[632] 58. nânâ, çabda-âdi-bhedât
zu trennen, wegen Verschiedenheit des Wortes u.s.w.

Wir fanden im vorhergehenden Adhikaraṇam, dass trotz der verschiedenen, bei dem »Wohlkräftigen« u.s.w. in Aussicht gestellten Frucht, die Verehrung des Universalen das Vornehmlichere sei. Hieraus könnte die Meinung entstehen, dass [ganz allgemein] ›auch [alle] andern, wiewohl an verschiedenen Schriftstellen vorkommenden Verehrungen [des Brahman und wiederum des Prâṇa] als solche eines Gemeinsamen in Anspruch genommen werden müssen. Auch braucht ja nicht notwendig angenommen zu werden, dass, weil das Objekt des Wissens ein ungeteiltes ist, auch das Wissen darüber ein ungeteiltes sein müsse; denn das Wissensobjekt ist für die Wissenschaft ebenso der Gegenstand, wie Opfermaterial und Gottheit es für das Opfer ist, und Gott (içvara) als das Objekt des Wissens bleibt doch einer, auch wenn man eine Verschiedenheit in den Schriftdarstellungen zugiebt, | wenn es z.B. heisst: »Manas ist sein Stoff, Odem sein Leib« (Chând. 3, 14, 1); – »Brahman ist Freude, Brahman ist Weite« (Chând. 4, 10, 5); – »sein Wünschen ist wahrhaft, wahrhaft sein Ratschluss« (Chând. 8, 7, 3); ebenso wie anderseits auch der Prâṇa doch einer bleibt in Stellen wie: »der Prâṇa fürwahr ist der an-sich-Raffer« (Chând. 4, 3, 3); – »der Prâṇa fürwahr ist der älteste und beste« (Chând, 5, 1, 1); – »der Prâṇa ist der Vater, der Prâṇa die Mutter« (Chând. 7, 15, 1); daher in diesen Stellen, um der Einheit des Wissensobjektes willen, eine Einheit der Lehre von der Schrift dargeboten wird. Und auch eine Verschiedenheit der Schriftworte ist bei dieser Annahme nicht für zwecklos zu halten, sofern dabei immer wieder andere Qualitäten in den Vordergrund treten. Es scheint daher, dass man die in der eigenen und in fremden Çâkhâ's verordneten und auf das einheitliche Wissensobjekt sich beziehenden Qualitäten zusammenfassen muss, damit die Wissenschaft ein Ganzes werde.‹ – Hierauf erwidert der Lehrer: »zu trennen«; d.h. wenn auch eine Einheit des Wissensobjektes vorliegt, so müssen doch derartige Lehren getrennt gehalten werden; warum? »wegen Verschiedenheit des Wortes u.s.w.«; es besteht nämlich eine Verschiedenheit des Wortes, sofern es dabei z.B. heisst: »er weiss« (Chând. 5, 1, 1) – »er möge verehren« (Chând. 3, 14, 1); – »er trachte nach Einsicht« (Chând. 3, 14, 1.) Dass aber die Verschiedenheit des Wortes eine solche der Werke begründet, erkannten wir schon oben, da wo es hiess: »wo das Wort ein anderes, ist das Werk verschieden wegen der Vollzogenheit[632] der Verknüpfung [beider]« (Jaim. 2, 2, 1.) Was das Wort »u.s.w.« im Sûtram betrifft, so mag es so erklärt werden, | dass auch Qualitäten u.s.w., je nachdem es sich trifft, eine Ursache der Auseinanderhaltung sein können. – ›Aber wenn es heisst: »er weiss« (Chând. 5, 1, 1) u.s.w., so liegt darin doch nur eine Verschiedenheit nach den Worten, nicht aber nach dem realen Zwecke, wie dies z.B. der Fall ist in Ausdrücken wie »er opfert« u.s.w. Alle jene Verehrungen nun sind doch insofern untrennbar, als sie sämtlich auf ein bestimmtes Verhalten des Geistes abzwecken, und ein anderer Zweck bei ihnen nicht möglich ist; wie kann also unter diesen Umständen aus der blossen Verschiedenheit der Worte auf eine Verschiedenheit der Lehre geschlossen werden?‹ – Dieser Einwand ist nicht treffend; denn wenn auch der Zweck, ein bestimmtes geistiges Verhalten zu veranlassen, der gleiche ist, so ist doch zufolge der Verschiedenheit der Verknüpfung [von Wort und Zweck] eine Verschiedenheit der Lehre denkbar. Nämlich wenn auch der zu verehrende Gott einer bleibt, so werden doch von ihm je nach dem Vorhaben verschiedene Qualitäten [zur Verehrung] anbefohlen; und ebenso, wenn auch der Prâṇa, wie er hier und dort als Objekt der Verehrung aufgestellt wird, derselbe bleibt, so ist doch das eine Mal eine solche, und das andere Mal eine andere Qualität desselben zu verehren, und wegen dieser Verschiedenheit der Verknüpfung muss, wo die Vorschrift eine verschiedene ist, auch eine Verschiedenheit der Lehre anerkannt werden. Man kann nicht etwa behaupten, dass dabei die eine Vorschrift sich auf das Wissen und die andere auf die Qualitäten bezöge; denn weil für ein solches Auseinandergehen kein Grund vorliegt, und weil die Qualitäten je nach dem Vorhaben verschiedene sind, so geht es nicht an, die Anbefehlung der Qualitäten als eine nachträgliche Erklärung (anuvâda) der schon vorhandenen Lehre anzusehen. Auch dürften bei dieser Annahme nicht dieselben Qualitäten, wie z.B. »Wahres wünschend« u.s.w., an mehreren Stellen (Chând. 8, 1, 5. 8, 7, 1) vorkommen. Je nachdem das Vorhaben ist, heisst es nämlich, wer dies begehrt, muss dies verehren, und wer jenes begehrt, jenes, und da hierdurch schon die Erfüllung der Wünsche erreicht wird, so braucht nicht erst zur Einheit der Lehren fortgegangen zu werden. Hierzu kommt, dass in diesen Fällen nicht so wie bei der Vaiçvânaralehre eine besondere Universalforderung vorliegt, um deren willen die in den einzelnen Abschnitten vorkommenden | partikularen Verehrungen zu einer Einheit zusammengeschlossen werden müssten. Wollte man wegen der Einheit des zu Lehrenden allerwärts eine vorbehaltlose Einheit der Lehre finden, so müsste man eine Zusammenfassung sämtlicher Qualitäten zugestehen, welche doch unmöglich ist. Es bleibt daher bei dem Gesagten: »zu trennen, wegen Verschiedenheit des Wortes u.s.w.«, und da dieses Adhikaraṇam feststeht, so ist wegen des Weiteren[633] zu verweisen auf die Stelle: »die Lehre aller [Vedântatexte] verdient Glauben« (Sûtram 3, 3, 1.)

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 632-634.
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