[319] Unterscheidung zwischen der Unfruchtbarkeit bei der ersten Kreuzung und der Unfruchtbarkeit der Bastarde. – Unfruchtbarkeit dem Grade nach veränderlich; nicht allgemein; durch nahe Inzucht vermehrt und durch Domestication vermindert. – Gesetze für die Unfruchtbarkeit der Bastarde. – Unfruchtbarkeit keine besondere Eigenthümlichkeit, sondern mit anderen Verschiedenheiten zusammenfallend und nicht durch natürliche Zuchtwahl gehäuft. – Ursachen der Unfruchtbarkeit der ersten Kreuzung und der Bastarde. – Parallelismus zwischen den Wirkungen veränderter Lebensbedingungen und der Kreuzung. – Dimorphismus und Trimorphismus. – Fruchtbarkeit miteinander gekreuzter Varietäten und ihrer Blendlinge nicht allgemein. – Bastarde und Blendlinge unabhängig von ihrer Fruchtbarkeit miteinander verglichen. – Zusammenfassung.
Die allgemeine Meinung der Naturforscher geht dahin, dass Arten im Falle der Kreuzung speciell mit Unfruchtbarkeit begabt sind, um die Vermengung aller organischen Formen miteinander zu verhindern. Diese Meinung hat auf den ersten Blick gewiss grosse Wahrscheinlichkeit für sich; denn in derselben Gegend beisammenlebende Arten würden sich, wenn freie Kreuzung möglich wäre, kaum getrennt erhalten können. Der Gegenstand ist nach vielen Seiten hin von Bedeutung für uns, und ganz besonders deshalb, weil die Unfruchtbarkeit der Arten bei ihrer ersten Kreuzung und der ihrer Bastardnachkommen, wie ich zeigen werde, nicht durch fortgesetzte Erhaltung nacheinander auftretender vortheilhafter Grade von Unfruchtbarkeit erlangt worden sein kann. Sie hängt nur beiläufig mit Verschiedenheiten in dem Reproductionssystem der elterlichen Arten zusammen.
Bei Behandlung dieses Gegenstandes hat man zwei Classen von Thatsachen, welche von Grund aus in hohem Masse verschieden sind, gewöhnlich miteinander verwechselt, nämlich die Unfruchtbarkeit zweier Arten bei ihrer ersten Kreuzung und die Unfruchtbarkeit der von ihnen erhaltenen Bastarde.
Reine Arten haben natürlich ihre Fortpflanzungsorgane in einem vollkommenen Zustande, liefern aber doch, wenn sie miteinander gekreuzt werden, entweder wenige oder gar keine Nachkommen. Bastarde dagegen haben ihre Reproductionsorgane in einem functionsunfähigen Zustand, wie man aus der Beschaffenheit der männlichen[319] Elemente bei Pflanzen und Thieren deutlich erkennen kann, wenn auch die Organe selbst der Structur nach vollkommen sind, soweit es die mikroskopische Untersuchung ergibt. Im ersten Falle sind die zweierlei geschlechtlichen Elemente, welche den Embryo liefern sollen, vollkommen, im andern sind sie entweder gar nicht oder nur sehr unvollständig entwickelt. Diese Unterscheidung ist von Bedeutung, wenn die Ursache der in beiden Fällen stattfindenden Sterilität in Betracht gezogen werden soll. Die Unterscheidung ist wahrscheinlich übersehen worden, weil man die Unfruchtbarkeit in beiden Fällen als eine besondere Begabung betrachtet hat, deren Beurtheilung ausser dem Bereiche unserer Kräfte liege.
Die Fruchtbarkeit der Varietäten, d.h. derjenigen Formen, welche als von gemeinsamen Eltern abstammend bekannt sind, oder doch als so entstanden angesehen werden, bei ihrer Kreuzung und eben so die Fruchtbarkeit ihrer Blendlinge ist in Bezug auf meine Theorie von gleicher Wichtigkeit mit der Unfruchtbarkeit der Species untereinander; denn es scheint sich daraus ein klarer und scharf zu bestimmender Unterschied zwischen Arten und Varietäten zu ergeben.
Erstens: Die Unfruchtbarkeit miteinander gekreuzter Arten und ihrer Bastarde. Man kann unmöglich die verschiedenen Werke und Abhandlungen der zwei gewissenhaften und bewundernswerthen Beobachter KÖLREUTER und GÄRTNER, welche fast ihr ganzes Leben diesem Gegenstande gewidmet haben, durchlesen, ohne einen tiefen Eindruck von der grossen Allgemeinheit eines gewissen Grades von Unfruchtbarkeit zu erhalten. KÖLREUTER macht es zur allgemeinen Regel; aber er durchhaut den Knoten; denn in zehn Fällen, in denen er zwei fast allgemein für verschiedene Arten geltende Formen ganz fruchtbar miteinander fand, erklärt er dieselben unbedenklich für blosse Varietäten. Auch GÄRTNER macht die Regel zur allgemeinen und bestreitet die zehn Fälle gänzlicher Fruchtbarkeit bei KÖLREUTER. Doch ist GÄRTNER in diesen wie in vielen anderen Fällen genöthigt, die erzielten Samen sorgfältig zu zählen, um zu beweisen, dass doch einige Verminderung der Fruchtbarkeit stattfindet. Er vergleicht immer die höchste Anzahl der von zwei miteinander gekreuzten Arten und der von ihren hybriden Nachkommen erzielten Samen mit der Durchschnittszahl der von den zwei reinen elterlichen Arten in ihrem Naturzustande producierten Samen. Doch[320] laufen hier noch Ursachen ernsten Irrthums mit unter. Eine Pflanze, welche hybridisiert werden soll, muss castriert und, was oft noch wichtiger ist, eingeschlossen werden, damit ihr kein Pollen von anderen Pflanzen durch Insecten zugeführt werden kann. Fast alle Pflanzen, die zu GÄRTNER'S Versuchen gedient haben, waren in Töpfe gepflanzt und in einem Zimmer seines Hauses untergebracht. Dass aber ein solches Verfahren die Fruchtbarkeit der Pflanzen oft beeinträchtigt, lässt sich nicht bezweifeln; denn GÄRTNER selbst führt in seiner Tabelle etwa zwanzig Fälle an, wo er die Pflanzen castrierte und dann mit ihrem eigenen Pollen künstlich befruchtete; aber die Hälfte jener zwanzig Pflanzen (die Leguminosen und alle anderen derartigen Fälle, wo die Manipulation anerkannter Massen schwierig ist, ganz bei Seite gesetzt) zeigte eine mehr oder wenig verminderte Fruchtbarkeit. Da nun überdies GÄRTNER einige Formen, wie Anagallis arvensis und A. coerulea, welche die besten Botaniker nur als Varietäten betrachten, wiederholt miteinander kreuzte und sie durchaus unfruchtbar miteinander fand, so dürfen wir wohl zweifeln, ob viele andere Species wirklich so steril bei der Kreuzung sind, wie GÄRTNER glaubte.
