[567] 14. ādhyānāya, prayojana-abhāvāt
zum Zwecke der Meditation, weil kein Motiv vorhanden.

Es heisst im Kāṭhakam: »den Sinnen überlegen sind die Dinge, den Dingen überlegen ist das Manas«, und wie es weiter heisst: »dem Geiste ist nichts and'res überlegen, er ist das Endziel, er der höchste Gang« (Kāṭh. 3, 10 fg.). Es erhebt sich die Frage, ob hierbei alle die Genannten, die Dinge u.s.w., immer eines höher als das andere erscheinen sollen, oder ob der Zweck nur der ist, den Geist als höher als alle Vorhergenannten hinzustellen? – Man könnte denken, ›dass alle die Genannten, eines immer höher als das andere, hingestellt werden sollen; denn die Schrift sagt ja, dass dieses höher als das und jenes höher als dieses sei‹. – Aber geht nicht darüber, dass viele Dinge als höher bezeichnet werden sollen, die Einheit des Gedankens verloren?[567] – ›Das schadet nicht, weil es möglich ist, dass die Stelle mehrere Gedanken enthält, und dass diese mehreren Gedanken den Zweck haben, von mehreren Dingen zu lehren, dass sie über andere erhaben sind. Somit wird hier von jedem dieser Dinge gelehrt, dass es anderen überlegen sei‹. – Auf diese Annahme erwidern wir: es ist vielmehr so, dass nur der Geist als über alle jene andern erhaben hingestellt werden soll, nicht aber soll gelehrt werden, dass jedes einzelne überlegen über andere sei; warum? »weil kein Motiv vorhanden«, d.h. es ist kein Motiv ersichtlich oder aus der Schrift zu entnehmen, wegen dessen auch die andern als überlegen gelehrt werden sollten; was hingegen den Geist betrifft, so ist für die Darstellung seiner Überlegenheit über die Sinne u.s.w. und seiner Befreitheit von der ganzen Masse des Unheils | u.s.w. allerdings ein Motiv vorhanden, nämlich die Erlangung der Erlösung. Und dem entsprechend sagt die Schrift: »wer ihn erkannt hat, dem wird Erlösung aus des Todes Rachen« (Kāṭh. 3, 15.) Auch daraus, dass die Möglichkeit, es gebe ein höheres als den Geist, geleugnet, und dass durch die Bezeichnung des Geistes als »Endziel« das Interesse auf den Geist gelenkt wird, ergiebt sich, dass die Aufzählung der Reihenfolge des Früheren und Späteren nur den Zweck hat, auf den Geist hinzuführen. Dieses geschieht »zum Zwecke der Meditation«, d.h. [wie Ēankara meint] zum Zwecke der auf die Meditation hin erfolgenden vollkommenen Erkenntnis. Nämlich nur um der vollkommenen Erkenntnis willen wird hier auf die Meditation verwiesen, nicht so, dass die Meditation der eigentliche Zweck wäre.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 567-568.
Lizenz:
Kategorien: