[457] 11. akaraṇatvâc ca na doshas, tathâ hi darçayati
auch ist dies kein Fehler, weil er kein Organ ist; denn so lehrt es [die Schrift].

Darin, dass daraus eine besondere Klasse von Objekten folgen müsste, liegt »kein Fehler«, weil der Prâṇa »kein Organ« ist.[457] Denn wir nehmen nicht an, dass der Prâṇa, so wie das Auge u.s.w., in dem Sinne, dass er auf eine begrenzte Klasse von Objekten ginge, ein Organ sei. Darum darf man aber noch nicht schliessen, dass es für ihn überhaupt keine Verrichtung gebe; warum? weil in dieser Weise die Schrift lehrt, dass der Mukhya Prâṇa, eine besondere, nicht schon bei den andern Lebensorganen einbegriffene Wirkung übe. Nämlich in der Stelle von dem Streite der Lebensorgane: »Es geschah einmal, dass die Lebensorgane um den Vorrang stritten« u.s.w. (Chând. 5, 1, 6) heisst es weiter: »fürwahr, derjenige, nach dessen Auszug sich der Leib gleichsam am allerübelsten befindet, der ist unter euch der beste« (Chând. 5, 1, 7), worauf die Rede u.s.w. eines nach dem andern ausziehen, während das nur ihrer bestimmten Funktionen entbehrende | Leben so wie vorher als die specielle Wirkung des Mukhya Prâṇa fortbesteht: indem aber dann weiter der Prâṇa ausziehen will, zeigt die Schrift, wie die Rede u.s.w. dadurch in Ohnmacht verfallen, und der Leib dahinfällt, wodurch sie lehrt, dass der Prâṇa die Ursache ist für den Bestand des Leibes und der Sinnesorgane. Ähnlich heisst es: »zu ihnen sprach der edelste Prâṇa: irret euch nicht! ich bin es, der ich in meiner fünffachen Teilung dieses Rohrgewächs (den Leib) stütze und erhalte« (Praçna 2, 3), womit dasselbe gesagt ist. Ferner lehrt die Stelle: »vom Leben (prâṇa) lässt das niedere Nest er hüten« (Bṛih. 4, 3, 12), dass beim Schlafe des Auges u.s.w. dem Prâṇa die Behütung des Leibes anheimfällt. Und weiter zeigt die Stelle: »aus welchem Gliede immer das Leben (Prâṇa) auszieht, das vertrocknet, ... darum, wenn einer isst und trinkt, so fördert er damit die andern Lebensorgane« (Chând. 1, 2, 9), dass auch die Ernährung des Leibes und der Organe das Werk des Prâṇa ist. Endlich, wenn es heisst: »was ist dasjenige, mit dessen Auszuge ich selbst ausgezogen sein werde, und mit dessen Bleiben ich selbst bleiben werde? so sprach er und schuf den Prâṇa« (Praçna 6, 3), so lehrt diese Stelle, dass der Auszug und das Bleiben der individuellen Seele nur durch den Prâṇa bedingt werden.

Quelle:
Die Sűtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 457-458.
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