Es ist gewiss, dass einerseits die Unfruchtbarkeit mancher Arten bei wechselseitiger Kreuzung dem Grade nach so verschieden ist und sich allmählich so unmerkbar abschwächt, und dass andererseits die Fruchtbarkeit echter Species so leicht durch mancherlei Umstände afficiert wird, dass es für alle praktischen Zwecke äusserst schwierig ist zu sagen, wo die vollkommene Fruchtbarkeit aufhöre und wo die Unfruchtbarkeit beginne. Ich glaube, man kann keinen besseren Beweis hierfür verlangen, als der ist, dass die zwei in dieser Beziehung erfahrensten Beobachter, die es je gegeben, nämlich KÖLREUTER und GÄRTNER, hinsichtlich einiger der nämlichen Formen zu schnurstracks entgegengesetzten Ergebnissen gelangt sind. Auch ist es sehr belehrend, die von unseren besten Botanikern vorgebrachten Argumente über die Frage, ob diese oder jene zweifelhafte Form als Art oder als Varietät zu betrachten sei, mit dem aus der Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit nach den Berichten verschiedener Bastardzüchter oder den in verschiedenen Jahren angestellten Versuchen eines und desselben Beobachters entnommenen Beweise zu vergleichen. Doch habe ich hier keinen Raum, auf Details einzugehen. Es lässt sich daraus darthun, dass weder Fruchtbarkeit noch Unfruchtbarkeit einen scharfen Unterschied zwischen Arten und Varietäten liefert, dass vielmehr der sich darauf stützende[321] Beweis gradweise verschwindet und mithin in demselben Grade, wie die übrigen von den constitutionellen und anatomischen Verschiedenheiten hergenommenen Beweise, zweifelhaft bleibt.
Was die Unfruchtbarkeit der Bastarde in aufeinanderfolgenden Generationen betrifft, so ist es zwar GÄRTNER geglückt, einige Bastarde, vor aller Kreuzung mit einer der zwei Stammarten geschützt, durch 6-7 und in einem Fall sogar 10 Generationen aufzuziehen; er versichert aber ausdrücklich, dass ihre Fruchtbarkeit nie zugenommen, sondern allgemein bedeutend und plötzlich abgenommen habe. In Bezug auf diese Abnahme ist zunächst zu bemerken, dass, wenn irgend eine Abweichung in Bau oder Constitution beiden Eltern gemeinsam ist, dieselbe oft in einem erhöhten Grade auf die Nachkommenschaft übergeht; und beide sexuelle Elemente sind bei hybriden Pflanzen bereits in einem gewissen Grade afficiert. Ich glaube aber, dass in fast allen diesen Fällen die Fruchtbarkeit durch eine hiervon unabhängige Ursache vermindert worden ist, nämlich durch die allzustrenge Inzucht. Ich habe so viele Versuche gemacht und eine so grosse Menge von Thatsachen gesammelt, welche zeigen, dass einerseits eine gelegentliche Kreuzung mit einem andern Individuum oder einer andern Varietät die Kräftigkeit und Fruchtbarkeit der Nachkommen vermehrt, dass andererseits sehr enge Inzucht ihre Stärke und Fruchtbarkeit vermindert, – so viele Thatsachen, sage ich, dass ich die Richtigkeit dieser Folgerung nicht bezweifeln kann. Bastarde werden selten in grösserer Anzahl zu Versuchen erzogen, und da die elterlichen Arten oder andere nahe verwandte Bastarde gewöhnlich im nämlichen Garten wachsen, so müssen die Besuche der Insecten während der Blüthezeit sorgfältig verhütet werden; daher werden Bastarde, wenn sie sich selbst überlassen werden, für jede Generation gewöhnlich durch Pollen aus der nämlichen Blüthe befruchtet werden: und dies beeinträchtigt wahrscheinlich ihre Fruchtbarkeit, welche durch ihre Bastardnatur schon ohnedies geschwächt ist. In dieser Überzeugung bestärkt mich noch eine merkwürdige von GÄRTNER mehrmals wiederholte Versicherung, dass nämlich die minder fruchtbaren Bastarde sogar, wenn sie mit Bastardpollen der gleichen Art künstlich befruchtet werden, ungeachtet des oft schlechten Erfolges wegen der schwierigen Behandlung, doch zuweilen entschieden an Fruchtbarkeit weiter und weiter zunehmen. Nun wird bei künstlicher Befruchtung der Pollen ebenso oft zufällig (wie ich aus meinen eigenen Versuchen weiss) von den Antheren einer andern wie von denen der zu befruchtenden[322] Blume selbst genommen, so dass hierdurch eine Kreuzung zwischen zwei Blüthen, doch wahrscheinlich oft an derselben Pflanze, bewirkt wird. Ferner dürfte ein so sorgfältiger Beobachter, wie GÄRTNER, wenn die Versuche nur irgendwie compliciert gewesen waren, sicher seine Bastarde castriert haben, und dies würde bei jeder Generation eine Kreuzung mit dem Pollen einer andern Blüthe entweder von derselben oder von einer andern Pflanze von gleicher Bastardbeschaffenheit nöthig gemacht haben. So kann die befremdende Erscheinung, dass die Fruchtbarkeit in aufeinanderfolgenden Generationen von künstlich befruchteten Bastarden im Vergleich mit den spontan selbstbefruchteten zugenommen hat, wie ich glaube, dadurch erklärt werden, dass allzu enge Inzucht vermieden worden ist.
Wenden wir uns jetzt zu den Ergebnissen, welche sich durch die Versuche des dritten der erfahrensten Bastardzüchter, W. HERBERT, herausgestellt haben. Er versichert ebenso ausdrücklich, dass manche Bastarde vollkommen fruchtbar sind, so fruchtbar wie die reinen Stammarten für sich, wie KÖLREUTER und GÄRTNER einen gewissen Grad von Sterilität bei Kreuzung verschiedener Species miteinander für ein allgemeines Naturgesetz erklären. Seine Versuche bezogen sich auf einige von denselben Arten, welche auch zu den Experimenten GÄRTNER'S gedient haben. Die Verschiedenheit der Ergebnisse, zu welchen beide gelangt sind, lässt sich, wie ich glaube, zum Theil aus HERBERT'S grosser Erfahrung in der Blumenzucht und zum Theil davon ableiten, dass er Warmhäuser zu seiner Verfügung hatte. Von seinen vielen wichtigen Ergebnissen will ich hier nur ein einziges beispielsweise hervorheben, dass nämlich »jedes Ei'chen in einer Samenkapsel von Crinum capense, welches mit Crinum revolutum befruchtet worden war, auch eine Pflanze lieferte, was ich (sagte er) bei natürlicher Befruchtung nie wahrgenommen habe.« Wir haben mithin hier den Fall vollkommener und selbst mehr als gewöhnlich vollkommener Fruchtbarkeit bei der ersten Kreuzung zweier verschiedener Arten.
