es sich trifft. Bald aber hat sie ihn nicht in dem Wo, noch in dem Wann, noch in dem Wohin, sondern in dem Wie. In Schnelligkeit nämlich und Langsamkeit liegt bisweilen ihre Bestimmung. Welche nämlich dieselbe Schnelligkeit hat, diese ist gleichmäßig, welche aber nicht, ungleichmäßig. Darum sind nicht Arten der Bewegung, noch Unterschiede Schnelligkeit und Langsamkeit; weil sie sich vorfinden in allen, die an Art verschieden sind. Also auch nicht Schwere und Leichtigkeit in Bezug auf dasselbe Ding, z.B. der Erde in Bezug auf sich, oder des Feuers in Bezug auf sich. Eine einige nun zwar ist die ungleichmäßige, wiefern sie stetig; aber minder: wie dieß bei der gebrochenen räumlichen Bewegung der Fall ist. Das Minder aber bezeichnet stets eine Mischung des Gegentheils. – Wenn nun alle, die eine einige ist, sowohl gleichmäßig muß sein können, als nicht, so möchten nicht, die nicht der Art nach sich fortsetzen und dieselben sind, auch diese eine einige und stetige sein. Denn wie könnte gleichmäßig sein die aus Umbildung und Raumbewegung zusammengesetzte? Sie müßten ja doch auf einander passen.

Quelle:
Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 131-135.
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