[429] 41. parât tu, tac-chruteḥ
vielmehr von dem Höchsten, weil so die Schrift.

Es wurde gezeigt, wie auf dem Standpunkte des Nichtwissens ein durch die Upâdhi's bedingtes Thätersein der individuellen Seele statthat, und es fragt sich weiter, ob dieses Thätersein unabhängig von Gott oder von Gott abhängig ist? – | Angenommen also, ›die Seele sei bei ihrem Thun nicht von Gott abhängig; warum? weil für eine Abhängigkeit kein Grund vorhanden ist. Denn die Seele, wie sie mit den Fehlern der Liebe, des Hasses u.s.w. verbunden und mit dem Zubehör der übrigen Mittel zum Wirken [Buddhi u.s.w.] versehen ist, ist für sich allein im Stande, das Thätersein durchzuführen, und es ist nicht abzusehen, was Gott dabei soll. Auch weist die Erfahrung nicht darauf hin, dass bei den Werken, wie z.B. dem Pflügen u.s.w., so wie der Pflugstier u.s.w., ausserdem noch ein Gott zu Hülfe zu nehmen ist. Ferner würde dabei Gott, sofern er die Kreaturen mit dem Thätersein und seiner Not heimsuchte, von dem Vorwurfe der Unbarmherzigkeit getroffen werden; und ebenso von dem der Ungerechtigkeit, sofern er ein Thätersein mit ungleichem Lohne verhängen würde.‹ – Aber hiess es nicht: »Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit nicht; weil er Rücksicht nimmt« (Sûtram 2, 1, 34)? – ›Allerdings! aber dieses gilt nur unter der Voraussetzung, dass eine Rücksichtnahme von Seiten Gottes wirklich stattfindet; es findet aber eine solche Rücksichtnahme von[429] Seiten Gottes gar nicht statt; denn wenn die Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit der Kreaturen vorhanden ist, – und an ihrem Vorhandensein ist nicht zu zweifeln, – und wenn das Thätersein der Seele feststeht, worauf soll sich dann, gesetzt, dieses Thätersein sei von Gott abhängig, diese Abhängigkeit von Gott erstrecken? Hierzu kommt, | dass in diesem Falle die Seele auch von Unverschuldetem würde betroffen werden. Somit ergiebt sich, dass das Thätersein nur der Seele für sich allein zukommt.‹

Nachdem diese Annahme durch das Wort »vielmehr« abgelehnt worden, erklärt das Sûtram: »von dem Höchsten«; d.h.: für die individuelle Seele, welche im Zustande des Nichtwissens unvermögend, das [als Leib erscheinende] Aggregat der Werkzeuge des Wirkens [von der Seele] zu unterscheiden, und durch die Finsternis des Nichtwissens blind ist, kommt von der höchsten Seele, dem Aufseher der Werke, dem in allen Wesen wohnenden Zuschauer, dem Gott, der die Ursache der Geistigkeit ist, von ihm, durch seine Bewilligung der aus den Zuständen des Thuns und Geniessens (Leidens) bestehende Saṃsâra, und durch seine Gnade als Ursache die Erkenntnis und durch diese die Erlösung. Warum? »weil so die Schrift«; denn wenn auch die Seele mit den Fehlern der Liebe u.s.w. verbunden und mit dem Zubehör ausgerüstet ist, und wenn auch die Erfahrung bei Werken wie dem Pflügen u.s.w. eine Ursächlichkeit Gottes nicht an die Hand giebt, so wird doch von der Schrift die Entscheidung gefällt, dass bei allem Thun und Treiben Gott der ursächliche Bewirker ist. Denn so sagt die Schrift: »denn er allein lässt das gute Werk thun den, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er allein lässt das böse Werk thun den, welchen er abwärts führen will« (Kaush. 3, 8) und: »der in dem Selbste wohnend ... das Selbst innerlich regiert« (Bṛih. 3, 7, 22 Mâdhy.).

›Aber treffen nicht, wenn in dieser Weise Gott der Thäter ist, diesen die Vorwürfe der Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit, und würde dann nicht die Seele auch von Unverschuldetem betroffen werden?‹ – Wir antworten: nein,

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 429-430.
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