Dieser Fall von Crinum führt mich zu der Erwähnung einer ganz eigenthümlichen Thatsache, dass es nämlich bei gewissen Arten von Lobelia, Verbascum und Passiflora individuelle Pflanzen gibt welche mit dem Pollen einer verschiedenen andern Art, aber nicht mit dem ihrer eigenen befruchtet werden können, trotzdem dieser Pollen durch Befruchtung anderer Pflanzen oder Arten als vollkommen gesund nachgewiesen werden kann. Bei der Gattung Hippeastrum, bei Corydalis, wie Professor HILDEBRAND gezeigt hat,[323] bei verschiedenen Orchideen, wie SCOTT und FRITZ MÜLLER gezeigt haben, finden sich alle Individuen in diesem merkwürdigen Zustande. Es können daher bei einigen Arten gewisse abnorme Individuen und bei anderen Species alle Individuen wirklich viel leichter verbastardiert, als durch den Pollen derselben individuellen Pflanze befruchtet werden! Um ein Beispiel anzuführen: eine Zwiebel von Hippeastrum aulicum brachte vier Blumen; drei davon wurden von HERBERT mit ihrem eigenen Pollen und die vierte hierauf mit dem Pollen einer complicierten aus drei anderen verschiedenen Arten gezüchteten Bastardform befruchtet; das Resultat war, »dass die Ovarien der drei ersten Blüthen bald zu wachsen aufhörten und nach einigen Tagen gänzlich eingiengen, während das Ovarium der mit dem Bastardpollen befruchteten Blüthe rasch zunahm und reife und gute Samen lieferte, welche kräftig gediehen.« HERBERT wiederholte ähnliche Versuche mehrere Jahre hindurch und immer mit demselben Resultate. Diese Fälle dienen dazu zu zeigen, von was für geringen und geheimnisvollen Ursachen die grössere oder geringere Fruchtbarkeit der Arten zuweilen abhängt.
Die practischen Versuche der Blumenzüchter, wenn auch nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit ausgeführt, verdienen gleichfalls einige Beachtung. Es ist bekannt, in welch' verwickelter Weise die Arten von Pelargonium, Fuchsia, Calceolaria, Petunia, Rhododendron u. a. gekreuzt worden sind, und doch setzen viele dieser Bastarde reichlich Samen an. So versichert HERBERT, dass ein Bastard von Calceolaria integrifolia und C. plantaginea, zwei in ihrem allgemeinen Habitus sehr unähnlichen Arten, »sich selbst so vollkommen aus Samen verjüngte, als ob er einer natürlichen Species aus den Bergen Chile's angehört hätte.« Ich habe mir ziemliche Mühe gegeben, den Grad der Fruchtbarkeit bei einigen durch mehrseitige Kreuzung erzielten Rhododendron kennen zu lernen, und die Gewissheit erlangt, dass mehrere derselben vollkommen fruchtbar sind. Herr C. NOBLE z.B. berichtet mir, dass er zur Gewinnung von Propfreisern Stöcke eines Bastardes von Rhododendron ponticum und Rh. catawbiense erzieht, und dass dieser Bastard »so reichlichen Samen liefert, wie man sich nur denken kann«. Nähme bei richtiger Behandlung die Fruchtbarkeit der Bastarde in aufeinderfolgenden Generationen in der Weise ab, wie GÄRTNER versichert, so müsste diese Thatsache unseren Gärtnereibesitzern bekannt sein. Blumenzüchter erziehen grosse Beete voll der nämlichen Bastarde; und diese allein erfreuen sich einer richtigen[324] Behandlung; denn hier allein können die verschiedenen Individuen einer nämlichen Bastardform durch die Thätigkeit der Insecten sich untereinander kreuzen, und der schädliche Einfluss zu enger Inzucht wird vermieden. Von der Wirkung der Insectenthätigkeit kann jeder sich selbst überzeugen, wenn er die Blumen der sterileren Rhododendronbastarde, welche keinen Pollen bilden, untersucht; denn er wird ihre Narben ganz mit Blüthenstaub bedeckt finden, der von anderen Blumen hergetragen worden ist.
Was die Thiere betrifft, so sind der genauen Versuche viel weniger mit ihnen veranstaltet worden. Wenn unsere systematischen Anordnungen Vertrauen verdienen, d.h. wenn die Gattungen der Thiere ebenso verschieden von einander sind wie die der Pflanzen, dann können wir behaupten, dass viel weiter auf der Stufenleiter der Natur auseinanderstehende Thiere noch gekreuzt werden können, als es bei den Pflanzen der Fall ist; dagegen sind die Bastarde, wie ich glaube, unfruchtbarer. Man darf jedoch nicht vergessen, dass, da sich nur wenige Thiere in der Gefangenschaft ordentlich fortpflanzen, nur wenig zuverlässige Versuche mit ihnen angestellt worden sind. So hat man z.B. den Canarienvogel mit neun anderen Finkenarten gekreuzt, da sich aber keine dieser neun Arten in der Gefangenschaft gut fortpflanzt, so haben wir kein Recht zu erwarten, dass die ersten Kreuzungen zwischen ihnen und dem Canarienvogel oder ihre Bastarde vollkommen fruchtbar sein sollten. Ebenso, was die Fruchtbarkeit der fruchtbareren Bastarde in aufeinanderfolgenden Generationen betrifft, so kenne ich kaum ein Beispiel, dass zwei Familien gleicher Bastarde gleichzeitig von verschiedenen Eltern erzogen worden wären, so dass die üblen Folgen allzustrenger Inzucht vermieden wurden; im Gegentheil hat man in jeder nachfolgenden Generation, die beständig wiederholten Mahnungen aller Züchter nicht beachtend, gewöhnlich Brüder und Schwestern miteinander gepaart. Und so ist es in diesem Falle durchaus nicht überraschend, dass die einmal vorhandene Sterilität der Bastarde mit jeder Generation zugenommen hat.
Obwohl ich kaum einen völlig wohlbeglaubigten Fall vollkommen fruchtbarer Thierbastarde kenne, so habe ich doch einige Ursache anzunehmen, dass die Bastarde von Cervulus vaginalis und C. Reevesii, und die von Phasianus colchicus und Ph. torquatus vollkommen fruchtbar sind. Mr. QUATREFAGES gibt an, dass die Bastarde zweier Spinner (Bombyx cynthia und arrindia) sich in Paris als für acht Generationen unter sich fruchtbar herausgestellt hätten. Es ist[325] neuerdings behauptet worden, dass zwei so verschiedene Arten, wie es Hasen und Kaninchen sind, wenn sie zur Begattung gebracht werden können, Nachkommen erzeugen, welche bei Kreuzung mit einer der beiden elterlichen Formen sehr fruchtbar seien. Die Bastarde der gemeinen und der Schwanengans (Anser cygnoides), zweier so verschiedenen Arten, dass man sie allgemein in verschiedene Gattungen zu stellen pflegt, haben hier zu Lande oft Nachkommen mit einer der reinen Stammarten und in einem Falle sogar unter sich geliefert. Dies gelang Herrn EYTON, der zwei Bastarde von gleichen Eltern, aber von verschiedenen Bruten erzog und dann von beiden zusammen nicht weniger als acht Nachkommen (Enkel der reinen Eltern) aus einem Neste erhielt. In Indien dagegen müssen diese durch Kreuzung gewonnenen Gänse weit fruchtbarer sein; denn zwei ausgezeichnet befähigte Beurtheiler, nämlich BLYTH und HUTTON, haben mir versichert, dass dort in verschiedenen Landesgegenden ganze Heerden dieser Bastardgans gehalten werden; und da diese des Nutzens wegen gehalten werden, wo die reinen Stammarten gar nicht existieren, so müssen sie nothwendig in hohem Masse oder vollkommen fruchtbar sein.
