[480] 7. bhāktaṃ vā, anātmavittvāt; tathā hi darēayati
oder bildlich, wegen Nichterkennung des Ātman; denn so lehrt [die Schrift].

[480] Das Wort »oder« hat die Bedeutung, das hervorgehobene Bedenken zu beseitigen. Nämlich dass sie zur Nahrung werden, ist »bildlich«, nicht eigentlich zu nehmen; denn ein eigentliches Nahrungsein würde Schriftstellen, die zum Opfer berufen, wie: »es opfere wer nach dem Himmel begehrt«, | widersprechen. Stände nicht in der Mondscheibe für die Vollbringer der Opfer u.s.w. ein Genuss in Aussicht, warum sollten sich dann die Berufenen mit Werken, welche, wie das Opfern u.s.w., viele Anstrengung verursachen, bemühen? Das Wort »Speise« kann, weil eine solche in ähnlicher Weise die Ursache eines Genusses ist, uneigentlich auch von Dingen gebraucht werden, welche nicht Speise sind, wie wenn man sagt »das Volk ist die Speise des Fürsten wie das Vieh die Speise des Volkes ist«. Man hat daher anzunehmen, dass – in ähnlicher Weise, wie wir mit einem geliebten Weibe, Sohne oder Freunde verkehren, welche [als die unsrigen] zu einer Qualität [von uns] werden, – die Götter mit den Vollbringern der Opfer u.s.w. einen angenehmen Verkehr pflegen, und dass dieser unter dem Verspeisen derselben zu verstehen ist, nicht als wenn es sich dabei um ein wirkliches Kauen und Verschlucken, wie bei Backwerk u.s.w., handelte. Denn die Schrift sagt: »denn die Götter essen nicht und trinken nicht, sondern indem sie jenes Unsterbliche schauen, werden sie satt« (Chānd. 3, 6, 1), wodurch eine Thätigkeit des Kauens u.s.w. bei den Göttern ausgeschlossen ist. Übrigens findet dabei zugleich auch ein Geniessen von Seiten der zu einer Qualität der Götter gewordenen Vollbringer der Opfer u.s.w. statt, ähnlich wie es für die den Fürsten Umgebenden stattfindet, indem diese von ihm leben [sowie er von ihnen]. Dass aber die Vollbringer der Opfer u.s.w. dazu gelangen, den Göttern als Genuss zu dienen, geschieht »wegen Nichterkennung des Ātman«. »Denn so lehrt die Schrift« das Genossenwerden derer, die den Ātman nicht erkennen, durch die Götter, wenn sie sagt: »Wer eine andere Gottheit [als das Selbst, den Ātman] verehrt und spricht ›eine andere ist sie und ein anderer bin ich‹, der ist nicht weise, sondern er ist gleich als wie ein Haustier der Götter« (Bṛih. 1, 4, 10); d.h. so wie ein solcher schon in dieser Welt durch Günstigstimmen der Götter mittels der Opfer und sonstigen Werke gleichsam wie ein Haustier in Diensten der Götter steht, ebenso steht er auch in jener Welt, indem er von den Göttern lebt, d.h. die von ihnen angewiesene[481] Frucht geniesst, wie ein blosses Haustier in ihren Diensten.

Man kann die Worte des Sūtram »wegen Nichterkennung des Ātman, denn so lehrt [die Schrift]« auch folgendermassen erklären: | Jene Vollbringer der Opfer u.s.w. sind Nichterkenner des Ātman, weil sie nur die Werke betreiben und nicht die Erkenntnis und die Werke zusammen üben; nämlich unter der Erkenntnis des Ātman wäre dann hier [nicht, wie vorher, die vollkommene Erkenntnis, sondern] in uneigentlichem Sinne die Fünf-Feuer-Lehre zu verstehen, da es sich ja um diese handelt, und das Speisewerden der Vollbringer der Opfer u.s.w. in bildlichem Sinne (guṇavādena) so hingestellt, weil sie die Fünf-Feuer-Lehre nicht kenneten, also zur Verherrlichung der Fünf-Feuer-Lehre; denn die Fünf-Feuer-Lehre soll, wie aus der Absicht der ganzen Stelle hervorgeht, hier anempfohlen werden. »Denn so lehrt« eine andere Schriftstelle, dass auf der Mondscheibe ein wirklicher Genuss stattfindet: »nachdem er in der Mondwelt Machtentfaltung genossen, kehrt er wieder zurück« (Praēna 5, 4); und ebenso noch eine Stelle: »und hundert Wonnen der Väter, die den Himmel erworben haben, ... sind eine Wonne der Götter durch Werke, die durch ihre Werke das Gottsein erlangen« (Bṛih. 4, 3, 33); diese Stelle beweist, dass die Vollbringer der Opfer u.s.w. durch ihr Zusammenwohnen mit den Göttern zum Genusse gelangen. – Indem es sonach feststeht, dass das Speisewerden bildlich zu nehmen ist, bleibt es dabei, dass die Seelen der Vollbringer der Opfer u.s.w. zu verstehen sind unter denen, welche dahineilen. Somit hat es mit den Worten: »sie rennt umschlungen«, seine Richtigkeit.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 480-482.
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