[279] 13. bhoktr-âpatter avibhâgaç cet? syâd! lokavat
wegen des Einganges des Geniessers Ungeteiltheit, meint ihr? Nun ja! wie in der Erfahrung.

Wiederum wird hier die Lehre vom Brahman als der Weltursache in anderer Weise auf Grund der Reflexion angegriffen. – ›Wenn auch die Schrift innerhalb ihres Gebietes Autorität ist, so kann sie doch da, wo ein Gebiet schon durch eine andere Autorität in Besitz genommen ist, nicht an ihrem Platze sein, wie z.B. die Mantra's und Arthavâda's [da, wo es sich nicht um Gebote, sondern um Erkenntnis handelt]; denn auch die Reflexion ist, wie wir gern zugeben, ausserhalb ihres Gebietes unbegründet, z.B. da, wo es sich um rituelle Gebote und Verbote handelt.‹ – Aber was soll denn daraus folgen? – ›Nun, wenn dem so ist, so ist es doch ungereimt, dass die Schrift in einer durch andere Erkenntnismittel ausgemachten Sache widerspricht.‹ – Aber worin soll denn dieser Widerspruch gegen eine durch andere Erkenntnismittel ausgemachte Sache bestehen? – ›Wir wollen es sagen. Ausgemacht ist durch die Erfahrung die Zweiteilung der Welt in Geniesser und zu Geniessendes [Subjekt und Objekt]; der Geniesser ist die geistige, verkörperte Seele, das zu Geniessende sind die sinnlich wahrnehmbaren Objekte. So ist z.B. Devadatta der Geniesser und der Reisbrei das zu Geniessende. Diese Zweiteilung nun würde gegenstandlos werden, wenn der Geniesser ein zu Geniessendes oder das zu Geniessende ein Geniesser | werden könnte. Ein solcher Übergang des einen in das Sein des andern scheint aber unvermeidlich, wenn man die Identität beider mit Brahman als der höchsten Ursache annimmt. Und ein solcher Widerspruch gegen jene allgemein anerkannte Zweiteilung ist unstatthaft; vielmehr muss, so wie heutzutage die Zweiteilung in Geniesser und zu Geniessendes erfahrungsmässig besteht, eben dieselbe auch für die Vergangenheit und Zukunft angenommen werden. Weil also durch die Annahme von Brahman als Weltursache jene anerkannte Zweiteilung in Geniesser und zu Geniessendes unmöglich wird, darum kann Brahman nicht die Weltursache sein.‹ –

Sollte jemand hiermit kommen, so muss man ihm antworten: »nun ja! wie in der Erfahrung«; d.h. auch bei unserer Anschauung lässt sich jene Zweiteilung aufrecht halten, indem dafür ein Erfahrungsbeispiel eintritt. Die Erfahrung nämlich zeigt, wie die Umwandlungen des Oceans, z.B. Schaum, Wellen, Wogen und[279] Wasserblasen, obwohl sie mit dem aus Wasser bestehenden Ocean identisch sind, doch voneinander sich unterscheiden, und in der Verschlingung u.s.w. miteinander ihr Wesen bethätigen. Und obwohl diese Umwandlungen mit dem aus Wasser bestehenden Ocean identisch sind, so können doch Schaum, Wellen u.s.w. ihre [begriffliche] Wesenheit nicht miteinander vertauschen; obwohl sie aber ihre Wesenheit nicht miteinander vertauschen können, so wird dadurch doch ihre Identität mit der ganzen Wassermasse nicht ausgeschlossen. | Ebenso ist es auch hier in unserm Falle. Weder braucht man anzunehmen, dass Geniesser und zu Geniessendes in einander übergehen, noch, dass sie darum mit dem höchsten Brahman nicht identisch sind. Allerdings ist der Geniesser eigentlich kein Produkt des Brahman; denn wenn es heisst: »nachdem er dieses geschaffen, ging er in dasselbe ein« (Taitt. 2, 6), so liegt darin, dass der Schöpfer selbst ganz und unverändert [als Individualseele] in die Schöpfung eingegangen ist und nun »der Geniesser« genannt wird; aber nichtsdestoweniger findet nach seinem Eingange in die Schöpfung eine auf den Upâdhi's beruhende Spaltung desselben [in Geniesser und zu Geniessendes, Subjekt und Objekt] statt, der Einschränkung vergleichbar, welche der Weltraum durch die Upâdhi's der Gefässe u.s.w. erleidet. – Hieraus folgt, dass, unbeschadet der Identität mit Brahman als der höchsten Ursache, doch die Zweiteilung in Geniesser und zu Geniessendes ähnlich wie die Verschiedenheit zwischen den Wellen u.s.w. des Oceans zu Rechte bestehen bleibt.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 279-280.
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