Die verschiedenen Rassen unserer domesticierten Thiere sind, wenn sie untereinander gekreuzt werden, völlig fruchtbar; und doch sind sie in vielen Fällen von zwei oder mehr wilden Arten abgestammt. Aus dieser Thatsache müssen wir schliessen, entweder dass die ursprünglichen Stammarten gleich anfangs ganz fruchtbare Bastarde geliefert haben, oder dass die im Zustande der Domestication später erzogenen Bastarde ganz fruchtbar geworden seien. Diese letzte Alternative, welche zuerst von PALLAS ausgesprochen wurde, erscheint als die bei weitem wahrscheinlichste, und kann allerdings kaum bezweifelt werden. Es ist z.B. beinahe gewiss, dass unsere Hunde von mehreren wilden Arten herrühren: und doch sind, vielleicht mit Ausnahme gewisser in Süd-America gehaltener Haushunde, alle fruchtbar miteinander; aber die Analogie lässt mich sehr bezweifeln, ob die verschie denen Stammarten derselben sich anfangs leicht miteinander gepaart und sogleich ganz fruchtbare Bastarde geliefert haben sollten. So habe ich ferner vor kurzem entscheidende Beweise dafür erhalten, dass die Bastarde vom Indischen Buckelochsen (dem Zebu) und dem gemeinen Rind unter sich vollkommen fruchtbar sind; und nach den Beobachtungen RÜTIMEYER'S über ihre wichtigen osteologischen Verschiedenheiten, sowie nach den Angaben BLYTH'S über die Verschiedenheiten beider[326] in Gewohnheiten, Stimme, Constitution u.s.f. müssen beide Formen als gute und distincte Arten angesehen werden. Dieselben Bemerkungen können auf die zwei Hauptrassen des Schweines ausgedehnt werden. Wir müssen daher entweder den Glauben an die fast allgemeine Unfruchtbarkeit distincter Species von Thieren bei ihrer Kreuzung aufgeben oder aber die Sterilität nicht als einen unzerstörbaren Character, sondern als einen solchen betrachten, welcher durch Domestication beseitigt werden kann.
Überblicken wir endlich alle über die Kreuzung von Pflanzen-und Thierarten sicher ermittelten Thatsachen, so kann man schliessen dass ein gewisser Grad von Unfruchtbarkeit sowohl bei der ersten Kreuzung als bei den daraus entspringenden Bastarden zwar eine äusserst gewöhnliche Erscheinung ist, dass er aber nach dem gegenwärtigen Stand unserer Kennt nisse nicht als unbedingt allgemein betrachtet werden kann.
Wir wollen nun die Gesetze etwas mehr im Einzelnen betrachten, welche die Unfruchtbarkeit der ersten Kreuzung und der Bastarde bestimmen. Unsere Hauptaufgabe wird sein zu ermitteln, ob sich aus diesen Gesetzen ergibt, dass die Arten besonders mit dieser Eigenschaft begabt sind, um eine Kreuzung der Arten bis zur äussersten Verschmelzung der Formen zu verhüten oder nicht. Die nachstehenden Folgerungen sind hauptsächlich aus GÄRTNER'S bewunderungswerthem Werke »über die Bastarderzeugung im Pflanzenreich« entnommen. Ich habe mir viel Mühe gegeben zu erfahren, inwiefern dieselben auch auf Thiere Anwendung finden; und obwohl unsere Erfahrungen über Bastardthiere sehr dürftig sind, so war ich doch erstaunt zu sehen, in wie ausgedehntem Grade die nämlichen Regeln für beide Reiche gelten.
Es ist bereits bemerkt worden, dass sich die Fruchtbarkeit sowohl der ersten Kreuzung als der daraus entspringenden Bastarde von Null bis zur Vollkommenheit abstuft. Es ist erstaunlich auf wie mancherlei eigenthümliche Weise sich diese Abstufung darthun lässt; doch können hier nur die nacktesten Umrisse der Thatsachen geliefert werden. Wenn Pollen einer Pflanze von der einen Familie auf die Narbe einer Pflanze von anderer Familie gebracht wird, so hat er nicht mehr Wirkung als eben so viel unorganischer Staub. Wenn man aber Pollen von verschiedenen Arten einer Gattung auf[327] das Stigma irgend einer Species derselben Gattung bringt, so werden sich in der Anzahl der jedesmal erzeugten Samen alle Abstufungen von jenem absoluten Nullpunkt an bis zur nahezu oder selbst factisch vollständigen Fruchtbarkeit und, wie wir gesehen haben, in einigen abnormen Fällen sogar über das bei Befruchtung mit dem eigenen Pollen gewöhnliche Mass hinaus ergeben. So gibt es unter den Bastarden selbst einige, welche sogar mit dem Pollen von einer der zwei reinen Stammarten nie auch nur einen einzigen fruchtbaren Samen hervorgebracht haben, noch wahrscheinlich jemals hervorbringen werden. Doch hat sich in einigen dieser Fälle eine erste Spur von Fruchtbarkeit insofern gezeigt, als der Pollen einer der reinen elterlichen Arten ein frühzeitigeres Abwelken der Blume der Bastardpflanze veranlasste, als sonst eingetreten wäre; und rasches Abwelken einer Blüthe ist bekanntlich ein Zeichen beginnender Befruchtung. An diesen äussersten Grad der Unfruchtbarkeit reihen sich dann Bastarde an, die durch Selbstbefruchtung eine immer grössere Anzahl von Samen bis zur vollständigen Fruchtbarkeit hervorbringen.
Bastarde von zwei Arten erzielt, welche sehr schwer zu kreuzen sind und nur selten einen Nachkommen liefern, pflegen allgemein sehr unfruchtbar zu sein. Aber der Parallelismus zwischen der Schwierigkeit eine erste Kreuzung zu Stande zu bringen, und der Unfruchtbarkeit der aus einer solchen entsprungenen Bastarde, – zwei sehr gewöhnlich miteinander verwechselte Classen von Thatsachen, – ist keineswegs streng. Denn es gibt viele Fälle, wo, wie bei der Gattung Verbascum, zwei reine Arten mit ungewöhnlicher Leichtigkeit miteinander gepaart werden und zahlreiche Bastarde liefern können; und doch sind diese Bastarde ganz merkwürdig unfruchtbar. Andererseits gibt es Arten, welche nur selten oder äusserst schwierig zu kreuzen sind, aber ihre Bastarde, wenn endlich erzeugt, sind sehr fruchtbar. Und diese zwei so entgegengesetzten Fälle können selbst innerhalb der nämlichen Gattung vorkommen, wie z.B. bei Dianthus.
Die Fruchtbarkeit sowohl der ersten Kreuzungen als der Bastarde wird leichter als die der reinen Arten durch ungünstige Bedingungen afficiert. Aber der Grad der Fruchtbarkeit ist gleicher Weise an sich veränderlich; denn der Erfolg ist nicht immer der nämliche, wenn man dieselben zwei Arten unter denselben äusseren Umständen kreuzt, sondern hängt zum Theil von der Constitution der zwei zufällig für den Versuch ausgewählten Individuen ab.[328] So ist es auch mit den Bastarden; denn der Grad ihrer Fruchtbarkeit erweist sich oft bei verschiedenen aus Samen einer Kapsel erzogenen und den nämlichen Bedingungen ausgesetzten Individuen ganz verschieden.
