[558] 7. na vâ, prakarana-bhedât, parovarîyastva-âdi-vat
oder [vielmehr] nicht, wegen Verschiedenheit des Vorhabens, sowie da, wo vorkommt, dass er der allervortrefflichste.

»Oder [vielmehr]« es ist richtiger, hier nicht eine Einheit, sondern eine Verschiedenheit der Lehre anzunehmen; warum? »wegen Verschiedenheit des Vorhabens«, d.h. wegen Verschiedenheit des Unternehmens. In der That stellt sich dabei eine Verschiedenheit des Unternehmens heraus. Was zunächst das Chândogyam betrifft, so wird in den Anfangsworten: »Om! diesen Laut verehre man als den Udgîtha« (Chând. 1, 1, 1), der Laut »Om«, welcher einen Bestandteil des Udgîtha bildet, als das zu Verehrende gepriesen, und nach seiner Beschaffenheit als die allerfeinste Essenz u.s.w. geschildert. Hierauf heisst es: »über diesen Laut besteht folgende Erzählung« (Chând. 1, 1, 10), womit die Stelle wiederum zu dem Laute »Om« als einem Bestandteile des Udgîtha zurücklenkt und vermittelst der Erzählung von den Göttern und Dämonen darlegt, wie man diesen [durch den Laut Om versinnbildlichten] Prâṇa als den Udgîtha verehrte. Wollte man nun hierbei unter dem Worte »Udgîtha« dengan zen Abschnitt [der Sâma-Liturgie, welcher den Namen Udgîtha führt] und den Vollzieher desselben, nämlich den Priester Udgâtar verstehen, so würde damit dem Eingange widersprochen werden, und in demselben bloss ein bildlicher Ausdruck zu sehen sein. Es muss aber in einer zusammenhängenden Stelle[558] der Schluss von dem Anfange in Abhängigkeit stehen. Somit haben wir hier eine Versinnbildlichung des Prâṇa vermittelst des einen Bestandteil des Udgîtha bildenden Lautes »Om« anzunehmen. – Was hingegen das Vâjasaneyakam betrifft, | so liegt bei demselben kein Grund vor, unter dem Worte Udgîtha nur einen einzelnen Bestandteil desselben zu verstehen; vielmehr ist hier an den ganzen [Udgîtha genannten] Abschnitt der Liturgie zu denken, und wenn es heisst: »singe du uns den Udgîtha« (Bṛih. 1, 3, 7), so wird hier der Vollbringer des Udgîtha, nämlich der Priester Udgâtar, bildlich als der Prâṇa vorgestellt, und dieses ist ein anderes Vorgehen. Und wenn dabei auch der Prâṇa und der Udgîtha als Subjekt und Prädikat miteinander verbunden werden, so geschieht auch dieses nur zu dem Zwecke, den als den Priester Udgâtar vorgestellten Prâṇa als die Seele aller Dinge zu lehren und reicht noch nicht hin, um eine Einheit der Lehre zu konstatieren. Und eben auch, weil dabei das Wort Udgîtha [im Gegensatze zu der andern Stelle] den ganzen Abschnitt der Liturgie bedeutet, liegt hier die Sache anders. Auch darf man die Auffassung des Prâṇa als Udgâtar nicht darum, weil die Sache unmöglich sei, abweisen, indem der Prâṇa wie als Udgîtha, so auch als Udgâtar nur zum Zwecke der Verehrung aufgewiesen wird. | Dieses aber ist nicht unzutreffend, sofern der Udgâtar sein Werk, das Singen des Udgîtha, durch Anstrengung des Prâṇa (Odem) verrichtet. Und auch dieses sagt die Schrift ebendaselbst in den Worten: »durch die Rede und durch den Odem (prâṇa) sang er den Udgîtha« (Bṛih. 1, 3, 24.) Wo aber, wie hier, dasjenige, was gesagt werden soll, ein Verschiedenes ist, da darf man sich nicht durch die blosse äussere Form der Stelle dazu verleiten lassen, eine Gleichheit des Inhalts anzunehmen. So z.B. heisst es in der Stelle, welche von dem [versäumten Mond-] Aufgange (Taitt. saṃh. 2, 5, 5, 2), und in der, welche von dem Begehren nach Viehreichtum handelt: »man teile die Reiskörner in drei Haufen«; und dabei heisst es auch in der Stelle von dem Begehren nach Viehreichtum: » die, welche von mittlerer Grösse sind, die soll man dem Geber Agni als einen Reiskuchen in acht Schalen vorsetzen.« Hier liegt eine Ähnlichkeit der Unterweisung vor, und gleichwohl ist das Unternehmen ein Verschiedenes; denn in der Stelle von dem Aufgange wird von den [betreffenden] Göttern abgegangen, während hingegen die Stelle von dem Verlangen nach Viehreichtum eine blosse Opfervorschrift ist. In ähnlicher Weise ist auch hier wegen der Verschiedenheit des Unternehmens eine Verschiedenheit der Lehre anzunehmen. »So wie da, wo vorkommt, dass er der allervortrefflichste«, d.h. so wie, ungeachtet der Ähnlichkeit der Übertragung in der bildlichen Auffassung des höchsten Âtman, in der Stelle: »der Äther ist edler als diese beiden, der Äther ist das höchste Ziel, er ist der allervortrefflichste | Udgîtha, er ist der unendliche« (Chând. 1, 9, 1),[559] die Verehrung des Udgîtha, welcher durch die Attribute der höchsten Vortrefflichkeit u.s.w. ausgezeichnet wird, verschieden ist von derjenigen Verehrung des Udgîtha, in welcher er durch die Attribute als der Mann im Auge und Sonne mit goldenem Barte u.s.w. ausgezeichnet wird (Chând. 1, 6-7.) So wie man also hier keine Zusammenfassung der beiderseitigen Attribute, wiewohl beides bei derselben Vedaschule vorkommt, anzunehmen hat, in ähnlicher Weise ist es auch der Fall bei derartigen Verehrungen, wo sie in verschiedenen Vedaschulen vorkommen.

Quelle:
Die Sűtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 558-560.
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