[33] Allergnädigster, Grossmächtigster König!
Deine Majestät könnte vielleicht mich des Diebstahls beschuldigen, weil ich die zu diesem Werke nöthige Arbeit Deinem Dienst entzogen habe. Ich weiss darauf nichts zu sagen; denn die verflossene Zeit ist unwiederbringlich. Vielleicht ist, was an Zeit Deinem Dienst entzogen worden, dem Andenken Deines Namens und[33] dem Ruhme Deines Jahrhunderts zugelegt worden, sofern nämlich diese Arbeit einigen Werth hat. Sie ist wenigstens neu; selbst der ganzen Art nach, obgleich sie von einem sehr alten Exemplar abgeschrieben worden, nämlich von der Welt selbst und von der Natur der Dinge und des menschlichen Geistes. Ich wenigstens, wie ich offen gestehen will, halte das Werk mehr für eine Geburt der Zeit als des Geistes. Nur das Eine ist daran wunderbar, dass der Gedanke dazu und der Verdacht gegen alles bis jetzt für wahr Gehaltene Jemand hat beikommen können. Alles Andere ergiebt sich dann leicht. Es waltet unzweifelhaft der Zufall, wie man sagt, oder ein Ungefähr sowohl in dem, was die Menschen denken, als in dem, was sie thun und sprechen. Diesen Zufall, wie ich es nennen will, möchte ich aber so verstanden haben, dass, wenn in dem, was ich hier darbringe, etwas Gutes enthalten ist, es der unermesslichen Gnade und göttlichen Liebe und dem Glücke Deiner Zeiten zugeschrieben werde. Dir habe ich in meinem Leben mit reinster Hingebung gedient, und wenn ich todt bin, habe ich es vielleicht erreicht, dass diese Zeiten den Nachkommen glänzend voranleuchten, nachdem diese neue Fackel für die in der Philosophie herrschende Finsterniss angezündet worden. Mit Recht verdient die Zeit des weisesten und gelehrtesten Königs diese Wiedererzeugung und Erneuerung der Wissenschaften.
Es bleibt mir noch eine Bitte, welche Deiner Majestät nicht unwerth und für das Unternehmen von höchster Bedeutung ist. Sie geht dahin, dass Du, der Du Salomo in so Vielem, in dem Ernst Deiner Urtheile, in dem Frieden Deiner Herrschaft, in der weit reichenden Milde Deines Herzens, in der edlen Mannichfaltigkeit der von Dir verfassten Bücher gleichst, auch darin noch dem Beispiel[34] jenes Königs nachfolgest, dass Du für die Ausarbeitung und Vollendung jener auf Versuche sich stützenden Naturbeschreibung sorgest, jener wahren und strengen, unter Fernhaltung der Sprachgelehrten, welche die Unterlage der Philosophie bildet, und welche ich an ihrem Orte näher beschreiben werde; damit endlich nach so vielen Jahrhunderten Philosophie und Wissenschaft nicht mehr in den Lüften schweben, sondern sich auf die sicheren Grundlagen einer Alles umfassenden und wohldurchdachten Erfahrung stützen. Ich habe das Werkzeug dargeboten; der Inhalt muss aber von den Dingen selbst entnommen werden.
Möge der gnädige und allgütige Gott Deine Majestät noch lange unversehrt erhalten.
Deiner Erhabenen Majestät
treuester und unterthänigster Knecht
Franz Verulam,
Kanzler.[35]