Mit dem Ausdruck systematische Verwandtschaft wird die allgemeine Ähnlichkeit verschiedener Arten in Bau und Constitution bezeichnet. Nun wird die Fruchtbarkeit der ersten Kreuzung zweier Species und der daraus hervorgehenden Bastarde in hohem Masse bestimmt von ihrer systematischen Verwandtschaft. Dies geht deutlich daraus schon hervor, dass man noch niemals Bastarde von zwei Arten erzielt hat, welche die Systematiker in zwei Familien stellen, während es dagegen leicht ist, sehr nahe verwandte Arten miteinander zu paaren. Doch ist die Beziehung zwischen systematischer Verwandtschaft und Leichtigkeit der Kreuzung keineswegs eine strenge. Denn es liessen sich eine Menge Fälle von sehr nahe verwandten Arten anführen, die gar nicht oder nur mit grösster Mühe zur Paarung gebracht werden können, während andererseits mitunter auch sehr verschiedene Arten sich mit grösster Leichtigkeit kreuzen lassen. In einer und derselben Familie können zwei Gattungen beisammen stehen, wovon die eine, wie Dianthus, viele solche Arten enthält, die sehr leicht zu kreuzen sind, während die der andern, z.B. Silene, den beharrlichsten Versuchen, eine Kreuzung zu bewirken, in dem Grade widerstehen, dass man auch noch nicht einen Bastard zwischen den einander am nächsten verwandten Arten derselben zu erzielen vermochte. Ja, selbst innerhalb der Grenzen einer und der nämlichen Gattung zeigt sich ein solcher Unterschied. So sind z.B. die zahlreichen Arten von Nicotiana mehr untereinander gekreuzt worden, als die Arten fast irgend einer andern Gattung; GÄRTNER hat aber gefunden, dass N. acuminata, die keineswegs eine besonders ausgezeichnete Art ist, beharrlich allen Befruchtungsversuchen widerstand, so dass von acht anderen Nicotiana-Arten keine weder sie befruchten noch von ihr befruchtet werden konnte. Und analoge Thatsachen liessen sich noch sehr viele anführen.
Noch Niemand hat zu bestimmen vermocht, welche Art oder welcher Grad von Verschiedenheit in irgend einem erkennbaren Character genügt, um die Kreuzung zweier Species zu verhindern. Es lässt sich nachweisen, dass Pflanzen, welche in der Lebensweise und der allgemeinen Erscheinung am weitesten auseinandergehen, welche in allen Theilen ihrer Blüthen, sogar bis zum Pollen oder[329] in den Cotyledonen sehr scharfe unterschiede zeigen, miteinander gekreuzt werden können. Einjährige und ausdauernde Gewächsarten, winterkahle und immergrüne Bäume und Pflanzen von den abweichendsten Standorten und für die entgegengesetztesten Climate angepasst, können oft leicht miteinander gekreuzt werden.
Unter wechselseitiger Kreuzung zweier Arten verstehe ich den Fall, wo z.B. erst ein Pferdehengst mit einer Eselin und dann ein Eselhengst mit einer Pferdestute gepaart wird; man kann dann sagen, diese zwei Arten seien wechselseitig gekreuzt worden. In der Leichtigkeit wechselseitige Kreuzungen anzustellen findet oft der möglichst grösste Unterschied statt. Solche Fälle sind höchst wichtig, weil sie beweisen, dass die Fähigkeit irgend zweier Arten, sich zu kreuzen, von ihrer systematischen Verwandtschaft, d.h. von irgend welcher Verschiedenheit in ihrem Bau und ihrer Constitution, mit Ausnahme ihres Reproductionssystems, oft völlig unabhängig ist. Diese Verschiedenheit der Ergebnisse von wechselseitigen Kreuzungen zwischen denselben zwei Arten ist schon längst von KÖLREUTER beobachtet worden. So kann, um ein Beispiel anzuführen, Mirabilis Jalapa leicht durch den Samenstaub der M. longiflora befruchtet werden, und die daraus entspringenden Bastarde sind genügend fruchtbar; aber mehr als zweihundert Male versuchte es KÖLREUTER im Verlaufe von acht Jahren die M. longiflora nun auch mit Pollen der M. Jalapa zu befruchten, aber völlig vergebens. Und so liessen sich noch einige andere gleich auffallende Beispiele geben. THURET hat dieselbe Erscheinung an einigen Seepflanzen oder Fucoideen beobachtet, und GÄRTNER noch überdies gefunden, dass diese verschiedene Leichtigkeit wechselseitiger Kreuzungen in einem geringern Grade ausserordentlich gemein ist. Er hat sie selbst zwischen Formen wahrgenommen, die so nahe miteinander verwandt sind, dass viele Botaniker sie nur als Varietäten einer nämlichen Art betrachten, wie Matthiola annua und M. glabra. Ebenso ist es eine merkwürdige Thatsache, dass die beiderlei aus wechselseitiger Kreuzung hervorgegangenen Bastarde, wenn auch natürlich aus denselben zwei Stammarten zusammengesetzt, da die eine Art erst als Vater und dann als Mutter fungierte, zwar nur selten in äusseren Characteren differieren, hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit aber gewöhnlich in einem geringen, zuweilen aber auch in hohem Grade von einander abweichen.
Es lassen sich noch mehrere andere eigenthümliche Regeln nach GÄRTNER'S Erfahrungen anführen, wie z.B. dass manche Arten[330] sich überhaupt sehr leicht zur Kreuzung mit anderen verwenden lassen, ferner dass anderen Arten derselben Gattung ein merkwürdiges Vermögen innewohnt, den Bastarden eine grosse Ähnlichkeit mit ihnen aufzuprägen; doch stehen beiderlei Fähigkeiten durchaus nicht in nothwendiger Beziehung zu einander. Es gibt gewisse Bastarde, welche, statt wie gewöhnlich das Mittel zwischen ihren zwei elterlichen Arten zu halten, stets nur einer derselben sehr ähnlich sind; und gerade diese Bastarde, trotzdem sie äusserlich der einen Stammart so ähnlich erscheinen, sind mit seltener Ausnahme äusserst unfruchtbar. So kommen ferner auch unter denjenigen Bastarden, welche zwischen ihren Eltern das Mittel zu halten pflegen, zuweilen ausnahmsweise und abnorme Individuen vor, die einer der reinen Stammarten ausserordentlich gleichen; und diese Bastarde sind dann beinahe stets auch äusserst steril, selbst wenn die von Samen aus gleicher Fruchtkapsel entsprungenen Mittelformen in beträchtlichem Grade fruchtbar sind. Diese Thatsachen zeigen, wie ganz unabhängig die Fruchtbarkeit der Bastarde vom Grade ihrer äussern Ähnlichkeit mit ihren beiden Stammeltern ist.
