[649] 18. ›parāmarēaṃ‹ Jaiminir, ›acodanā ca, apavadati hi‹
›für eine [blosse] Erwähnung‹ [hält es] Jaimini; ›und [wirklich] ist es keine Aufforderung, denn [die Schrift] stellt in Abrede,‹ ...

›Die Schriftstellen: »es giebt drei Abteilungen der Pflicht« (Chānd. 2, 23, 1) u.s.w., welche als Beweis für das Vorkommen der Keuschheitsorden citiert wurden, reichen nicht aus, dieses zu beweisen‹, denn der Lehrer Jaimini sieht ›in diesen Schriftstellen eine blosse Erwähnung, dass es noch andere Orden gebe, nicht[649] aber eine Vorschrift [d.h. keinen Vidhi, sondern einen blossen Anuvāda]; und warum? weil dabei kein Imperativ oder sonstiges einen Befehl ausdrückendes Wort vorkommt. Vielmehr zeigt sich im einzelnen, dass jene Stellen einen andern Zweck verfolgen. Denn zunächst an der Stelle: »es sind drei Abteilungen der Pflicht« heisst es weiter: »Opfer, Studium, Almosengeben ist die erste; Busse ist die zweite; dass man als Brahmanenschüler im Hause eines Lehrers wohnt, die dritte, indem man sich [eventuell] für immer in dem Hause des Lehrers niederlässt; diese alle haben Teil an der Welt der guten Werke« (Chānd. 2, 23, 2); und nachdem nach vorheriger Erwähnung der Orden hervorgehoben worden, dass für sie alle der Lohn kein unendlicher sei, wird als dasjenige, welches einen unendlichen Lohn bringe, das Feststehen in dem Brahman gepriesen, denn es heisst: »wer in dem Brahman feststeht, gehet ein zur Unsterblichkeit« (Chānd. 2, 23, 2.)‹ – Aber werden nicht diese Orden auch an ihrer blossen Erwähnung schon als vorhanden | erkannt? – ›Allerdings! aber doch rührt ihre Beglaubigung aus der Smṛiti und aus der Sitte (ācāra), nicht aber aus einem offenkundigen Schriftworte her; und darum sind, falls ihnen ein offenkundiges Schriftwort widerstreiten sollte, dieselben nicht anzuerkennen oder aber auf solche zu beziehen, welche [wegen Blindheit oder anderer Gebrechen] von der Verpflichtung zum Werkdienste entbunden (anadhikṛita) sind.‹ – Aber es wird ja doch auch der Stand des Hausvaters im Vereine mit den Keuschheitsorden erwähnt, sofern es heisst: »Opfer, Studium, Almosengeben ist die erste« (Chānd. 2, 23, 1.) – ›Das ist richtig, aber was diese Erwähnung des Hausvaters betrifft, so ist aus der Anbefehlung des Feueropfers und der übrigen Werke seine Anerkennung in der Schrift ersichtlich; daher die Erwähnung desselben an unserer Stelle nur zu seiner Verherrlichung geschieht, nicht aber um ihn [nochmals] anzubefehlen. – Hierzu kommt aber weiter, dass [wirklich, wie oben bemerkt], ein offenkundiges Schriftwort jene andern Orden verwirft. Denn es heisst: »der ist ein Totschläger der Götter, welcher das Opferfeuer zerstört« (Taitt. saṃh. 1, 5, 2, 1); – »nachdem du dem Lehrer die liebe Abschiedsgabe gereicht, sorge, dass der Faden des Geschlechts nicht abgeschnitten werde« (Taitt. 1, 11, 1); – »wer ohne Sohn, ist ohne Welt, das wissen selbst die Tiere all« (Ait. br. 7, 13, 12.) – Was ferner die Stellen betrifft: »jene dort, welche im Walde Glauben und Busse üben« (Chānd. 5, 10, 1) und: »die, welche mit der Busse und dem Glauben im Walde sind beschäftigt« (Muṇḍ. 1, 2, 11), so haben dieselben den Zweck, | den Götterweg zu lehren, nicht aber den, einen neuen Orden einzuführen. – Zweifelhaft ist auch die Aufstellung eines neuen Ordens in den Worten: »die Busse ist der zweite« u.s.w. (Chānd. 2, 23, 2.) – Was ferner die Worte betrifft: »zu ihm auch pilgern hin die Pilger,[650] als die nach der Heimat sich sehnen« (Bṛih. 4, 4, 22), so liegt in ihnen nur eine Verherrlichung der himmlischen Heimat, nicht aber eine Anbefehlung der Pilgerschaft.‹ – Aber die Stelle der Jābāla's: »schon aus der Schülerschaft heraus mag er ein Pilger werden« (Jābāla-Up. p. 445) enthält doch offenbar eine deutliche Anbefehlung der Pilgerschaft! – ›Das ist richtig, aber man muss wissen, dass die gegenwärtige Untersuchung auf diese Schriftstelle keine Rücksicht zu nehmen hat.‹

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 649-651.
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