Viertes Capitel

[152] Alles aber was eine Veränderung erleidet, muß theilbar sein. Denn da von etwas zu etwas alle Veränderung ist, und, wenn etwas in demjenigen ist, worein es übergeht, keine Veränderung mehr stattfindet, und eben so, wenn in dem, woraus es sich verändert; weder in Bezug auf es selbst noch auf seine Theile: so muß ein Theil hier sein, der andere dort, von dem was sich verändert. Denn weder daß er in beiden zugleich, noch daß er in keinem von beiden sei, ist statthaft. Ich nenne aber das Wohin daß nächste in der Veränderung; z.B. aus dem Weißen das Graue; nicht das Schwarze. Denn nicht braucht das was sich verändert, in einem der Aeußersten zu sein. Man sieht also, daß alles was sich verändert, theilbar sein muß.

Bewegung nun ist theilbar zwiefach: einmal nach den Bewegungen der Theile dessen, was sich bewegt. Z.B. wenn das ganze A C sich bewegt, so wird sowohl A B sich bewegen, als auch B C. Es sei nun die Bewegung der Theile A B zwar D E, B C aber E F. Es muß nun die ganze Bewegung von A C, D F sein. Diese Bewegung nämlich wird es erfahren, während jedes seiner Theile die eine und die andere von jenen erfährt. Keines aber erfährt die Bewegung des anderen. Also ist[152] ganze Bewegung die Bewegung der ganzen Größe. Ferner, wenn alle Bewegung von etwas ist, die ganze Bewegung D F aber weder die von einem der Theile ist (denn sie ist die von beiden Theilen), noch von etwas Anderem (denn von welchem Ganzen die ganzen, von dessen Theilen auch ihre Theile; die Theile aber der D F sind die der Theile A B C und nicht anderer; denn mehre könnten nicht Eine Bewegung haben): so möchte auch die ganze Bewegung die der Größe A C sein. Ferner, wenn die Bewegung des Ganzen eine andere ist, z.B. H I, so wird von ihr hinwegzunehmen sein die Bewegung beider Theile. Diese aber werden gleich sein den D E, E F. Denn nur Eine Bewegung hat, was Eines ist. Also wenn die ganze H I in die Bewegungen der Theile zerlegt wird, so wird gleich sein die H I der D F. Sollte aber etwas zurückbleiben, z.B. K I, so wäre dieß Bewegung von Nichts; weder nämlich von dem Ganzen, noch von den Theilen, weil nur Eine hat das Eine, noch von sonst etwas; denn stetige Bewegung hat nur, was stetig ist. Eben so auch wenn ein Ueberschuß bleibt der Theilung nach. Also wenn dieß nicht angeht, so muß sie die nämliche sein und gleiche. – Diese Theilung nun ist nach den Bewegungen der Theile, und nothwendig muß sie bei allem Theilbaren stattfinden. Eine andere aber ist nach der Zeit. Da nämlich alle Bewegung in der Zeit, alle Zeit aber theilbar ist, in der kürzeren aber eine geringere Bewegung stattfindet, so muß alle Bewegung sich theilen lassen nach der Zeit.

Da aber alles was sich bewegt, in etwas sich bewegt, und eine gewisse Zeit, und alles was sich bewegt, Bewegung hat, so müssen die nämlichen Theilungen stattfinden für die Zeit, die Bewegung, das Bewegtwerden, das Bewegte, und das, worin die Bewegung. Nur daß nicht bei allen auf gleiche Weise, worin die Bewegung; sondern bei der Größe an und für sich, bei der Beschaffenheit[153] aber nebenbei. Man setze nämlich die Zeit, worin die Bewegung geschieht, A, und die Bewegung B. Wenn nun die ganze Bewegung in der ganzen Zeit geschieht, so in der halben eine geringere; und wiederum wenn diese getheilt wird, eine geringere als jene, und so stets weiter. Eben so auch wenn die Bewegung theilbar, so ist auch die Zeit theilbar. Denn wenn die ganze Bewegung in der ganzen, so die halbe in der noch kürzeren. Auf die nämliche Art wird auch das Bewegtwerden zu theilen sein. Es sei nämlich C das Bewegtwerden. Nach der halben Bewegung nun wird es ein minderes sein als das ganze, und weiter nach der Hälfte dieser Hälfte, und stets so fort. Man kann aber auch, ausgehend von dem nach beiden Bewegungen Bewegtwerden, z.B. nach der D C und der C E, sagen, daß das ganze sich richtet nach der ganzen. Denn wäre es anders, so würde ein mehrfaches Bewegtwerden stattfinden nach derselben Bewegung, gleichwie wir zeigten, daß auch die Bewegung theilbar in die Bewegungen der Theile sei. Denn nimmt man das Bewegtwerden nach beiden Bewegungen, so wird stetig sein das ganze. – Eben so wird zu zeigen sein, daß auch die Länge theilbar ist und überhaupt alles, worin stattfindet die Veränderung (nur einiges nebenbei), weil, was sich verändert, theilbar ist. Denn wird eines getheilt, so muß alles getheilt werden. Und hinsichtlich des Begrenztsein oder Unbegrenzt, wird es sich auf gleiche Weise verhalten mit Allem. Denn es folgt vornehmlich das Getheiltwerden von Allem und Unbegrenztsein aus dem sich Verändern. Denn es liegt gleich in dem, was sich verändert, daß es theilbar ist und unbegrenzt. Das Theilbar nun ist vorhin gezeigt, das Unbegrenzt aber wird in dem Folgenden sich ergeben.

Quelle:
Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 152-154.
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