Betrachtet man die bis hierher gegebenen Regeln über die Fruchtbarkeit der ersten Kreuzungen und der hybriden Formen, so ergibt sich, dass, wenn man Formen, die als gute und verschiedene Arten angesehen werden müssen, miteinander paart, ihre Fruchtbarkeit in allen Abstufungen von Null an selbst bis zu einer unter gewissen Bedingungen excessiven Fruchtbarkeit hinaus wechseln kann. Ferner ist ihre Fruchtbarkeit nicht nur äusserst empfindlich für günstige und ungünstige Bedingungen, sondern auch an und für sich veränderlich. Die Fruchtbarkeit verhält sich nicht immer dem Grade nach gleich bei der ersten Kreuzung und den aus dieser Kreuzung hervorgegangenen Bastarden. Die Fruchtbarkeit der Bastarde steht in keinem Verhältnis zu dem Grade, in welchem sie in der äussern Erscheinung einer der beiden Elternformen ähnlich sind. Endlich: die Leichtigkeit einer ersten Kreuzung zwischen irgend zwei Arten ist nicht immer von deren systematischer Verwandtschaft noch von dem Grade ihrer Ähnlichkeit abhängig. Diese letzte Angabe ist hauptsächlich aus der Verschiedenheit des Ergebnisses der wechselseitigen Kreuzung zweier nämlichen Arten erweisbar, wo die Leichtigkeit, mit der man eine Paarung erzielt, gewöhnlich etwas, mitunter aber auch so weit wie möglich differiert, je nachdem man die eine oder die andere der zwei gekreuzten[331] Arten als Vater oder als Mutter nimmt. Auch sind überdies die zweierlei durch Wechselkreuzung erzielten Bastarde oft in ihrer Fruchtbarkeit verschieden.
Nun fragt es sich, ob aus diesen eigenthümlichen und verwickelten Regeln hervorgeht, dass die Unfruchtbarkeit der Arten bei deren Kreuzung einfach den Zweck hat, ihre Vermischung im Naturzustande zu verhüten! Ich glaube nicht. Denn warum wäre in diesem Falle der Grad der Unfruchtbarkeit so ausser ordentlich verschieden, wenn verschiedene Arten gekreuzt werden, da wir doch annehmen müssen, die Verhütung dieser Verschmelzung sei für alle gleich wichtig? Warum wäre sogar schon der Grad der Unfruchtbarkeit bei Individuen einer nämlichen Art angeborenermassen veränderlich? Zu welchem Ende sollten manche Arten so leicht zu kreuzen sein und doch sehr sterile Bastarde erzeugen, während andere sich nur äusserst schwierig paaren lassen und doch vollkommen fruchtbare Bastarde liefern? Wozu sollte es dienen, dass die zweierlei Producte einer wechselseitigen Kreuzung zwischen den nämlichen Arten sich oft so sehr abweichend verhalten? Wozu, kann man sogar fragen, hat die Natur überhaupt die Bildung von Bastarden gestattet? Es scheint doch eine wunderbare Anordnung zu sein, erst den Arten das Vermögen, Bastarde zu bilden, zu gewähren, dann aber deren weitere Fortbildung durch verschiedene Grade von Sterilität zu hemmen, welche in keiner strengen Beziehung zur Leichtigkeit der ersten Kreuzung ihrer Eltern stehen.
Die vorstehenden Regeln und Thatsachen scheinen mir dagegen deutlich darauf hinzuweisen, dass die Unfruchtbarkeit sowohl der ersten Kreuzungen als der Bastarde einfach mit unbekannten Verschiedenheiten im Fortpflanzungssysteme der gekreuzten Arten zusammen- oder von ihnen abhängt. Die Verschiedenheiten sind von so eigenthümlicher und engumgrenzter Natur, dass bei wechselseitigen Kreuzungen zwischen denselben zwei Arten oft das männliche Element der einen von ganz ordentlicher Wirkung auf das weibliche der andern ist, während bei der Kreuzung in der andern Richtung das Gegentheil eintritt. Es wird rathsam sein, durch ein Beispiel etwas ausführlicher auseinander zu setzen, was ich unter der Bemerkung verstehe, dass Sterilität mit anderen Verschiedenheiten zusammenfalle und nicht eine specielle Eigenthümlichkeit für sich bilde. Die Fähigkeit einer Pflanze, sich auf eine andere propfen oder oculieren zu lassen, ist für deren Gedeihen im Naturzustande so gänzlich gleichgültig, dass wohl, wie ich glaube, Niemand diese[332] Fähigkeit für eine specielle Begabung der beiden Pflanzen halten, sondern Jedermann annehmen wird, sie falle mit Verschiedenheiten in den Wachsthumsgesetzen derselben zusammen. Den Grund davon, dass eine Art auf der andern etwa nicht anschlagen will, kann man zuweilen in abweichender Wachsthumsweise, Härte des Holzes, Zeit des Flusses oder Natur des Saftes u. dgl. finden; in sehr vielen Fällen aber lässt sich gar keine Ursache dafür angeben. Denn selbst sehr bedeutende Verschiedenheiten in der Grösse der zwei Pflanzen, der Umstand, dass die eine holzig, die andere krautartig, die eine immergrün, die andere winterkahl ist, selbst ihre Anpassung an ganz verschiedene Climate bilden nicht immer ein Hindernis ihrer Aufeinanderpropfung, Wie bei der Bastardbildung so ist auch beim Propfen die Fähigkeit durch die systematische Verwandtschaft beschränkt; denn es ist noch Niemand gelungen, Baumarten aus ganz verschiedenen Familien aufeinander zu propfen, während dagegen nahe verwandte Arten einer Gattung und Varietäten einer Art gewöhnlich, aber nicht immer, leicht aufeinander gepropft werden können. Doch wird auch dieses Vermögen ebensowenig wie das der Bastardbildung durch systematische Verwandtschaft in absoluter Weise beherrscht. Denn wenn es auch gelungen ist, viele verschiedene Gattungen einer und derselben Familie aufeinander zu propfen, so nehmen doch wieder in anderen Fällen sogar Arten einer nämlichen Gattung einander nicht an. Der Birnbaum kann viel leichter auf den Quittenbaum, den man zu einem eigenen Genus erhoben hat, als auf den Apfelbaum gepropft werden, der mit ihm zur nämlichen Gattung gehört. Selbst verschiedene Varietäten der Birne schlagen nicht mit gleicher Leichtigkeit auf dem Quittenbaum an, und ebenso verhalten sich verschiedene Aprikosen- und Pfirsichvarietäten dem Pflaumenbaume gegenüber.
Wie GÄRTNER gefunden hat, dass zuweilen eine angeborene Verschiedenheit im Verhalten der verschiedenen Individuen zweier zu kreuzenden Arten vorhanden ist, so glaubt SAGERET auch an eine angeborene Verschiedenheit im Verhalten der verschiedenen Individuen zweier aufeinander zu propfender Arten. Wie bei Wechselkreuzungen die Leichtigkeit der zweierlei Paarungen oft sehr ungleich ist, so verhält es sich oft auch bei dem wechselseitigen Verpropfen. So kann die gemeine Stachelbeere z.B. nicht auf den Johannisbeerstrauch gezweigt werden, während die Johannisbeere, wenn auch mit Schwierigkeit, auf dem Stachelbeerstrauch anschlagen wird.[333]
Wir haben gesehen, dass die Unfruchtbarkeit der Bastarde, deren Reproductionsorgane sich in einem unvollkommenen Zustande finden, eine ganz andere Sache ist, wie die Schwierigkeit, zwei reine Arten mit vollständigen Organen miteinander zu paaren; doch laufen diese beiden verschiedenen Classen von Fällen bis zu gewissem Grade miteinander parallel. Etwas Analoges kommt auch beim Propfen vor; denn THOUIN hat gefunden, dass drei Robinia-Arten, welche auf eigener Wurzel reichlichen Samen gebildet hatten und sich ohne grosse Schwierigkeit auf eine vierte zweigen liessen, durch diese Propfung unfruchtbar gemacht wurden; während dagegen gewisse Sobus-Arten, auf andere Species gesetzt, doppelt so viel Früchte wie auf eigener Wurzel lieferten. Diese Thatsache erinnert uns an die oben erwähnten ausserordentlichen Fälle bei Hippeastrum, Passiflora u. dgl., welche viel reichlicher fructificieren, wenn sie mit Pollen einer andern Art als wenn sie mit ihrem eigenen Pollen befruchtet werden.
