Viertes Capitel

[184] Fragen könnte man, ob alle Bewegung mit aller vergleichbar ist oder nicht. Dafern nun alle vergleichbar ist, und gleichschnell das, was in gleicher Zeit gleichweit sich bewegt, so wird eine krumme Linie gleich sein einer geraden, und also größer auch und kleiner. Eben so eine Umbildung und räumliche Bewegung gleich, wenn in gleicher Zeit das Eine sich umbildet, das Andere räumlich sich bewegt. Es wäre also gleich ein Zustand einer Ausdehnung; aber dieß ist unmöglich. Allein es sollte, wenn in gleicher Zeit etwas gleichviel sich bewegt, dieses dann gleichschnell sein. Gleich aber ist nicht ein Zustand einer Ausdehnung. Also ist nicht eine Umbildung einer räumlichen Bewegung gleich, noch kleiner. Also ist nicht alle vergleichbar. Hinsichtlich aber des Kreises und der geraden Linie, wie wird es sich verhalten? Denn seltsam wäre es, wenn nicht sollte im Kreise auf gleiche Art das Eine sich bewegen und das Andere auf gerader Linie; sondern nothwendig dann entweder schneller oder langsamer, wie wenn das eine bergab, das Andere bergauf. Und es ist kein Unterschied nicht einmal in dem Begriffe, wenn man sagen wollte, es müßte dann schneller, oder langsamer sich bewegen. Denn es wäre dann größer oder kleiner die krumme als die gerade: also auch gleich. Wenn nämlich in der Zeit A das Eine die B durchginge, das Andere die C, so wäre größer die B als die C. Denn dies bedeutet das Schnellersein. Wäre es nun nicht auch schneller, wenn in kürzerer Gleiches? So wird es denn einen Theil von A geben, worin B den gleichen Theil des Kreises durchgeht, wie C in der ganzen A die C. Allein wenn sie vergleichbar sind, so folgt das vorhin Gesagte, daß gleich die gerade Linie sei dem Kreise. Aber sie sind nicht vergleichbar: also auch nicht die Bewegungen. Allein was nicht bloß dem Namen nach gleich ist, ist alles vergleichbar.[184] Z.B. warum kann nicht verglichen werden, ob schärfer der Stift, oder der Wein, oder die Saite? Weil nämlich nur gleichnamig, sind sie nicht vergleichbar. Aber die eine Saite ist mit der andern vergleichbar, weil Dasselbe bedeutet das Scharf in beiden. Ist nun nicht Dasselbe das Schnell hier und dort? Viel weniger aber in Umbildung und räumlicher Bewegung. – Oder ist erstens zwar dieß nicht wahr, daß alles was nicht bloß dem Namen nach gleich, vergleichbar ist? Das Viel nämlich bedeutet Dasselbe in Wasser und Luft; und sie sind nicht vergleichbar. Wenn aber nicht, so würde das Doppelte das Nämliche sein. Denn es verhält sich, wie Zwei zu Eins. Und sie sind nicht vergleichbar. Oder verhält es sich auch hiebei eben so? Auch das Viel nämlich ist bloß dem Namen nach gleich. Aber bei Einigem sind auch die Bestimmungen nur gleichnamig: z.B. wenn man sagt, das Viel sei so viel, und noch einmal so viel; und auch das Gleich ist nur dem Namen nach gleich, und das Eins, wenn es sich so trifft, auch nur gleichnamig; wenn aber dieses, auch die Zwei. Denn warum sollte Einiges vergleichbar sein, Anderes nicht, wenn Eine wäre die Natur? Etwa weil sie in Verschiedenem zunächst enthalten sind? Das Pferd also und der Hund, ließen sich vergleichen, welches weißer sei; denn worin die Weiße zunächst, dieses ist Dasselbe, nämlich die Fläche. Und nach der Größe eben so. Wasser aber und Stimme nicht. Denn hier wäre das Verglichene in Verschiedenem. Ist nun nicht klar, daß auf diese Weise Alles sich zu Einem machen läßt, und sagen, jedes sei in einem Anderen; so daß zu dem Nämlichen wird Gleiches, und Süßes, und Weißes; aber in Verschiedenem? – Uebrigens ist das, was aufnehmen kann, nicht das erste beste, sondern nur Eines für Eines zunächst. – Also vielleicht darf nicht nur das Vergleichbare nicht bloß dem Namen gleich sein, sondern auch keinen Unterschied haben, weder in dem Was, noch[185] in dem Worin. Ich meine es aber so: z.B. die Farbe hat Eintheilungen. Darum ist sie nicht vergleichbar insofern; z.B. welches von beiden mehr gefärbt sei (nicht nach einer bestimmten Farbe, sondern von Farbe überhaupt), sondern vielmehr nach der weißen Farbe. So war auch hinsichtlich der Bewegung gleichschnell das in gleicher Zeit durch diese bestimmte und gleiche Größe Bewegte. Wenn nun hievon das Eine sich umbildete, das Andere aber räumlich