[546] 38. phalam ata', upapatteḥ
die Frucht von ihm, wegen der Möglichkeit.

Eine andere Eigentümlichkeit dieses Brahman ist jetzt zu besprechen, indem wir zu dem Standpunkte des Welttreibens herabsteigen, welcher eine Trennung zwischen einem beherrschenden Gotte und einer beherrschten Welt annimmt.[546]

Die Frucht der Werke, wie sie als Erwünschtes, Unerwünschtes und aus beidem Gemischtes dreifach im Bereiche des Saṃsāra bei den Wesen sich einstellt, rührt diese her von den Werken | oder von Gott? Das ist hier die Frage. Hier nun erklärt sich der Lehrer dafür, dass »die Frucht von ihm«, nämlich von Gott, herrühren muss; warum? »wegen der Möglichkeit«. Denn Gott ist es, welcher als der Aufseher des Weltalls, der seine verschiedenen Zustände der Schöpfung, des Bestandes und des Unterganges anordnet, vermöge seiner Kenntnis der Unterschiede in Raum und Zeit, für die Vollbringer der Werke die den Werken angemessene Frucht herbeiführt. Auf diese Weise also ist eine Vergeltung »möglich«. Dass hingegen das Werk selbst, welches von Augenblick zu Augenblick zunichte wird, eine in einer späteren Zeit eintretende Frucht hervorbringe, ist unmöglich, weil aus dem Nichtsein ein Sein nicht entspringen kann. – ›Aber kann man nicht annehmen, dass das Werk, obschon es vergeht, doch erst vergeht, nachdem es zur Zeit seines Bestandes eine ihm entsprechende Frucht erzeugt hat, und dass diese Frucht, nachdem sie eine Zeit lang latent geblieben, von dem Thäter genossen wird?‹ – Auch das bringt die Sache nicht ins Reine, weil eine Frucht nicht bestehen kann, bevor sie sich nicht mit einem Geniesser verbindet. Denn erfahrungsmässig versteht man unter Frucht nur die Lust und den Schmerz, sofern sie zu einer bestimmten Zeit von der Seele genossen werden. Kein Mensch aber nimmt eine Lust und Unlust als Frucht an, ohne dass dieselbe mit einer [geniessenden] Seele verbunden wäre. – | ›Aber‹, so könnte man sagen, ›kann nicht die Frucht entstehen aus dem Apūrvam [der ohne unmittelbar vorhergehende Ursache eintretenden Vergeltung], sofern dieses eine Wirkung der Werke ist?‹ – Auch dieses ist nicht möglich, weil das Apūrvam ein Ungeistiges ist, welches so wenig wie Holz und Erde eine Bewegung veranlassen könnte, wenn es nicht von einem Geistigen in Bewegung gesetzt würde. Hierzu kommt, dass sich für die Existenz des Apūrvam kein Beweis erbringen lässt. – ›Aber ist nicht das Eintreten der Sache Beweis genug?‹ – Nein, denn weil das Dasein Gottes feststeht, wird dieses Eintreten der Sache [als Beweis für das Apūrvam] hinfällig.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 546-547.
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