[446] 2. gauṇî-asambhavât
wegen der Unmöglichkeit [der Auffassung der Stelle als] einer uneigentlichen.

Wenn hingegen behauptet wurde, dass die Entstehung der Lebensorgane uneigentlich zu verstehen sei, weil eine andere Stelle sie vor der Weltschöpfung schon als seiend bezeichnet, so ist darauf zu erwidern: »wegen der Unmöglichkeit [der Auffassung der Stelle als] einer uneigentlichen«, wobei gauṇî-asambhavât so viel ist wie gauṇyâ' asambhavât. Nämlich die Schriftstelle von der Schöpfung der Lebensorgane kann nicht uneigentlich verstanden werden, weil sonst ein Nichterfülltwerden der Verheissung eintreten würde. Denn nachdem in den Worten: »was muss, o Ehrwürdiger, erkannt sein, damit diese ganze Welt erkannt sei« (Muṇḍ. 1, 1, 3) verheissen worden, dass mit Erkenntnis des einen alles erkannt werden solle, so heisst es zur Erfüllung dieser Verheissung: »aus ihm entsteht der Odem« u.s.w. (Muṇḍ. 2, 1, 3.) Diese Verheissung wird nur dann erfüllt, wenn die ganze Welt mit Einschluss der Lebensorgane eine Umwandlung des Brahman ist, indem ja eine Umwandlung nicht über ihren Urstoff hinaus besteht. Ist hingegen die Stelle von der Entstehung der Lebensorgane uneigentlich zu fassen, so bleibt jene Verheissung unerfüllt. Hierzu kommt, dass weiterhin das [als zu erkennen] Verheissene zusammengefasst wird in den Worten: »Geist nur ist dieses All, ..., die Busse, Brahman und das Höchstunsterbliche« (Muṇḍ. 2, 1, 10) und: »Brahman[446] allein ist dieses Weltall, | dieses Herrlichste« (Muṇḍ. 2, 2, 11.) Ähnlich heisst es: »wer das Selbst sieht, hört, überdenkt und erforscht, der hat diese ganze Welt erkannt« (Bṛih. 2, 4, 5); – mit diesen und ähnlichen Schriftstellen hat man jene Verheissung in Verbindung zu bringen. Aber wie steht es mit der Stelle, nach welcher die Lebensorgane vor dem Weltursprung als seiend bezeichnet werden? Sie betrachtet die Lebensorgane nicht als den absoluten Urstoff, – denn von dem absoluten Urstoffe wird in der Stelle: »der odemlose, manaslose, reine, noch höher als das höchste Unvergängliche« (Muṇḍ. 2, 1, 2) versichert, dass er von allen Unterschieden des Odems u.s.w. frei sei, – sondern nur als einen relativen Urstoff, denn nur mit Bezug auf die aus den Lebensorganen entstandenen Umwandlungen wird versichert, dass vor deren Ursprung die Lebensorgane seiend vorhanden gewesen seien; so muss man es auffassen, weil die Schrift und die Smṛiti das Verhältnis von Urstoff und Umwandlung nicht selten auf die verschiedenen Zustände solcher Dinge beziehen, welche dem Bereiche des Erschaffenen angehören. – Man merke: in dem Kapitel vom Äther (Sûtram 2, 3, 1-7) wurden die Worte gauṇî asambhavâd (2, 3, 3), weil sie der gegnerischen Meinung angehörten, erklärt: »uneigentlich ist die Stelle von der Entstehung zu nehmen, wegen der Unmöglichkeit«, und die endgültige Meinung wurde daraus, dass die Verheissung nicht unerfüllt bleiben dürfe (2, 3, 6), gefolgert; hier hingegen kommt dasselbe Sûtram als endgültige Meinung vor und war daher zu erklären: »wegen der Unmöglichkeit, die Stelle von der Entstehung uneigentlich zu nehmen.« Wer hingegen der Übereinstimmung zuliebe auch hier erklären wollte: »uneigentlich ist die Stelle von der Entstehung zu nehmen, wegen der Unmöglichkeit«, der würde dabei übersehen, dass die Verheissung dann unerfüllt bleiben würde.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 446-447.
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