Wir sehen daher, dass, wenn auch ein deutlicher und grosser Unterschied zwischen der blossen Adhäsion aufeinander gepropfter Stöcke und der Zusammenwirkung männlicher und weiblicher Elemente beim Acte der Reproduction stattfindet, sich doch ein gewisser Grad von Parallelismus zwischen den Wirkungen der Propfung und der Befruchtung verschiedener Arten miteinander kundgibt. Und da wir die sonderbaren und verwickelten Gesetze, welche die Leichtigkeit der Aufeinanderpropfung zweier Bäume beherrschen, als mit unbekannten Verschiedenheiten in ihren vegetativen Organen zusammenhängend betrachten müssen, so glaube ich auch, dass die noch viel zusammengesetzteren Gesetze, welche die Leichtigkeit erster Kreuzungen beherrschen, mit unbekannten Verschiedenheiten in ihrem Reproductionssysteme im Zusammenhang stehen. Diese Verschiedenheiten folgen in beiden Fällen, wie sich hätte erwarten lassen, bis zu einem gewissen Grade der systematischen Verwandtschaft, durch welche Bezeichnung jede Art von Ähnlichkeit und Unähnlichkeit zwischen organischen Wesen auszudrücken versucht wird. Die Thatsachen scheinen mir in keiner Weise zu ergeben, dass die grössere oder geringere Schwierigkeit, verschiedene Arten entweder aufeinander zu propfen oder miteinander zu kreuzen, eine besondere Eigenthümlichkeit ist, obwohl dieselbe beim Kreuzen für die Dauer und Stetigkeit der Artformen ebenso wesentlich ist, wie sie beim Propfen unwesentlich für deren Gedeihen ist.
[334] Es schien mir, wie es auch andern gieng, eine Zeitlang wahrscheinlich, dass die Unfruchtbarkeit erster Kreuzungen und der Bastarde wohl durch natürliche Zuchtwahl erreicht worden sein könnte, nämlich durch deren langsame Einwirkung auf unbedeutend verminderte Grade von Fruchtbarkeit, welche wie jede andere Abänderung zuerst von selbst bei gewissen Individuen einer mit einer andern gekreuzten Varietät erschienen sei. Denn es würde offenbar für zwei Varietäten oder beginnende Arten von Vortheil sein, wenn sie an einer Vermischung gehindert würden, und zwar nach demselben Princip, wie Jemand, wenn er gleichzeitig zwei Varietäten züchtet, sie nothwendig getrennt halten muss. Zuerst muss nun bemerkt werden, dass Arten, welche zwei verschiedene Gegenden bewohnen, häufig steril sind, wenn sie gekreuzt werden. Für solche getrennt lebende Arten kann es nun aber offenbar nicht von Vortheil gewesen sein, gegenseitig unfruchtbar gemacht worden zu sein; und folglich kann dies hier nicht durch natürliche Zuchtwahl bewirkt worden sein; doch könnte man hier vielleicht einwenden, dass, wenn eine Art mit irgend einem ihrer Landesgenossen unfruchtbar geworden ist, Unfruchtbarkeit mit anderen Arten wahrscheinlich als eine nothwendige Folge sich ergeben wird. Zweitens widerspricht es beinahe ebensosehr meiner Theorie der natürlichen Zuchtwahl als der einer speciellen Erschaffung, dass bei wechselseitigen Kreuzungen das männliche Element der einen Form völlig impotent in Bezug auf eine zweite Form geworden ist, während zu gleicher Zeit das männliche Element dieser zweiten Form im Stande ist, die erste ordentlich zu befruchten; denn dieser eigenthümliche Zustand des Reproductionssystems kann unmöglich für die eine wie für die andere Species von Vortheil sein.
Denkt man an die Wahrscheinlichkeit, dass die Thätigkeit der natürlichen Zuchtwahl dabei in's Spiel gekommen ist, Arten gegenseitig unfruchtbar zu machen, so wird man die grösste Schwierigkeit in der Existenz vieler gradweise verschiedener Zustände von unbedeutend verminderter Fruchtbarkeit bis zu völliger und absoluter Unfruchtbarkeit finden. Man kann zugeben, dass es für eine beginnende Art von Vortheil ist, wenn sie bei der Kreuzung mit ihrer Stammform oder mit irgend einer andern Varietät in einem geringen Grade steril wird; denn danach werden weniger verbastardierte und deteriorierte Nachkommen erzeugt, die ihr Blut[335] mit der neuen, im Process der Bildung sich findenden Species mischen könnten. Wer sich indessen die Mühe geben will über die Wege nachzudenken, auf welchen dieser erste Grad von Sterilität durch natürliche Zuchtwahl vergrössert und bis zu jenem hohen Grade geführt werden könnte, der so vielen Arten eigen ist, und welcher ganz allgemein Arten zukommt, die bis zu einem generischen oder Familiengrade differenziert sind, der wird den Gegenstand ausserordentlich verwickelt finden. Nach reiflicher Überlegung scheint mir, dass dies nicht hat durch natürliche Zuchtwahl bewirkt werden können. Man nehme den Fall, wo zwei Species bei der Kreuzung wenig und unfruchtbare Nachkommen erzeugen: was könnte nun wohl hier das Überleben derjenigen Individuen begünstigen, welche zufällig in einem unbedeutend höheren Grade mit gegenseitiger Unfruchtbarkeit begabt sind und welche hierdurch mit einem kleinen Schritte sich der absoluten Unfruchtbarkeit nähern? Und doch müsste, wenn hier die Theorie der natürlichen Zuchtwahl als Erklärungsgrund herangezogen werden sollte, beständig ein Fortschritt in dieser Richtung bei vielen Arten eingetreten sein; denn eine Menge solcher sind wechselseitig völlig unfruchtbar. Bei den sterilen geschlechtslosen Insecten haben wir Grund zu glauben, dass Modificationen ihrer Structur und Fruchtbarkeit durch natürliche Zuchtwahl langsam gehäuft worden sind, da hierdurch der Gemeinschaft, zu der sie gehörten, indirect ein Vortheil über andere Gemeinschaften derselben Art erwuchs; wird aber ein individuelles keiner socialen Gemeinschaft angehöriges Thier beim Kreuzen mit einer andern Varietät um ein weniges steril, so würde daraus kein indirecter Vortheil für das Individuum selbst oder irgend welche andere Individuen derselben Varietät entspringen, welcher zu deren Erhaltung führte.
