[301] 24. upasaṃhâra-darçanân na! iti cen? na! kshîravadd hi
weil man ein Hinzunehmen [von Werkzeugen] bemerkt, nicht, meint ihr? – Nein! denn es ist wie bei der Milch.

›Die Behauptung, dass das geistige, eine und zweitlose Brahman die Ursache der Welt sei, ist unrichtig; warum? »weil man ein Hinzunehmen [von Werkzeugen] bemerkt«. Nämlich aus der Erfahrung ersieht man, wie die Töpfer, [Weber] u.s.w., wenn sie Gefässe, Tuche u.s.w. machen wollen, vermöge eines Hinzunehmens mannigfaltiger mitwirkender [Dinge], wie Thon, Stab und Rad, oder Fäden u.s.w., sich mit Hülfsmitteln versehen, um diese oder jene Wirkung zu vollbringen. Vom Brahman aber nimmst du ja an, dass es ohne Gefährten ist; wie kann also; da demnach keine Hinzunahme weiterer Mittel bei ihm möglich ist, seine Schöpferthätigkeit vor sich gehen? Es geht somit nicht an, dass das Brahman die Ursache der Welt ist.‹ – Dieser Einwurf trifft nicht zu, weil [die Schöpferthätigkeit des Brahman] vor sich geht »wie bei der Milch«, nämlich vermöge der bestimmten Natur der Substanz. Denn wie in der Erfahrung Milch oder Wasser sich aus sich selbst zu saurer Milch oder Eis umwandelt | ohne Beihülfe eines äusseren Mittels, so muss es auch hier sein. – ›Aber die Milch nimmt doch auch, um sich in saure Milch zu verwandeln, äussere Mittel, z.B. die Wärme, zur Hülfe; wie kann also gesagt werden, dass es sei »wie bei der Milch«?‹ – Damit hat es nichts auf sich; denn auch hier ist es doch immer die Milch selbst, welche jede, wenn auch noch so grosse, Umwandlung erfährt, nur dass ihr Werden zu saurer Milch durch die Wärme u.s.w. befördert wird. Hätte die Milch nicht in sich selbst die Fähigkeit, zu saurer Milch zu werden, so würde sie[301] auch nicht durch die Wärme u.s.w. sich zwingen lassen, saure Milch zu werden. Denn der Wind z.B. oder der Äther lässt sich nicht durch die Wärme u.s.w. dazu zwingen, saure Milch zu werden. Das Hinzutreten von Hülfsmitteln dient also nur zur Vervollständigung [der Bedingungen]. Das Brahman hingegen ist ganz mit Kräften erfüllt und bedarf nicht irgend eines andern zu seiner Vervollständigung. Auch sagt darüber die Schrift (Çvet. 6, 8):


»Nicht giebt bei ihm es Wirkung oder Werkzeug,

Nicht hat er seines Gleichen oder Höhern.

| Sein höchstes Krafttum lehrt die Schrift als vielfach,

Ihm eingeboren, Macht und Wissen wirkend.«


Weil also das Brahman, obschon es eines ist, mit mannigfachen Kräften verbunden ist, so sind die mannigfachen Umwandlungen desselben, »wie bei der Milch«, u.s.w. möglich.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 301-302.
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