Erstes Capitel

[143] Wenn nun ist stetig und sich berührend, und der Reihe nach, den vorherigen Bestimmungen zufolge, stetig, dessen letzte Theile Eins, sich berührend, von dem sie zusammen sind; der Reihe nach aber, was nichts gleichartiges dazwischen hat: so kann nicht aus Untheilbarem etwas Stetiges sein; z.B. die Linie aus Puncten, dafern die Linie ein Stetiges, der Punct aber ein Untheilbares ist. Denn weder sind Eins die letzten Theile der Puncte, (da nicht hat letzte und außerdem noch andere Theile das Untheilbare), noch sind sie zusammen. Denn überhaupt nichts Letztes hat, was ohne Theile ist. Ein anderes nämlich wäre das Letzte und das, wovon es letztes ist. Nun müßten nothwendig entweder stetig oder durch gegenseitige Berührung zusammenhängend sein die Puncte, aus denen das Stetige besteht. Das nämliche gilt von allem Untheilbaren. Stetig kann es nicht sein, aus dem angegebenen Grunde. Durch Berührung aber hängt überhaupt zusammen entweder Ganzes mit Ganzem, oder Theil mit Theil, oder Theil mit Ganzem. Da nun keine Theile hat das Untheilbare, so muß es als Ganzes mit Ganzem durch Berührung zusammenhängen. Ein Ganzes aber welches ein Ganzes berührt, kann nicht stetig sein. Das Stetig nämlich hat verschiedene Theile, und zerfällt in gleichfalls theilbare und räumlich für sich bestehende[143] Theile. – Aber auch nicht folgen der Reihe nach kann Punkt auf Punkt, oder das Jetzt auf das Jetzt, so daß hieraus die Länge wäre, oder die Zeit. Denn folgend der Reihe nach ist, was nichts gleichartiges zwischen sich hat; die Punkte aber haben stets zum Dazwischen eine Linie, und die Jetzt eine Zeit. Auch würde beides getheilt werden müssen in Untheilbares, wenn es, woraus es besteht, darein auch getheilt wird. Aber nichts war von dem Stetigen in Untheilbares theilbar. Von anderer Gattung aber läßt sich nicht denken, daß etwas zwischen den Punkten oder dem Jetzt sei. Denn wäre etwas, so müßte es offenbar entweder theilbar oder untheilbar sein. Und wenn theilbar, entweder in Untheilbares, oder in stets Theilbares. Dieß aber wäre stetig. – Ersichtlich aber ist auch, daß alles Stetige theilbar ist in stets Theilbares. Denn wenn in Untheilbares, so würde Untheilbares mit Untheilbarem sich berühren. Denn Eins ist das Letzte und sich berührend, des Stetigen. Ganz das nämliche aber gilt sowohl von räumlicher Größe, als von Zeit, als von Bewegung, wiefern diese alle entweder aus Untheilbarem zusammengesetzt sind und getheilt werden in Untheilbares, oder nichts davon geschieht. Dieß erhellt hieraus. Wofern die Größe aus Untheilbarem zusammengesetzt ist, so wird es auch die Bewegung desselben aus gleichen untheilbaren Bewegungen sein. Z.B. wenn A B C aus den untheilbaren Theilen A und B und C besteht, so hat die Bewegung D E F, welche O über A B C geht, lauter untheilbare Theile. Wenn aber, sobald Bewegung vorhanden ist, nothwendig etwas sich bewegen muß, und, wofern etwas sich bewegt, Bewegung vorhanden sein: so wird auch das Bewegtwerden aus Untheilbarem bestehen. Es geht also O durch A die Bewegung D, durch B aber die E, und eben so durch C die F. Dafern nämlich das woher und wohin sich Bewegende nicht zugleich sich bewegen und sich bewegt haben kann dahin, wohin die Bewegung geht,[144] wenn sie geschieht, wie z.B., wer nach Theben geht, unmöglich zugleich geht nach Theben und gegangen ist nach Theben. Durch das Untheilbare A hindurch also bewegt sich O, wenn die Bewegung D vorhanden ist. Also wenn es noch später durchgeht, nachdem es schon durchgegangen ist, so ist sie theilbar. Denn als es im Durchgehen war, war es weder in Ruhe, noch hatte es den Durchgang vollendet, sondern war zwischen beiden. Wenn es aber zugleich durchgeht und durchgegangen ist, so wird das was geht, zugleich eben dahin schon gegangen sein, und sich bewegt haben, wohin es sich bewegt. Wenn aber durch das ganze A B C sich etwas bewegt, seine Bewegung aber D E F ist, durch das untheilbare A aber nichts sich bewegt, sondern sich bewegt hat, so bestünde die Bewegung nicht aus wirklichen, sondern aus aufgehobenen Bewegungen, und es würde etwas sich bewegt haben, ohne sich zu bewegen. Durch A nämlich wäre es hindurch gekommen, ohne durchzugehen. So würde also etwas gegangen sein, ohne jemals zu gehen: denn einen bestimmten Weg ist es gegangen, ohne ihn zu gehen. Wenn nun Alles nothwendig entweder ruht oder sich bewegt, Ruhe aber gesetzt ist in jedem der A, B und D, so ist etwas stetig zugleich ruhend und bewegt. In dem ganzen A B C nämlich bewegte es sich, und es ruhte in den einzelnen Theilen; also auch in dem Ganzen. Und wenn es untheilbare Theile der vorhandenen Bewegung D E F giebt, so müßten diese gedacht werden können als nicht sich bewegend, sondern ruhend; und wenn sie nicht Bewegungen sind, die Bewegung als nicht aus Bewegung bestehend. – Auf gleiche Weise aber muß, wie die Länge und die Bewegung, untheilbar sein auch die Zeit, und zusammengesetzt aus untheilbaren Jetzt. Denn wenn Alles theilbar ist, in der kürzeren Zeit aber mit gleicher Schnelle nur ein Minderes durchgangen wird, so muß theilbar sein auch die Zeit. Ist[145] aber die Zeit theilbar, in welcher etwas durch A sich bewegt, so ist auch A theilbar.

Quelle:
Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 143-146.
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