[44] 9. sva-apyayât
wegen des Eingehens in sich.

In Bezug auf eben jene, unter dem »Seienden« zu verstehende Weltursache sagt die Schrift (Chând. 6, 8, 1): »wenn der Mensch schläft, so ist er eingegangen in das Seiende; weil er dabei in sich selbst eingegangen ist (svam apîto bhavati), darum heisst es: er schläft (svapiti.)« – Diese Schriftstelle will den von dem Menschen [in einem gewissen Zustande] gebräuchlichen Ausdruck svapiti »er schläft« erklären. Dabei ist unter dem Worte svam (in sich selbst) der Âtman zu verstehen, von dem als »dem Seienden« vorher die Rede war. In diesen ist [der Schlafende] apîta, d.h. »er ist eingegangen«. Die Wurzel i mit der Präposition api bedeutet ein Vergehen, wie daraus zu ersehen, dass prabhava-apyayau für »das Entstehen und Vergehen« gebraucht werden. Nämlich wenn die Seele, durch die vom Manas ausgehenden Upâdhi's [d.h. durch die Sinnesorgane] mit den Bestimmungen[44] [der Objekte] in Verbindung gesetzt, | die Objekte der Sinnesorgane ergreifend, ihre [der Objekte] Bestimmungen auffasst, so sagt man, sie wache; wenn sie hingegen, nur durch frühere Eindrücke (vâsanâ) derselben bestimmt, Traumbilder schaut, so wird sie [in der Stelle Chând. 6, 8, 2, nach Çankara's Auffassung derselben] »Manas« genannt; wenn sie endlich, im Tiefschlafe, wo beide Arten der Upâdhi's [Sinnesorgane und Manas] zur Ruhe kommen, unter Wegfall der durch diese Upâdhi's bedingten Bestimmungen in ihr eigenes Selbst (âtman) gleichsam zergangen ist, so heisst es von ihr (Chând. 6, 8, 1), sie sei »eingegangen in sich selbst« (svam apîta.) Es ist hierbei ähnlich, wie wenn die Schrift z.B. die Etymologie des Wortes hridayam (Herz) erklärt und dabei sagt: »wahrlich dieser Âtman ist im Herzen (hṛidi); und dieses ist seine Auslegung: hṛidi ayam (im Herzen ist er), darum heisst es hṛidayam« (Chând. 8, 3, 3); oder wie wenn sie die Ursache der açanâyâ-udanyâ (Hunger und Durst) genannten Zustände anzeigt, indem sie sagt: »die Wasser führen das Gegessene weg«, »die Glut führt das Getrunkene weg« [und somit açanâyâ von ac und nî, udanyâ von udam und etymologisierend ableitet, Chând. 6, 8, 3. 5]. Ähnlich verfährt die Schrift hier, wenn sie, um zu lehren, dass [der Schlafende] in sich, d.h. in den Âtman, in das »Seiende« eingegangen sei, diese Sache durch die Etymologie des Wortes svapiti erläutert. Dass aber der geistige Âtman in die ungeistige Urmaterie seiner Wesenheit nach eingehe, ist unmöglich. Wollte man hingegen die Urmaterie auch unter dem Subjekte des Satzes [»er ist in sich eingegangen«] wegen der reflexiven Form (âtmîyatvât) desselben verstehen, so würde auch dann der Widerspruch statthaben, dass ein Geistiges in ein Ungeistiges einginge. Auch sagt eine andre Schriftstelle: »von dem erkenntnisartigen Selbste umschlungen weiss er nicht, was draussen und was drinnen ist« (Bṛih. 4, 3, 21); hiermit wird gelehrt, dass im Zustande des Tiefschlafes | ein Eingang in ein Geistiges [nämlich in das erkenntnisartige Selbst] stattfinde. – Nur jenes Geistige also, in welches alle geistigen Wesen [im Tiefschlafe] eingehen, darf als die durch das Wort »das Seiende« bezeichnete Weltursache verstanden werden, nicht aber die Urmaterie [der Sâ khya's].

Und warum weiter kann die Urmaterie nicht die Weltursache sein? Antwort:

Quelle:
Die Sűtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 44-45.
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