[233] 16. jagad-vâcitvâd
weil es die Welt bedeutet.

Im Kaushîtaki-Brâhmaṇam heisst es in der Unterredung zwischen Bâlâki und Ajâtaçatru: »der, fürwahr, o Bâlâki, welcher der Macher jener [von dir erwähnten] Geister ist, ja (vâ), dessen Gemächte dieses hier ist, der fürwahr muss erforscht werden« (Kaush. 4, 19,.) Es erhebt sich die Frage, ob als das zu Erforschende hier die individuelle Seele bezeichnet wird oder der Mukhya Prâṇa (Hauptlebensodem) oder der höchste Âtman? Angenommen also, ›es sei der Lebensodem (prâṇa) gemeint; warum? weil es heisst: »dessen Gemächte (Wirkung) dieses hier ist«, und weil die in der [Körper-]Bewegung liegende Wirkung von dem Lebensodem ausgeht; auch wird im Verlaufe in den Worten »dann wird er in diesem Lebensodem zur Einheit« (Kaush. 4, 20) das Wort Lebensodem (prâṇa) erwähnt, und dieses Wort bezeichnet in der Regel den Hauptlebensodem (mukhya prâṇa.) Hierzu kommt, dass die von Bâlâki vorher als der Geist in der Sonne, der Geist in dem Monde u.s.w. bezeichneten Geister ebenfalls ein Gemächte des Lebensodems sind, indem die Gottheiten der Sonne (Âditya) u.s.w. specielle Standorte des Lebensodems sind, wie aus einer andern Schriftstelle bekannt ist, in der es heisst: »Welches ist der eine Gott? – | Das Leben (prâṇa), so sprach er, dieses nennen sie das Brahman« (Bṛih. 3, 9, 9.) – Oder man kann annehmen, dass es die individuelle Seele ist, welche hier als das zu Erforschende bezeichnet wird, und dass unter ihrem Gemächte die guten und bösen Werke zu verstehen sind. Und wenn es heisst: »dessen Gemachte dieses hier ist«, so kann eben dieselbe, weil sie der Geniesser ist, als der Macher jener zum Genusse mitbehülflichen Geister betrachtet werden. Und auch weiterhin findet sich noch ein Merkmal der individuellen Seele; nämlich nachdem Bâlâki, um den als das zu Erforschende hingestellten »Macher jener Geister« zu erfahren, ein Schüler des Ajâtaçatru geworden ist, wird von diesem, um es zu lehren, ein Schlafender angeredet; und nachdem daraus, dass er den Ton der Anrede nicht vernimmt, bewiesen worden, dass die Sinnesorgane (prâṇâḥ) u.s.w. nicht das Geniessende [Empfindende] sind, so zeigt der König Ajâtaçatru weiter dadurch, dass er den Schlafenden durch einen Stockschlag aufweckt, dass die von den Sinnesorganen u.s.w. verschiedene individuelle Seele der Geniesser [Empfinder] ist. Ebenso findet sich weiterhin noch ein Merkmal[233] der individuellen Seele, wenn es heisst: »darum, wie der Principal durch seine Leute sich nährt, oder wie die Leute den Principal ernähren, so auch nährt sich dieses Erkenntnisselbst durch jene Selbste, so ernähren jene Selbste dieses Selbst« (Kaush. 4, 20.) | Auch ist die Bezeichnung der individuellen Seele als Lebensodem (prâṇa) passend, weil sie die Trägerin der Lebensorgane (prâṇâḥ) ist. Somit muss man hier entweder die individuelle Seele oder auch den Hauptlebensodem verstehen, nicht aber den höchsten Gott, weil sich keine Merkmale dieses letzteren vorfinden.‹ –