bewegte, so wäre alsdann gleich die Umbildung und gleichschnell mit der räumlichen Bewegung. Aber dieß wäre seltsam. Der Grund hievon aber ist, daß die Bewegung Arten hat. Auch müßten, wenn das in gleicher Zeit durch eine gleiche Länge Bewegte, das Gleichschnelle sein soll, gleich sein die gerade und die Kreislinie. Was nun ist Ursache: daß die räumliche Bewegung Gattung ist, oder daß die Linie Gattung ist? Die Zeit nämlich ist die nämliche stets und untheilbare der Art nach. Oder unterscheiden sich zugleich jene der Art nach? Auch die räumliche Bewegung nämlich hat ihre Arten, wenn jenes sie hat, worauf die Bewegung geschieht. Und auch, wenn das, wodurch: z.B. wenn Füße, Gehen; wenn Flügel, Fliegen. – Oder nicht; sondern ist nur den Gestalten nach die räumliche Bewegung eine andere? Also wäre das in gleicher Zeit durch die nämliche Ausdehnung Bewegte gleichschnell. Das Nämliche aber, das nicht an Art Verschiedene; und auch die Bewegung dürfte nicht an Art verschieden sein. Also ist dieß zu betrachten, worin der Unterschied der Bewegung besteht. Und es zeigt diese Betrachtung, daß die Gattung nicht ein Einiges ist, sondern neben diesem vieles sich verbirgt. Es giebt aber unter dem Gleichnamigen einiges, was weit von einander absteht, anderes, was eine gewisse Gleichheit hat, anderes, was sich nahe ist, entweder an Gattung, oder durch Entsprechen. Darum scheint es auch nicht bloß dem Namen nach gleich zu sein, obgleich es dieß ist. Wann nun ist eine andere die[186] Gattung? Wenn Dasselbe in einem Anderen; oder wann ein Anderes in einem Anderen ist? Und was giebt es für eine Bestimmung, oder woran unterscheiden wir, daß das Nämliche das Weiße ist und das Süße, oder ein Anderes? Hinsichtlich der Umbildung nun: wie wird die eine gleich schnell sein mit der anderen? Wenn z.B. das Genesen Veränderung ist; es aber sich denken läßt, daß der Eine schnell, der Andere langsam geheilt werde, und Mehre zugleich. – So gäbe es denn eine gleichschnelle Umbildung. Denn in gleicher Zeit war die Umbildung geschehen. Allein was ward umgebildet? Denn das Gleiche, wird man hier nicht sagen, sondern wie bei der Größe Gleichheit, so hier Aehnlichkeit. Aber es sei das Nämliche, was in gleicher Zeit übergeht, gleichschnell. Muß man nun das, worin der Zustand, oder den Zustand vergleichen? Hier nun wohl kann man setzen, daß die Gesundheit die nämliche sei, oder daß sie weder mehr noch weniger, sondern auf gleiche Weise vorhanden ist. Wenn aber der Zustand ein anderer ist, wie z.B. bei der Umbildung dessen, was weiß wird, und dessen, was gesund wird: so ist für diese nichts das Nämliche, noch Gleiches, noch Aehnliches; wiefern dieß schon Arten der Umbildung ausmacht, und nicht Eine ist; wie auch nicht die räumliche Bewegung. Also muß man setzen, wie viel Arten der Umbildung es giebt, und wie viele der Raumbewegung. Wenn nun das, was sich bewegt, an Art verschieden ist; was nämlich an und für sich die Bewegung hat, und nicht nebenbei: so werden auch die Bewegungen der Art nach verschieden sein. Wenn aber an Gattung, der Gattung nach. Wenn aber an Zahl, der Zahl nach. – Allein muß man auf den Zustand sehen, ob der nämliche oder ein ähnlicher sei, wenn gleichschnell sein sollten die Umbildungen; oder auf das sich Umbildende: z.B. ob von dem Einen so viel weiß geworden ist, von dem Andern so viel? Oder auf beides: und ist sie die nämliche vielleicht oder[187] eine andere dem Zustande nach, wenn er derselbe oder ein anderer; gleiche oder ungleiche, wenn jener gleich oder ungleich? Und in Bezug auf Entstehung nun und Untergang ist dasselbe zu untersuchen, ob gleichschnell die Entstehung, wenn in gleicher Zeit das Nämliche und Untheilbare, z.B. Mensch, aber nicht Thier. Schneller aber, wenn in gleicher ein Verschiedenes. Denn nicht haben wir zwei Dinge, in denen die Verschiedenheit wäre, wie die Ungleichheit. Und wenn Zahl ist das Wesen, so wird größere oder kleinere Zahl gleichartig sein. Aber keinen Namen hat das Gemeinschaftliche, und beide Seiten: dergestalt, wie das Mehr in dem Zustande oder das Ueberwiegende mehr, in der Größe aber größer heißt.

Quelle:
Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 184-188.
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