[394] 10. tejo 'tas, tathâ hi âha
das Feuer aus diesem; denn so sagt [die Schrift].

Was das Feuer betrifft, so lehrt das Chândogyam, dass dasselbe aus dem Seienden, das Taittirîyakam hingegen, dass es aus dem Winde entsprungen sei. Da somit in Bezug auf den Ursprung des Feuers ein Widerspruch vorliegt, so könnte man zunächst annehmen, ›dass das Feuer [unmittelbar] aus Brahman entsprungen sei; warum? weil es in Bezug auf das Seiende heisst: »dasselbige erschuf das Feuer« (Chând. 6, 2, 3); weil die Verheissung, dass alles erkannt werden solle, wofern nur alles aus Brahman entsteht, erfüllt wird; und weil die Schrift, ohne [zwischen den Wesen einen] Unterschied zu machen, sagt: »Tajjalân« [d.h. aus ihm entstehend, in ihm vergehend und in ihm atmend, Chând. 3, 14, 1]. Auch lehrt eine andere Stelle in den Worten: »aus ihm entsteht der Odem« u.s.w. (Muṇḍ. 2, 1, 3), dass alles ohne Unterschied aus Brahman entspringe. Und auch das Taittirîyakam macht keinen Unterschied, wenn es sagt: »derselbige, nachdem er Busse gebüsst hatte, schuf dieses alles, was immer vorhanden ist« (Taitt. 2, 6.) Wenn es daher heisst: »aus dem Winde das Feuer« (Taitt. 2, 1), so soll damit nur die Reihenfolge bestimmt und gesagt werden, dass nach dem Winde das Feuer [unmittelbar aus Brahman] entstanden sei.‹[394]

Auf diese Annahme erwidern wir: »das Feuer ist aus diesem«, nämlich aus dem Winde, entstanden; warum? »denn so sagt es die Schrift« mit den Worten: »aus dem Winde das Feuer« (Taitt. 2, 1.) Denn wäre das Feuer unmittelbar aus Brahman entstanden, so könnte es nicht aus dem Winde entstanden sein, und die Schriftstelle »aus dem Winde das Feuer« würde nicht zu Rechte bestehen. – | ›Aber kann man sie nicht so auffassen, dass sie nur die Reihenfolge bestimmt?‹ – Doch nicht! Denn wenn es vorher hiess: »fürwahr aus diesem Âtman ist der Raum entstanden« (Taitt. 2, 1), so wird hier der Âtman, weil er dasjenige ist, woraus das Entstehen geschieht, in den Ablativ gesetzt; eben dieses Entstehen ist auch hier das Thema; und ebenso weiterhin bleibt es das Thema, wenn es heisst: »aus der Erde die Pflanzen«, wo wiederum der Ablativ dasjenige bezeichnet, woraus das Entstehen geschieht; darum muss auch in den Worten »aus dem Winde das Feuer« der Ablativ von demjenigen, woraus das Entstehen geschieht, verstanden werden. Wollte man ferner die Stelle so verstehen, als sei nur weiterhin nach dem Winde das Feuer entstanden, so müsste die Verbindung mit dem Nebenworte [»weiterhin«] hinzugedacht werden, während die Verbindung mit dem Hauptworte [»Wind«] hingegen nicht erst hinzugedacht zu werden braucht, wenn man es so auffasst, dass aus dem Winde das Feuer entstanden ist. Somit bezeugt diese Schriftstelle, dass das Feuer aus dem Winde entstanden ist. – ›Aber bezeugt nicht die andere Schriftstelle, dass das Feuer aus dem Brahman entstanden ist, indem es heisst »dasselbe erschuf das Feuer« (Chând. 6, 2, 3)?‹ – Doch nicht! Denn diese Stelle leidet keinen Abbruch, auch wenn das Feuer durch Mittelglieder [aus Brahman] entstanden ist. Denn auch wenn man annimmt, dass nach Schöpfung des Raumes und des Windes das Brahman, indem es in das Sein des Windes einging, das Feuer schuf, | so besteht auch in diesem Falle das Entstandensein des Feuers aus Brahman ohne Widerspruch, ähnlich wie wenn man sagt: »aus der Kuh entspringt die frische Milch, aus der Kuh die saure Milch, aus der Kuh der Käse«. Auch die Schrift bezeugt ja, dass das Brahman in dem Selbste seiner Umwandlungen fortbestehe, wenn sie sagt: »dieses machte selber sich selbst« (Taitt. 2, 7.) Und ebenso sagt Gott von sich in der Smṛiti: »Erkenntnis, Wissen und Besonnenheit«, und wie es weiter heisst, »das sind der Wesen Eigenschaften, von denen jede nur aus mir entsteht« (Bhag. G. 10, 4-5.) Denn wenn auch die Erkenntnis u.s.w. für die Wahrnehmung aus ihren bestimmten Ursachen entspringen, so stammen doch alle entstandenen Eigenschaften unmittelbar oder mittelbar aus Gott. Damit ist auch denjenigen Schriftstellen, welche eine Schöpfung ohne bestimmte Reihenfolge lehren, Genüge geleistet, indem sie unter allen Umständen Gültigkeit behalten, während hingegen diejenigen[395] Schriftstellen, welche eine bestimmte Reihenfolge der Schöpfung lehren, ohne dass man diese festhält, nicht bestehen können. Und auch die Verheissung [dass mit einem alles erkannt sei] besagt nur, dass alles aus dem Seienden abstamme, nicht aber, dass es unmittelbar aus ihm hervorgegangen sei; so dass hier kein Widerspruch vorliegt.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 394-396.
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