Auf diese Annahme antworten wir wie folgt. Nur der höchste Gott kann unter dem »Macher jener Geister« verstanden werden; warum? wegen des Vornehmens der Stelle. Nämlich das Vornehmen unserer Stelle geht dahin, dass Bâlâki es unternimmt, sich mit dem Ajâtaçatru zu unterreden, um ihm das Brahman zu erklären; aber nachdem er einige auf die Sonne u.s.w. Bezug habende, nur der Veranschaulichung des uneigentlichen Brahman [lies amukhya-brahma° wie 380, 9] dienenden Geister genannt hat, so schweigt er still, und nun ist es Ajâtaçatru, welcher, nachdem er mit den Worten: »umsonst also hast du mich zur Unterredung, um mir das Brahman zu erklären, aufgefordert« (samavâdayishṭhâḥ; Ça k. liest: saṃvadishṭhâḥ), seine Erklärungen, als nur das uneigentliche Brahman betreffend, abgewiesen (Kaush. 4, 19), es unternimmt, einen andern, nämlich den »Macher« jener [von Bâlâki genannten Geister] als denjenigen, auf dessen Erforschung es ankomme, zur Sprache zu bringen. Wenn nun auch dieser wieder nur der Veranschaulichung des uneigentlichen Brahman diente, so würde das Vornehmen der Stelle nicht zur Verwirklichung gelangen; darum kann hier nur der höchste Gott verstanden werden. Und auch als »Macher jener Geister« kann in voller Unbedingtheit kein anderer als der höchste Gott bezeichnet werden. Ferner wenn es heisst: »dessen Gemächte (Wirkung) dieses hier ist«, so kann hiermit weder auf die Wirkung der [Körper-]Bewegung noch auf die des Guten und Bösen | hingewiesen werden, indem weder diese noch jene in Rede steht oder auch nur erwähnt wird. Ebenso wenig kann damit [mit den Worten »dieses hier«] auf die »Geister« hingewiesen werden, indem auf diese schon durch die vorhergehenden Worte: »welcher der Macher jener Geister ist« hingewiesen worden war, auch zu ihnen das hier gebrauchte Genus [neutrum] nicht stimmen würde. Endlich kann auch [unter den Worten »dieses hier«] nicht das auf die Geister bezügliche Machen oder die Frucht dieses Machens verstanden werden, indem beides schon in dem Worte »Macher« einbegriffen ist. Somit bleibt übrig, dass man unter dem Pronomen »dieses hier« (etad) die in der Anschauung unmittelbar vorliegende Welt verstehen muss; und eben diese heisst, sofern sie gemacht wurde, ein »Gemächte«. – ›Aber auch von der Welt gilt ja doch, dass sie »nicht in Rede steht[234] oder auch nur erwähnt wird«!‹ – Ganz recht! aber bei dem Fehlen einer speciellen Bestimmung kann durch den allgemeinen Ausdruck [»dieses hier«] wegen der [in ihm liegenden] Verweisung auf etwas Naheliegendes, nur auf einen in der Nähe vorkommenden Gegenstand hingedeutet werden, und doch kann dieser nicht in irgend etwas Speciellem bestehen, da etwas Specielles [worauf dieser Ausdruck passen könnte] nicht vorhergeht. Da nun ferner – im Vorhergehenden von den Geistern, welche nur einen Teil der Welt ausmachen, speciell die Rede war, so folgt, dass hier die Welt selbst, ohne weitere Einschränkung auf etwas Specielles, verstanden werden muss. Der Sinn des Ganzen also ist folgender: »derjenige, welcher der Macher jener einen Teil der Welt ausmachenden Geister ist, – ja, wozu diese Einschränkung! – er, dessen Gemächte diese ganze (lies: kṛitsnam) Welt ohne Unterschied ist [der ist zu erforschen]«. Das Wort »ja« [ in vaitad = vâ etad] hat dabei den Zweck, der Vorstellung eines auf einen einzelnen Teil [der Welt] eingeschränkten Macherseins entgegenzutreten. Hierbei werden die von Bâlâki für das Brahman gehaltenen | und als dieses ausgegebenen Geister, um zu zeigen, dass sie nicht Brahman sind, zu besonderen Bestimmungen [des Brahman] herabgesetzt, und so – wie wenn man neben dem Brahmanen noch den Pilgermönch [der selbst nur ein Brahmane ist] erwähnt, – wird der Macher dieser Welt im Ganzen und [daneben noch] im Einzelnen als dasjenige hingestellt, welches man erforschen müsse. Dass aber der Macher der ganzen Welt der höchste Gott ist, wird in allen Vedântatexten bestätigt.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 233-235.
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