[81] 30. çâstra-dṛishṭyâ tu upadeço, Vâmadeva-vat
vermöge einer Schrift-Anschauung vielmehr [geschieht] die Bezeichnung, wie bei Vâmadeva.

Die Götterseele, welche den Namen Indra führt, bezeichnet ihren Âtman als den höchsten Âtman, weil sie, vermöge einer, nach dem Zeugnis der Schrift, den Heiligen (ṛishi) eignen Anschauung, sich selbst als das höchste Brahman anschaut und daher sagen kann: »so erkenne mich!« Dies geschieht ebenso, wie wenn es heisst: »Dieses erkennend hub Vâmadeva, der Ṛishi, an (Ṛigv. 4, 26, 1): ›Ich war einst Manu, ich war einst die Sonne‹« (Bṛih. 1, 4, 10); denn die Schrift sagt [ebendaselbst]: »und wer immer von den Göttern dieses [durch die Erkenntnis: ›ich bin Brahman‹] inne ward, der ward eben zu demselbigen.« Wenn aber ferner bemerkt wurde, dass Indra nach den Worten: »so erkenne mich!« sich selbst wegen individueller Vorzüge, wegen der Tötung des Tvâshṭra u.s.w., rühme, so haben wir darauf Folgendes zu entgegnen. Die Erwähnung der Tötung des Tvâshṭra u.s.w. geschieht hier gar nicht, um das Objekt der Erkenntnis, den Indra, zu verherrlichen, so als wollte er sagen: »weil ich solche Werke vollbracht habe, darum erkenne mich!«, sondern vielmehr, um die Erkenntnis zu verherrlichen. Dies ergiebt sich daraus, dass nach Erwähnung der Tötung des Tvâshṭra und anderer Gewaltthaten | im Folgenden eine Hochpreisung der Erkenntnis sich anschliesst, indem es heisst: »dieweil ich dieses that, so wurde mir doch dabei kein Haar geschmälert (loma mîyate); darum auch, wer mich erkennt, dem wird durch keinerlei Werke [die er begangen haben mag] seine Stätte im Himmel geschmälert (loko mîyate)« u.s.w. (Kaush. 3, 1.) Das heisst mit andern Worten: weil mir, obwohl ich derartige Greuelthaten beging, doch, wegen meines Werdens zu Brahman, kein Haar geschädigt wurde, darum auch jeder andere, der mich erkennt, dem wird seine Stätte im Himmel durch keinerlei Werke, welche sie auch immer sein mögen, geschädigt. Was er aber zu diesem Zwecke erkannt haben muss, das ist das Brahman, wie es weiterhin dargelegt wird in den Worten: »ich bin der Odem (prâṇa), bin das Erkenntnis-Selbst« (Kaush. 3, 2.) – Folglich handelt diese Stelle von Brahman.

Quelle:
Die Sűtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 81.
Lizenz:
Kategorien: