[261] 3. etena Yogaḥ pratyuktaḥ
damit ist [auch] der Yoga abgefertigt.

Mit dieser Widerlegung der Sâ khya-Smṛiti ist auch die Yoga-Smṛiti als widerlegt zu betrachten, auf welche hier, über die erstere hinaus, verwiesen wird; denn auch in ihr werden, in Widerspruch mit der Schriftlehre, die selbständige Urmaterie als Weltursache und die weder der Erfahrung noch dem Veda bekannten Principien des Grossen u.s.w. als Wirkung angenommen. – Aber ist dieses, wenn dem so ist, und beide [als gleich] der gleichen Regel unterliegen, nicht schon durch das Vorhergehende erledigt? wozu also wird hier abermals darauf hingewiesen? – Deswegen, weil hier noch folgendes weitere Bedenken zu erledigen bleibt. ›Der Yoga nämlich‹, so könnte man sagen, ›wird im Veda als ein Hülfsmittel der vollkommenen Erkenntnis vorgeschrieben. So z.B., wenn es heisst: »ihn soll man hören, verstehen, überdenken« (Bṛih. 2, 4, 5.) Und an der Stelle »wer dreifach hochgerichtet grade hält den Leib« (Çvet. 2, 8) wird nach Besprechung des rechten Sitzens | in der Upanishad der Çvetâçvatara's eine ausführliche Anleitung zur Betreibung des Yoga erteilt. Auch finden sich im Veda tausendfach Andeutungen, welche den Yoga betreffen; z.B. wenn es heisst: »das ist was man den Yoga nennt, der Sinne starke Fesselung« (Kâṭh. 6, 11), und: »dies Wissen und die ganze Yoga-Weise« (Kâṭh. 6, 18) u.s.w. Auch heisst es in dem Lehrbuche des Yoga: »nunmehr folgt als Hülfsmittel der Erkenntnis der Wahrheit der Yoga«. Hiermit wird der Yoga als ein Hülfsmittel der vollkommenen Erkenntnis anerkannt. Sollte daher nicht, auf Grund dieser teilweisen Übereinstimmung, anzunehmen sein, dass, ähnlich wie die Smṛiti des Achtwerkes [des Pâṇini] und andere, auch die Smṛiti des Yoga eine unwiderlegbare sei?‹ – Auch dieses weitere Bedenken wird durch die Verallgemeinerung [des vom Sânkhyam Gesagten auch für den Yoga] erledigt. Wenn nämlich auch eine teilweise Übereinstimmung stattfindet, so ist doch auch die vorher [beim Sânkhyam] hervorgehobene teilweise Nichtübereinstimmung offenbar hier vorliegend. – Es giebt ja viele Smṛiti's, die sich mit psychologischen Fragen beschäftigen, aber nur die Smṛiti des Sânkhyam und des Yoga werden mit Fleiss widerlegt, weil diese beiden in dem Rufe stehen, als könnten sie das höchste Ziel des Menschen lehren, weil ferner sie von gelehrten Männern gebilligt worden sind, und sich auf Andeutungen der Schrift stützen, indem es z.B. heisst (Çvet. 6, 13):[261]

»Den auch das Sânkhyam und der Yoga lehren,

Wer diesen Weltengrund als Gott erkannt,

| Der wird befreit von allen Erdenbanden.«


– Die Verwerfung dieser Lehren aber beruht darauf, dass weder durch die Erkenntnis der Sâ khya-Smṛiti noch auf dem Wege des Yoga, sofern dieser vom Veda sich entfernt, das höchste Gut [die Erlösung] verwirklicht werden kann. Denn die Schrift erklärt, dass es kein anderes Mittel zur Erlangung des höchsten Gutes gebe, als die vedische Erkenntnis von der Einheit des Âtman [lies âtma-ekatva-vijñânât], wenn es heisst (Çvet. 3, 8):


»Wer ihn erkannt hat, übersteigt den Tod,

Nicht giebt es einen andern Weg zum Gehen.«


Das Sânkhyam nämlich und der Yoga sind dualistisch und erkennen die Einheit des Âtman nicht an. Was aber das angeführte Schriftzeugnis betrifft, in dem es hiess: »den auch das Sânkhyam und der Yoga lehren« (Çvet. 6, 13), so ist dies dahin zu verstehen, dass hier die vedische Erkenntnis und Meditation wegen ihrer Verwandtschaft damit durch die Worte Sânkhyam und Yoga bezeichnet werden. So weit aber die Sâ khya- und Yoga-Smṛiti uns nicht widersprechen, so weit geben wir gern ihre Berechtigung zu. So z.B. wenn es heisst: »denn diesem Geiste haftet nichts an« (Bṛih. 4, 3, 16), so wird die hier von der Schrift gelehrte Reinheit des Geistes [vom Sinnlichen] von den Sâ khya's bei der Schilderung des guṇalosen Geistes adoptiert (vgl. Kapilasûtra 1, 15.) Ebenso, wenn z.B. die Schrift in den Worten: »der Pilgermönch, farblosen Kleides, kahlköpfig und ungeleitet« (Jâbâla-Up. 5, p. 452) die von ihr angenommene Beharrlichkeit in der Entsagung lehrt, so wird dies von den Anhängern des Yogasystems da, wo sie von der Pilgerschaft u.s.w. handeln, adoptiert. – In dieser Weise hat man sich allen auf Reflexion gegründeten Smṛitistellen gegenüber zu verhalten. Sollte es sich herausstellen, dass auch sie durch Reflexion und Sachgemässheit die Erkenntnis der Wahrheit fördern, so mögen sie dieselbe | immerhin fördern; zu schöpfen aber ist die Erkenntnis der Wahrheit nur aus den Vedântatexten; denn die Schrift sagt: »nicht ohne Vedakunde wird erkannt der Grosse« (Taitt. br. 3, 12, 9, 7), und: »ich frage dich nach jenem Geist, den die Upanishad's lehren« (Bṛih. 3, 9, 26.)

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 261-262.
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