[365] 33. na, ekasmin asambhavât
nicht, weil sie unmöglich bei dem was Eines ist.

Nachdem wir das System der Sugata's widerlegt haben, so ist weiter nunmehr das System der Vivasana's [der Unbekleideten, d.h. der Jaina's] zu widerlegen. – Diese haben sich folgende sieben Kategorien ausgesonnen: 1) die Seele, 2) die Nichtseele, 3) die Hinströmung [der Seele durch die Sinne zu den Sinnendingen], 4) die Eindämmung [dieser Strömung], 5) die Zerreibung [der Sünde durch Bussübungen], 6) die Bindung, 7) die Erlösung. – Abkürzungsweise nehmen sie auch nur zwei Kategorien an, die Seele und was Nichtseele ist, indem die übrigen, je nachdem es sich fügt, unter diesen beiden, | wie sie meinen, mitbegriffen werden können. – Ferner haben sie noch eine andere Einteilung dieser beiden Kategorien, nämlich die fünf Entitäten (astikâya): 1) die Entität der Seele, 2) die Entität der Korpuskeln (pudgala), 3) die Entität des Guten, 4) die Entität des Bösen, 5) die Entität des Raumes; und auch für diese wieder zählen sie mancherlei Unterabteilungen auf, welche in ihrem Systeme des weiteren durchgeführt werden.[365]

