[605] 37. vyatihâro; viçiṇshanti hi, itaravat
Wechselseitigkeit; denn sie unterscheiden, wie anderweit.

Die Aitareyin's haben mit Bezug auf den Sonnen-Purusha die Worte: »was ich bin, das ist er, und was er ist, das bin ich« (Ait. âr. 2, 2, 4, 6.) Ebenso sagen die Jâbâla's: »fürwahr ich bin du, o heilige Gottheit, und du bist ich.« Hier fragt es sich, ob man an diesen Stellen die Andacht abwechselnd auf beide Gestalten zu richten hat oder nur auf die eine derselben? Man könnte denken, ›nur auf die eine, denn es ist hier an durchaus nichts weiter zu denken, als an die Einheit der Seele mit Gott. Wäre nämlich noch an etwas weiter zu denken, so könnte dies nur die Annahme einer Unterschiedlichkeit sein, vermöge deren die Wanderseele mit Gott und Gott mit der Wanderseele identisch wäre; hierbei würde zwar die wandernde Seele durch ihre Auffassung als Gott emporgehoben, hingegen Gott durch seine Auffassung als die wandernde Seele herabgewürdigt werden. Um dies zu vermeiden, darf die Andacht nur in der einen Weise geschehen, und die Erwähnung der Wechselseitigkeit hat nur den Zweck, die Einheit zu bekräftigen.‹ – | Auf diese Annahme erwidert der Lehrer: »Wechselseitigkeit« gilt bei dieser Meditation, »wie anderweit«, d.h. so wie auch andere Qualitäten, z.B. dass Gott die Seele von allem sei, zum Zwecke der Meditation erwähnt werden. »Denn so unterscheiden« die [in Rede stehenden] Stellen damit, dass sie beides aussprechen, die beiden Auffassungen: »ich bin du« und »du bist ich.« Dieses ist aber nur dann angebracht, wenn die Andacht sich auf beide Gestalten zu richten hat; denn im andern Falle würde diese unterschiedliche Erwähnung der beiden zwecklos sein, indem es an einem genug sein würde. – ›Aber folgt nicht, wie bemerkt wurde, wenn man der beiderseitigen Erwähnung einen gesonderten Zweck beilegt, dass die Gottheit durch ihre Auffassung als das Selbst der wandernden Seele eine Herabwürdigung erleidet?‹ – Doch nicht, denn was auf diese Art meditiert wird, ist nur die Wesenseinheit. – ›Aber wenn dem so ist, so ergiebt sich ja jene von uns vertretene Bekräftigung der Einheit!‹ – Diese Bekräftigung der Einheit schliessen auch wir keineswegs aus, aber wir behaupten nur, dass auf Grund des Schriftwortes dennoch die Andacht wechselweise eine zweifache sein muss und nicht nur eine einfache. Dass aber eine Einheit dabei zu Grunde liegt, das wird ja auch durch den verheissenen Lohn bestätigt.[605] Es ist damit [mit dieser Herabziehung der Gottesvorstellung ins Empirische] gerade so, wie wenn zum Zwecke der Meditation Qualitäten wie »Wahres wünschend« u. dgl. (Chând. 8, 1, 5. 8, 7, 1) hingestellt werden, und dabei an Gott als den Träger dieser Qualitäten zu denken ist. Somit ist diese Wechselseitigkeit zu meditieren und auch sonst, wo es sich um denselben Gegenstand handelt, herbeizuziehen.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 605-606.
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