[643] 8. adhika-upadeçât tu Bâdarâyaṇasya, evaṃ tad-darçanât
wegen Hinweises auf den höhern vielmehr [gilt die Ansicht] des Bâdarâyaṇa, weil also dieses die Schrift zeigt.

Durch das Wort »vielmehr« wird die Behauptung des Gegners abgewiesen; nämlich wenn es hiess: »wegen seiner Zugehörigkeit ist sie eine auf den [Zweck des] Menschen bezügliche Zweckerklärung« (Sûtram 3, 4, 2), so ist das nicht richtig; warum? »wegen Hinweises auf den höhern«. Wenn es nämlich in dem Vedânta[643] nur darauf ankäme, das Fortbestehen über den Leib in Betreff der wandernden, verkörperten, handelnden und geniessenden Seele zu beweisen, so würde die Schriftlehre von der [Erlösung als] Frucht allerdings in der dargelegten Weise eine blosse Zweckerklärung sein; nun aber steht es vielmehr so, dass der höhere, über den verkörperten Âtman erhabene, nicht wandernde Gott, d.h. der von den Beschaffenheiten des Saṃsâra, von dem Thätersein u.s.w., freie und die Prädikate der Sündlosigkeit u.s.w. an sich tragende höchste Âtman in den Vedântatexten als der Gegenstand des Wissens | bezeichnet wird. Die Erkenntnis dieses Âtman aber ist kein Beweggrund zu den Werken, vielmehr hebt dieselbe die Werke gänzlich auf, wie der Lehrer an der Stelle: »und die Vernichtung« (Sûtram 3, 4, 16) zeigen wird. Somit bleibt es bei der in den Worten: »das Ziel des Menschen durch sie, wegen der Schrift« (Sûtram 3, 4, 1) ausgesprochenen Meinung des verehrungswürdigen Bâdarâyâṇa, und diese Meinung kann nicht durch die Scheingründe der Zugehörigkeit [des Âtman als Subjekt des Handelns zu den Werken] u.s.w. erschüttert werden. Denn in dieser Weise zeigen die Schriftstellen jenen höher als die verkörperte Seele stehenden Gott als den Âtman auf: »der alles kennt und alles weiss« (Muṇḍ. 1, 1, 9); – »aus Furcht vor ihm geht auf die Sonne, aus Furcht vor ihm fährt hin der Wind« (Taitt. 2, 8); – »gar furchtbar ist es, ein gezückter Blitzstrahl« (Kâth. 6, 2); – »auf dieses Unvergänglichen Geheiss, o Gârgî« (Bṛih. 3, 8, 9); – »dasselbige beabsichtigte: ich will vieles sein, will mich fortpflanzen; da schuf es das Feuer« (Chând. 6, 2, 3) u.s.w. Allerdings wird ja auch die als das »Liebe« u.s.w. charakterisierte, wandernde Seele als Gegenstand des Wissens herbeigezogen, denn es heisst: »um des Selbstes willen ist das Weltall lieb, das Selbst fürwahr soll man schauen« (Bṛih. 2, 4, 5); – »der durch den Aushauch aushaucht, das ist deine Seele, die allem innerlich ist« (Bṛih. 3, 4, 1); – »der Mann, der in dem Auge gesehen wird« und wie es weiter heisst, »diesen will ich dir weiter erklären« (Chând. 8, 7, 4. 8, 9, 3), und derartiges mehr. Aber wenn man hinwiderum Stellen wie die folgenden vergleicht: »aus diesem grossen Wesen ist ausgehaucht worden | der Ṛigveda, der Yajurveda« (Bṛih. 2, 4, 10); – »derjenige, welcher den Hunger und den Durst, das Wehe und den Wahn, das Alter und den Tod überschreitet« (Bṛih. 3, 5, 1); – »sie gehet ein in das höchste Licht und tritt dadurch hervor in eigener Gestalt: das ist der höchste Geist« (Chând. 8, 12, 3), – so beweisen Stellen dieser Art, dass die Absicht vielmehr auf die Darlegung der höchsten Seele zielt, und dass die vorhererwähnten Stellen nicht die Absicht haben, eine gänzliche Verschiedenheit beider Seelen zu lehren, daher sie keinen Widerspruch enthalten; denn das Sein als der höchste Gott ist die eigentlich wahre Natur der verkörperten Seele, während hingegen ihr Verkörpertsein nur durch die Upâdhi's bewirkt[644] wird, wie dieses sich ergiebt aus Schriftstellen wie: »das bist du« (Chând. 6, 8, 7), – »nicht giebt es ausser ihm einen Sehenden« (Bṛih. 3, 7, 23) u.s.w. Übrigens haben wir dieses alles früher an verschiedenen Stellen ausführlich auseinandergesetzt.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 643-645.
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