[132] 2. mukta-upasṛipya-vyapadeēāt
wegen Bezeichnung als der Zufluchtsort der Erlösten.

Auch darum muss der Stützpunkt des Himmels und der Erde das höchste Brahman sein, weil er bezeichnet wird »als der Zufluchtsort der Erlösten« d.h. als der Zufluchtsort für die Erlösten. Nämlich [um diese näher zu charakterisieren]: da ist zunächst das Nichtwissen, welches den Leib und [seine Organe], obwohl sie nicht das Selbst (ātman) sind, in dem Bewusstsein: »dies bin ich« für das Selbst hält; sodann die Liebe zu dem, der diese [unsere Leiblichkeit] achtet u.s.w., der Hass gegen den, der sie verachtet u.s.w., die Furcht vor allem, was sie schädigt, der Wahn, – kurz diese ganze Heerschar des Unheils, wie sie in unendlicher Verzweigung sich ausbreitet und an uns allen zu Tage tritt. Im Gegensatze dazu stehen diejenigen, welche von dem Nichtwissen, der Liebe, dem Hasse und den übrigen Gebrechen erlöst sind; und diese Erlösten sind es, als deren Zufluchtsort und Eingangsstätte dasjenige bezeichnet wird, was vorher als Stützpunkt des Himmels und der Erde geschildert worden war; denn die Schrift sagt weiterhin (Muṇḍ. 2, 2, 8):


| »Wer jenes Höchst' und Tiefste schaut,

Dem spaltet sich des Herzens Knoten,

Dem lösen alle Zweifel sich,

Und seine Werke werden nichts;


und sodann heisst es (Muṇḍ. 3, 2, 8):


So geht, erlöst von Name und Gestalt,

Der Weise ein zum göttlich-höchsten Geiste.«


Dass aber dieser Zufluchtsort der Erlösten kein anderer als das Brahman ist, steht aus der Schrift fest, wenn sie z.B. sagt (Bṛih. 4, 4, 7):


»Wenn alle Leidenschaft verschwunden,

Die in des Menschen Herzen nistend schleicht,

Dann hat der Sterbliche Unsterblichkeit gefunden,

Dann hat das Brahman er erreicht.«


Dass hingegen die Erlösten zur Urmaterie oder dergleichen als ihrem Zufluchtsorte eingingen, davon ist nirgendwo die Rede.[132] Auch wird in den Worten: »ihn wisst ihr als den Einen, als den, Ātman die andern Reden lasset ihr beiseite« (Muṇḍ. 2, 2, 5), hervorgehoben, dass man den Stützpunkt des Himmels und der Erde nur erkennen könne, nachdem man die Reden beiseite gelassen, und eben dies wird in einer andern Schriftstelle in Bezug auf das Brahman gelehrt, wenn es heisst (Bṛih. 4, 4, 21):


»Ihm forschet nach, die Weisheit zu erringen,

Nicht Worten viel, die nur Beschwerde bringen«;


| auch darum also kann der Stützpunkt von Himmel, Erde u.s.w. nur das höchste Brahman sein.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 132-133.
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