Ferner bringen sie bei jeder Gelegenheit folgende [in skeptischer Weise die Relativität, anekântatvam, alles Seienden behauptende] Methode in Anwendung, welche sie die Regel der sieben Tropen (saptabha gînaya) nennen: 1) gewissermassen ist es seiend, | 2) gewissermassen ist es nicht seiend, 3) gewissermassen ist es seiend und nicht seiend, 4) gewissermassen ist es nichtmitteilbar, 5) gewissermassen ist es seiend und nichtmitteilbar, 6) gewissermassen ist es nicht seiend und nichtmitteilbar, 7) gewissermassen ist es seiend und nicht seiend und nichtmittelbar. In dieser Weise bringen sie diese Regel der sieben Tropen auch da zur Anwendung, wo es sich [wie bei dem Brahman der Vedântalehre] um eine Einheit und Unwandelbarkeit handelt. Dazu nun müssen wir bemerken, dass diese Annahme [einer Relativität alles Seins] »nicht« berechtigt ist; warum? »weil sie unmöglich bei dem was Eines ist«; d.h. da, wo es sich um einen einheitlichen Träger von Qualitäten handelt, ist es nicht möglich, demselben widersprechende Qualitäten, ein Sein und ein Nichtsein u.s.w., beizulegen, wie denn z.B. eine Sache nicht zugleich kalt und warm sei kann. Nehmen wir z.B. jene oben genannten sieben Kategorien, welche von ihnen als so viele | und als so beschaffene hingestellt werden, so müssen diese doch entweder so sein oder nicht so sein; anderenfalls nämlich würde die Behauptung, dass sie so oder auch nicht so sein könnten, eine Erkenntnis unbestimmter Art abgeben, welche nur den Erkenntniswert eines Zweifels hätte und keine Richtschnur bilden könnte. – ›Aber die Behauptung, dass ein [jeder] Gegenstand nichteinheitlichen Wesens sei, ist doch nicht eine Erkenntnis unbestimmter Art, und man kann nicht von ihr sagen, dass sie nur den Erkenntniswert eines Zweifels habe und keine Richtschnur bilden könne!‹ – Wir antworten: nein! denn wenn man ohne Einschränkung die Relativität (ânekânta) alles Gegenständlichen annimmt, so folgt, da diese Behauptung doch ebenso gut ein Gegenständliches ist, dass auch auf sie die Amphibolien, dass sie gewissermassen seiend, gewissermassen nichtseiend u.s.w. sei, ihre Anwendung finden, dass somit auch ihr die Unbestimmtheit wesentlich ist. Ebenso würde es von dem Lehrer dieser Behauptung und von der Frucht der Behauptung heissen müssen, dass sie gewissermassen einerseits seien und gewissermassen anderseits nicht seien. Ist dem aber so, wie kann dann der Meister, der für euch Autorität ist, euch belehren, da doch Mittel, Objekt, Subjekt und Ausführung des Erkennens ins Ungewisse gerückt werden? | Oder wie können dann die Anhänger seiner Ansichten, wenn die von ihm gelehrte Sache in der Ungewissheit bleibt, sich danach richten? Nur wo vollkommene Gewissheit über die Folge des Handelns vorliegt, kann man durch Einschlagen der betreffenden Mittel und Wege ohne Verwirrung vorwärts kommen, und sonst nicht. Indem somit euer Lehrer eine Lehre verkündet, deren Ziel ein ungewisses[366] bleibt, kann man seine Worte so wenig annehmen wie die eines Betrunkenen oder Verrückten. So z.B. wenn es sich um die obigen fünf Entitäten handelt, und die Möglichkeit offen bleibt, dass dieselben fünf an der Zahl sind oder nicht, so sind ihrer eben nach der einen Behauptung fünf und nach der andern nicht, woraus folgt, dass ihrer letzterenfalls entweder mehr an Zahl oder aber weniger sein müssen. Ebenso wenig passt es auf die oben genannten Kategorien, dass dieselben gewissermassen nichtmitteilbar seien; sollen sie wirklich nichtmitteilbar sein, so kann von ihnen gar nicht gesprochen werden; es wird aber von ihnen gesprochen, und doch sollen sie gewissermassen nichtmitteilbar sein; welches ein Widerspruch ist. Und wenn dann doch von ihnen die Rede ist, und sie als das, was sie sind, mit Bestimmtheit hingestellt und wiederum nicht hingestellt werden, wenn es ferner von dem, was die Frucht jener Bestimmtheit ausmacht, von der vollkommenen Erkenntnis heisst, dass sie sei oder auch nicht sei, und ebenso von der ihr entgegengesetzten, unvollkommenen Erkenntnis, dass sie sei oder auch nicht sei, so hört sich ein solches Gerede doch an, als wenn einer betrunken oder verrückt wäre. Nein! wo es sich um das, was man glauben soll, wo es sich um den Himmel und die Erlösung handelt, da kann es nicht heissen, dass sie gewissermassen sind und gewissermassen nicht sind, dass sie | gewissermassen ewig und gewissermassen nicht ewig sind; mit dieser Unbestimmtheit ist nicht voran zu kommen. Ferner würde dabei auch der Fall eintreten, dass dasjenige, was, wie z.B. die Einteilung der Seelen in ewigvollendete u.s.w. [2. mit der Zeit zur Erlösung gelangende und 3. nicht erlöste], nach ihrer eigenen Lehre von bestimmter Natur ist, wiederum auch nicht von dieser bestimmten Natur sein könnte. Indem somit in Bezug auf die Kategorien der Seele u.s.w. die entgegengesetzten Prädikate des Seins und des Nichtseins in Betreff eines und desselben Subjektes nicht statthaben können, indem mithin, wo das eine Prädikat, das Sein, vorliegt, das andere Prädikat, das Nichtsein, unmöglich ist, und ebenso wo das Nichtsein (lies: asattve) vorliegt, das Sein unmöglich ist, so ist diese Lehrmeinung der Ârhata's eine ungereimte. Und damit sind auch die Annahmen der Relativität in Betreff des Einen und Nichteinen, des Ewigen und Nichtewigen, des Überdauernden und Nichtüberdauernden [wo es sich um Gott und die Seele handelt] als widerlegt zu betrachten.

Wenn aber die Ârhata's ferner annehmen, dass [zum Zwecke der Weltbildung] aus den von ihnen »Korpuskeln« (pudgala) genannten Minimalteilchen Aggregate sich bilden, so ist dieses schon durch unsere frühere Widerlegung der Atomtheorie widerlegt worden, so dass wir uns mit seiner Widerlegung nicht noch besonders zu bemühen brauchen.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 365-367.
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