[553] 2. bhedân na! iti cen? na! ekasyâm api
wegen der Verschiedenheit nicht, meint ihr? Nein! auch bei einer!

›Nun wohl‹, könnte man sagen, ›aber es geht doch nicht an, den Lehren aller Vedântatexte Glauben zu schenken, weil dabei die näheren Bestimmungen (guṇa) voneinander abweichen. So z.B. erwähnen die Vâjasaneyin's da, wo sie die Fünf-Feuer-Lehre zur Sprache bringen, noch ein weiteres sechstes | Feuer, da wo es heisst: »dessen Feuer ist das Feuer« u.s.w. (Bṛih. 6, 2, 14); die Chandoga's hingegen haben dieses Feuer nicht, sondern fassen zum Schlusse die Feuer nur in der Fünfzahl zusammen: »nun aber der, welcher diese fünf Feuer kennt« (Chând. 5, 10, 10.) Hier, wo die einen diese nähere Bestimmung haben und die andern nicht, kann doch nicht bei beiden eine und dieselbe Lehre vorliegen; auch lässt sich hier keine Zusammenfassung der Bestimmungen annehmen, weil dem die Fünfzahl entgegensteht. – Ähnlich steht es mit dem Rangstreite der Organe; hier erwähnen als von »dem besten« verschieden die Chandoga's die vier Organe, Rede, Auge, Ohr und Manas (Chând. 5, 1, 8-11), während die Vâjasaneyin's noch ein fünftes Organ erwähnen: »fürwahr der Same ist Prajâpati; der mehret sich an Nachkommenschaft und Vieh, wer Solches weiss« (Bṛih. 6, 1, 6.) Da hier eine Verschiedenheit in dem Mehr und Minder besteht, so liegt darin eine Verschiedenheit des zu Wissenden und mithin eine Verschiedenheit der Lehre vor, mit demselben Rechte, mit welchem durch die Verschiedenheit des Opfermaterials und der Gottheit eine Verschiedenheit des Opfers bedingt wird.‹ –

Auf diese Annahme erwidern wir, dass diese Einwendung nicht zutrifft. Denn auch in dem Zusammenhange derselben Lehre ist eine derartige Abweichung der näheren Bestimmungen wohl möglich. Denn wenn auch das sechste Feuer nicht mit zusammengefasst wird, so werden doch die fünf Feuer der Himmelswelt u.s.w. beiderseits anerkannt; daher hier keine Verschiedenheit der Lehre angenommen zu werden braucht, ebenso wie die Übernachtsfeier dadurch keine verschiedene wird, dass man dabei die sechzehnteilige Strophe gebraucht oder nicht gebraucht (vgl. p. 43, 1 Seite 12.)[553] Erwähnt wird übrigens das sechste Feuer auch von den Chandoga's, nämlich da wo es heisst: »ist er dann gestorben, so tragen sie ihn weg zu seiner Bestimmung | ins Feuer« (Chând. 5, 9, 2.) Was hingegen die Vâjasaneyin's betrifft, so heisst es bei ihnen, um die bei den fünf idealen (sâmpâdika) Feuern aufgestellte Annahme des Brennholzes, Rauches u.s.w. wieder abzustellen: »bei demselben [dem natürlichen Feuer] ist das Feuer eben das Feuer, und das Brennholz das Brennholz« u.s.w. (Bṛih. 6, 2, 14.) Hier haben wir nur eine Aussage über solches, welches immerfort gilt (nitya-anuvâda.) Oder auch man kann annehmen, dass diese Aussage gleichfalls dem Zwecke der Verehrung dient; und auch dann kann diese Bestimmung auch bei den Chandoga's mit hereingenommen werden. Hierdurch wird nicht etwa ein Widerspruch gegen die Fünfzahl zugelassen, denn diese Fünfzahl befasst nur die idealen Feuer, ist eine Aussage über nicht immerfort Gültiges (lies anitya-anuvâda) und bildet auch keinen integrierenden Teil irgend einer Vorschrift; daher die Sache ohne Bedenken ist. – In derselben Weise kann man auch bei dem Rangstreite der Organe und anderwärts die überschüssige Bestimmung ohne Widerspruch an der andern Stelle mit hinzunehmen. Wegen einer solchen Abweichung in dem Mehr und Minder ist keine Abweichung des zu Lehrenden und somit keine Abweichung der Lehre anzunehmen nötig, denn das Mehr und Minder bezieht sich nur auf einen einzelnen Teil des zu Lehrenden, während das Meiste sowohl an dem zu Lehrenden als auch bei denen, die es lehren, übereinstimmt, daher hier eine Einheit der Lehre anzunehmen ist.

Quelle:
Die Sűtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 553-554.
Lizenz:
Kategorien: