[396] 12. pṛithivī, adhikāra-rūpa-ēabdāntarebhyaḥ
die Erde, wegen des Thema's, des Aussehens und eines andern Wortes.

Die Schrift sagt: »dieses Wasser beabsichtigte: ich will vieles sein, will mich fortpflanzen; da schuf es die Nahrung« (Chānd. 6, 2, 4.) Hier erhebt sich der Zweifel, ob unter dem Worte »Nahrung« etwa Reis, Gerste u. dgl., oder auch der als Speise dienende Reisbrei u.s.w., oder ob darunter die Erde zu verstehen ist? – Angenommen also, ›es sei darunter Reis, Gerste u.s.w. oder Reisbrei zu verstehen; denn von ihnen gilt der gewöhnliche[396] Gebrauch des Wortes Nahrung; und auch das Folgende bestätigt, dass dies der Sinn ist (lies: vākya-ēesho 'pi etam artham upod-balayati), wenn es heisst: »Darum, wenn es regnet, so entsteht | reichliche Nahrung« (Chānd. 6, 2, 4); denn dasjenige, was durch den Regen reichlich entsteht, ist Reis, Gerste u.s.w., nicht aber die Erde‹.

Auf diese Annahme erwidern wir: es ist doch die Erde, welche unter dem Worte »Nahrung« zu verstehen ist, und von der gesagt werden soll, dass sie aus dem Wasser entstehe. Warum? wegen des Thema's, wegen des Aussehens und wegen einer andern Schriftstelle. Was zunächst das Thema betrifft, so sieht man an den Worten: »dasselbige erschuf das Feuer«, – »dasselbige erschuf das Wasser« (Chānd. 6, 2, 3), dass es sich hier um die Elemente (mahābhūtāni) handelt; und darum würde es unangemessen sein, da, wo in der Reihenfolge das Element der Erde kommt, dieses zu überspringen, um willkürlicher Weise auf den Reis u. dgl. überzugehen. Ferner ist im Verlaufe der Stelle von einem »Aussehen« die Rede, welches der Erde eigentümlich ist, wenn es heisst: »was daran das Schwarze ist, das kommt von der Nahrung« (Chānd. 6, 4, 1.) Denn weder der als Nahrung dienende Reisbrei u.s.w., noch auch der Reis u.s.w. sind in der Regel schwarz. – ›Aber die Erde ist doch auch nicht immer schwarz, denn es giebt ja auch Grundstücke, welche weiss wie Milch, und solche, welche rot wie Kohlen sind.‹ – Dieser Einwand hat nichts auf sich, weil es hierbei auf das Vorwiegende ankommt; vorwiegend aber ist bei der Erde das schwarze Aussehen und nicht das weisse oder rote. Auch bezeichnen die Purāṇa-Dichter als Ebenbild der Erde die Nacht, welche schwarz aussieht; woraus gleichfalls zu entnehmen, dass auch die Farbe der Erde die schwarze ist. | Übrigens sagt auch eine andere Schriftstelle, welche dasselbe Thema behandelt: »aus dem Wasser die Erde« (Taitt. 2, 1); auch heisst es: »das was an dem Wasser der Rahm war, das wurde zu Butter geschlagen, so entstand die Erde« (Bṛih. 1, 2, 2.) Von dem Reis u.s.w. hingegen lehrt die Schrift, dass er erst aus der Erde entsteht: »aus der Erde die Pflanzen, aus den Pflanzen die Nahrung« (Taitt. 2, 1.) Da somit das Thema und andere Gründe für die Erde sprechen, so ist an Reis u. dgl. hier nicht zu denken. Denn auch der gewöhnliche Gebrauch der Worte wird durch das Thema und die andern Gründe aus dem Felde geschlagen. Und was das in der Stelle Folgende (Chānd. 6, 2, 4) betrifft, so wird hier, weil die zu essende Nahrung von erdartiger Beschaffenheit ist, mit Hülfe derselben [und ihres Gedeihens durch das Wasser] darauf geschlossen, dass auch die Erde selbst aus dem Wasser entstanden sei. Somit ist hier unter dem Worte Nahrung die Erde zu verstehen.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 396-397.
Lizenz:
Kategorien: