[732] 1. arcir-âdinâ, tat-prathiteḥ
durch die Flamme u.s.w., wegen ihrer Vielverbreitung.

Wir zeigten, dass der Auszug bis zum Antritte des Weges der gleiche ist. Was aber nun den Weg betrifft, so wird er in den verschiedenen Texten verschiedenartig angegeben. Die eine Schriftstelle, welche die Verbindung der Adern mit dem Strahle lehrt, sagt: »dann steigt er auf diesen empor« (Chând. 8, 6, 5.) Eine andere macht den Anfang mit der Flamme: »sie gehen ein in die Flamme, aus der Flamme in den Tag« (Chând. 5, 10, 1.) Eine andere sagt: »indem er diesen Götterweg betritt, gelangt er zur Feuerwelt« (Kaush. 1, 3.) Wieder eine andere sagt: »fürwahr, wenn der Mensch aus dieser Welt dahinscheidet, so gelangt er zu dem Winde« (Bṛih. 5, 10, 1.) Und noch eine andere: »sie gehen staublos durch der Sonne Pforten« (Munḍ. 1, 2, 11.) Hier erhebt sich die Frage, ob diese Wege voneinander verschieden sind, oder ob es nur ein Weg mit mancherlei Bestimmungen ist. – Angenommen also, ›dieses seien verschiedene Wege, weil sie in verschiedenen Abschnitten vorkommen | und zu verschiedenen Verehrungen gehören. Auch würde die Behauptung: »Dann steigt er auf diesen Strahlen[732] empor« (Chând. 8, 6, 5), durch ein Hereinziehen der »Flamme« u.s.w. widersprechend werden; und auch die Behauptung der Geschwindigkeit: »schnell wie man den Geist darauf richtet, geht er zur Sonne« (Chând. 8, 6, 5), könnte nicht dabei bestehen. Folglich sind diese Wege voneinander verschieden.‹ – Auf diese Behauptung erwidern wir: »durch die Flamme u.s.w.«, d.h. wir behaupten, dass jeder, der zu dem Brahman gelangen will, durch die Flamme u.s.w. als Weg zu ihm gehen muss; warum? »wegen ihrer Vielverbreitung«; nämlich dieser Weg ist vielverbreitet als der aller Wissenden. Denn so heisst es z.B. in dem Abschnitt von der Fünffeuerlehre: »und jene dort, welche im Walde Glauben und Wahrheit üben« (Bṛih. 6, 2, 15); hier wird auch für die, welche einer andern Wissenschaft sich befleissigen, die Flamme u.s.w. als Weg vorgeschrieben. – ›Das möchte gelten für diejenigen Lehren, in welchen überhaupt kein Weg vorkommt; für diese mag man jenen Weg durch die Flamme u.s.w. annehmen; wo aber ein anderer und wieder anderer Weg vorkommt, wie kann man da an dem Wege durch die Flamme u.s.w. festhalten wollen?‹ – Wir erwidern: das möchte richtig sein, wenn diese Wege voneinander gänzlich verschieden wären; wir behaupten aber vielmehr, dass es nur ein Weg mit mancherlei Bestimmungen ist, welcher zur Brahmanwelt hinführt, und dass derselbe bald durch die eine, bald durch die andere seiner Bestimmungen gekennzeichnet wird. Da nämlich die Richtung überall als die nämliche anerkannt wird, so müssen sich diese Verschiedenheiten zu einander verhalten wie die Bestimmungen und das dadurch Bestimmte, und so wie man, auch wo die Abschnitte verschiedene sind, wofern nur in ihnen eine Einheit der Lehre vorliegt, die verschiedenen Bestimmungen derselben zusammenzufassen hat, so muss man auch die Bestimmungen des Weges zusammenfassen. | Aber gesetzt selbst, die Lehren darüber wären verschieden, so müsste doch, weil über die Richtung des Weges Übereinstimmung herrscht, und weil das Ziel des Weges das nämliche ist, die Einheit des Weges angenommen werden. Denn die Schrift sagt: »dort, in der Brahmanwelt, bewohnen sie die höchsten Fernen« (Bṛih. 6, 2, 15); – »darin wohnet er ewige Jahre«, (Bṛih. 5, 10, 1); – »was der Sieg des Brahman ist und seine Ausbreitung, diesen Sieg sieget er und in dieser Ausbreitung breitet er sich aus« (Kaush. 1, 7.) – »darum derjenige, welcher diese Brahmanwelt durch das Leben als Brahmanenschüler findet« (Chând. 8, 4, 3); – hier wird überall eine und dieselbe Frucht, nämlich die Erlangung der Brahmanwelt in Aussicht gestellt. Wenn aber behauptet wurde, dass die Bestimmung »auf diesen Strahlen steigt er empor« (Chând. 8, 6, 5) bei Annahme der Flamme u.s.w. nicht bestehen könne, so ist das nicht richtig, weil die Stelle die Erlangung der Strahlen nur als das Hauptsächlichste betrachtet wissen will. Denn der eine Satz kann doch nicht die Erlangung der[733] Strahlen lehren und zugleich die Flamme u.s.w. ausschliessen. Es ist also so aufzufassen, dass hier nur gerade die Verbindung mit den Strahlen hervorgehoben werden soll. Die Stelle von der Schnelligkeit aber kann auch mit der Annahme der Flamme u.s.w. sehr wohl zusammen bestehen, weil sie nur über die Geschwindigkeit sich ausspricht und besagt, dass der Weg dorthin nur einen Augenblick dauert. Auch die Schriftstelle, welche durch die Worte: »aber auf keinem dieser beiden Wege befindlich« (Chând. 5, 10, 8) für diejenigen, welche beide Wege verfehlen, den übeln »dritten Ort« in Aussicht stellt, beweist damit, dass sie ausser dem Väterwege nur noch allein den Götterweg, wie er durch die Stationen der Flamme u.s.w. geht, proklamiert. Nur werden in der Stelle von der Flamme u.s.w. mehr Stationen, an andern Stellen hingegen weniger genannt, wobei es richtig ist, die wenigeren nach Massgabe der mehrerern zu interpretieren; und auch in diesem Sinne sagt das Sûtram: »durch die Flamme u.s.w., wegen ihrer Vielverbreitung.«

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 732-734.
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