[166] 26. tad-upari api Bâdarâyaṇaḥ, sambhavât
auch die über ihnen, lehrt Bâdarâyaṇa, wegen des Zutreffens.

Wir fanden, dass die zollhohe Grösse des Purusha von der Schrift erwähnt werde »mit Rücksicht« auf die Grösse des Menschenherzens, »weil die Menschen« von dem Schriftkanon »berufen« werden.

Bei dieser Gelegenheit ist Folgendes zu bemerken. Zugegeben, dass es die Menschen sind, welche vom Schriftkanon berufen werden, so liegt doch hier, wo es sich um die Erkenntnis des Brahman handelt, kein Grund vor zu der Annahme, dass nur die Menschen allein zu ihr berufen seien. Vielmehr sind zur Erkenntnis »auch die über ihnen« Stehenden, nämlich die Götter u.s.w., berufen; so meint der Lehrer Bâdarâyaṇa; warum? »wegen des Zutreffens«, d.h. weil die Bedingungen der Bedürftigkeit u.s.w., welche die Ursache der Berufung sind, auch auf die Götter u.s.w. zutreffen. Was nämlich zunächst die Bedürftigkeit zur Erlösung betrifft, so trifft diese auch auf die Götter u.s.w. zu, indem dieselbe bei ihnen vornehmlich aus der Einsicht entspringt, dass ihr[166] Machtvermögen, weil es dem Bereiche des Erschaffenen angehört, ein vergängliches ist. Weiter aber trifft es auch auf sie zu, dass sie zur Erlösung fähig sind, weil sie, nach dem übereinstimmenden Zeugnisse der Mantra's und ihrer Auslegungen, der epischen und der mythologischen Gedichte sowie auch der Erfahrung, | Individualität u.s.w. besitzen. Auch werden dieselben nirgendwo ausgeschlossen, und auch der das Upanayanam u.s.w. zur Bedingung machende Heilskanon steht ihrem Berufensein nicht entgegen; denn das Upanayanam geschieht zum Zwecke des Vedastudiums; den Göttern aber ist der Veda schon von selbst [und ohne Studium] offenbar. Übrigens ist aus der Schrift zu ersehen, wie auch Götter, um der Wissenschaft teilhaft zu werden, sich der Brahmanenschülerschaft unterwerfen, denn es heisst z.B.: »hundert und ein Jahr wohnte der Mächtige [Indra] als Brahmanenschüler bei Prajâpati« (Chând. 8, 11, 3), und: »Bhṛigu, fürwahr, der Sohn des Varuṇa, trat vor seinen Vater Varuṇa und sprach: ›lehre mir, Verehrungswürdiger, das Brahman‹« (Taitt. 3, 1); und wenn auch in Bezug auf die Werke eine Ursache angegeben wurde, warum die Götter u.s.w. zu ihnen nicht berufen sein können, indem es hiess: »nicht die Götter, weil keine andern Gottheiten [denen sie opfern könnten] vorhanden«, – »nicht die Ṛishi's, weil keine andere Ṛishischaft vorhanden« (Çabarasvâmin zu Jaim. 6, 1, 5, p. 605, 19. 20), so steht es doch anders bei dem Wissen. Denn wo es sich um die Berufung des Indra u.s.w. zum Wissen handelt, liegt kein Werk zu thun vor, welches an den Indra u.s.w. gerichtet wäre, und wo es sich um die des Bhṛigu u.s.w. handelt, kein solches, welches um der Zugehörigkeit zum Stamme des Bhṛigu u.s.w. willen [diesem] darzubringen wäre; folglich ist kein Grund vorhanden, warum zum Wissen nicht auch die Götter und Ṛishi's berufen sein könnten. | Und auch die Schriftstelle von der zollhohen [eigentlich: eines Daumens Breite hohen] Grösse des Purusha steht mit der Berufung der Götter nicht in Widerspruch, sofern bei ihnen die Breite ihres eigenen [göttlichen] Daumens den Massstab bildet.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 166-167.
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