[507] 5. para-abhidhyānāt tu tirohitaṃ, tato hi asya bandha-viparyayau.
vielmehr durch Überdenken des Höchsten, da sie [vorher] verborgen; denn von ihm kommt ihre Bindung und das Gegenteil.

[507] ›Das mag ja sein; aber die individuelle Seele ist doch ein Teil von dem höchsten Ātman, wie der Funke von dem Feuer. Ist dem so, so muss, ebenso wie das Feuer und der Funke dieselbige Kraft zu leuchten und zu brennen besitzen, ebenso auch die Seele so gut wie Gott die Kräfte der Allwissenheit und Allmacht besitzen. Ist dem aber so, und besitzt die Seele Allmacht, so muss auch die Schöpfung der Wagen u.s.w. im Traume eine die Wünsche realisierende sein.‹ – Hierauf ist zu erwidern: zugegeben, dass die Seele und Gott sich verhalten wie der Teil und das Ganze, so liegt es doch am Tage, dass die Seele und Gott verschiedener Art sind. – ›Aber wie steht es dann mit der Gleichartigkeit Gottes und der Seele? soll diese etwa nicht bestehen, und dabei doch bestehen?‹ – Es ist vielmehr so, dass sie zwar besteht, jedoch verborgen ist; denn das Nichtwissen verbirgt sie. Obwohl sie aber verborgen ist, so wird sie doch, wenn eine Kreatur den höchsten Gott überdenkt und erstrebt, gleich wie das Sehvermögen bei einem Geblendeten, nachdem die Finsternis durch die Kraft der Heilmittel abgeschüttelt ist, in dem, an welchem die Gnade Gottes es vollbringt, offenbar, nicht aber von Natur | bei irgend einem Wesen. Warum? Weil durch ihn, durch Gott als Ursache, Bindung und Lösung der Seele gewirkt werden; Bindung, wenn die Wesenheit Gottes nicht erkannt wird, und wenn sie erkannt wird, Lösung. Denn so sagt die Schrift (Ēvet. 1, 11):


»Ist Gott erkannt, so fallen alle Bande,

Die Plagen schwinden, nebst Geburt und Sterben,

Wer ihn erkennt, geht nach des Leib's Abtrennung

Zum dritten Stande voller Allmacht ein,

Worauf er frei und aller Wünsche Herr wird.«

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 507-508.
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