Es wäre aber überflüssig, diese Frage im Detail zu erörtern; denn in Bezug auf die Pflanzen haben wir bündige Beweise, dass die Unfruchtbarkeit gekreuzter Arten Folge eines von natürlicher Zuchtwahl gänzlich unabhängigen Princips ist. Sowohl GÄRTNER als KÖLREUTER haben gezeigt, dass sich bei Gattungen, welche zahlreiche Arten umfassen, eine Reihe bilden lässt von Arten, welche bei ihrer Kreuzung immer weniger und weniger Samen liefern, bis zu Arten, welche niemals auch nur einen einzigen Samen erzeugen, aber doch vom Pollen gewisser anderer Species afficiert werden, da der Keim anschwillt. Es ist hier offenbar unmöglich, die unfruchtbareren Individuen zur Zuchtwahl zu wählen, welche bereits[336] aufgehört haben, Samen zu ergeben; so dass dieser Gipfel der Unfruchtbarkeit, wo nur der Keim afficiert wird, nicht durch Zuchtwahl erreicht worden sein kann. Und aus den die verschiedenen Grade der Unfruchtbarkeit beherrschenden Gesetzen, welche durch das ganze Pflanzen- und Thierreich so gleichförmig sind, können wir schliessen, dass die Ursache, was dieselbe auch sein mag, in allen Fällen dieselbe sein wird.
Wir wollen nun etwas näher zu betrachten versuchen, welches wohl wahrscheinlich die Natur der Verschiedenheiten ist, welche Sterilität sowohl erster Kreuzungen als der Bastarde verursachen. Bei ersten Kreuzungen reiner Arten hängt die grössere oder geringere Schwierigkeit, eine Paarung zu bewirken und Nachkommen zu erzielen, anscheinend von mehreren verschiedenen Ursachen ab. Zuweilen muss eine physische Unmöglichkeit für das männliche Element vorhanden sein bis zum Ei'chen zu gelangen, wie es bei Pflanzen der Fall wäre, deren Pistill zu lang ist, als dass die Pollenschläuche bis in's Ovarium hinabreichen können. So ist auch beobachtet worden, dass wenn der Pollen einer Art auf das Stigma einer nur entfernt damit verwandten Art gebracht wird, die Pollenschläuche zwar hervortreten, aber nicht in die Oberfläche des Stigmas eindringen. In anderen Fällen kann ferner das männliche Element zwar das weibliche erreichen, es ist aber unfähig die Entwicklung des Embryos zu veranlassen, wie das aus einigen Versuchen THURET'S mit Fucoideen hervorzugehen scheint. Wir können diese Thatsachen eben so wenig erklären, wie warum gewisse Baumarten nicht auf andere gepropft werden können. Endlich kann es auch vorkommen, dass ein Embryo sich zwar zu entwickeln beginnt, aber schon in einer frühen Zeit zu Grunde geht. Diese letzte Alternative ist nicht genügend beachtet worden; doch glaube ich nach den von Hrn. HEWITT, welcher grosse Erfahrung in der Bastardzüchtung von Fasanen und Hühnern besessen hat, mir mitgetheilten Beobachtungen, dass der frühzeitige Tod des Embryos eine sehr häufige Ursache der Unfruchtbarkeit der ersten Kreuzungen ist. SALTER hat neuerdings die Resultate seiner Untersuchungen von 500 Eiern bekannt gemacht, die von verschiedenen Kreuzungen dreier Arten von Gallus und deren Bastarden erhalten worden waren. Die Mehrzahl dieser Eier war befruchtet, und bei der Majorität der befruchteten Eier waren die Embryonen entweder nur zum Theil entwickelt und waren dann abortiert, oder beinahe[337] reif geworden, die Jungen waren aber nicht im Stande, die Schale zu durchbrechen. Von den geborenen Hühnchen waren über vier Fünftel innerhalb der ersten paar Tage oder höchstens Wochen gestorben, »ohne irgend welche auffallende Ursachen, scheinbar nur aus Mangel an Lebensfähigkeit«, so dass von den 500 Eiern nur zwölf Hühnchen aufgezogen wurden. Der frühe Tod der Bastardembryonen tritt wahrscheinlich in gleicher Weise bei Pflanzen ein; wenigstens ist es bekannt, dass von sehr verschiedenen Arten erzogene Bastarde zuweilen schwach und zwerghaft sind und jung zu Grunde gehen. Von dieser Thatsache hat neuerdings MAX WICHURA einige auffallende Fälle bei Weidenbastarden gegeben. Es verdient vielleicht hier bemerkt zu werden, dass in manchen Fällen von Parthenogenesis die aus nicht befruchteten Eiern des Seidenschmetterlings kommenden Embryonen, wie die aus einer Kreuzung zweier besonderer Arten entstehenden, die ersten Entwicklungszustände durchliefen und dann untergiengen. Ehe ich mit diesen Thatsachen bekannt wurde, war ich sehr wenig geneigt, an den frühen Tod hybrider Embryonen zu glauben, weil Bastarde, wenn sie einmal geboren sind, sehr kräftig und langlebend zu sein pflegen, wie es das Maulthier zeigt. Überdies befinden sich Bastarde vor und nach der Geburt unter ganz verschiedenen Verhältnissen. In einer Gegend geboren und lebend, wo auch ihre beide Eltern leben, befinden sie sich allgemein unter ihnen zusagenden Lebensbedingungen. Aber ein Bastard hat nur halb an der Natur und Constitution seiner Mutter Antheil und mag mithin vor der Geburt, solange er noch im Mutterleibe ernährt wird oder in den von der Mutter hervorgebrachten Eiern und Samen sich befindet, einigermassen ungünstigeren Bedingungen ausgesetzt und demzufolge in der ersten Zeit leichter zu Grunde zu gehen geneigt sein, ganz besonders, weil alle sehr jungen Lebewesen gegen schädliche und unnatürliche Lebensverhältnisse ausserordentlich empfindlich sind. Nach allem aber ist es wahrscheinlicher, dass die Ursache in irgend einer Unvollkommenheit beim ursprünglichen Befruchtungsacte liegt, welche den Embryo nur unvollkommen entwickeln lässt, als in den Bedingungen, denen er später ausgesetzt ist.
Hinsichtlich der Sterilität der Bastarde, deren Zeugungselemente unvollkommen entwickelt sind, verhält sich die Sache etwas anders. Ich habe schon mehrmals angeführt, dass ich eine grosse Menge von Thatsachen gesammelt habe, welche zeigen, dass, wenn Pflanzen und Thiere aus ihren natürlichen Verhältnissen herausgerissen[338] werden, es vorzugsweise die Fortpflanzungsorgane sind, welche unter solchen Umständen äusserst leicht bedenklich afficiert werden. Dies ist in der That die grosse Schranke für die Domestication der Thiere. Zwischen der dadurch veranlassten Unfruchtbarkeit der Thiere und der der Bastarde bestehen manche Ähnlichkeiten. In beiden Fällen ist die Sterilität unabhängig von der Gesundheit im Allgemeinen und oft begleitet von excedierender Grösse und Üppigkeit. In beiden Fällen kommt die Unfruchtbarkeit in vielerlei Abstufungen vor; in beiden ist das männliche Element am meisten zu leiden geneigt, zuweilen aber das weibliche doch noch mehr als das männliche. In beiden geht diese Neigung bis zu gewisser Stufe gleichen Schritts mit der systematischen Verwandtschaft, denn ganze Gruppen von Pflanzen und Thieren werden durch dieselben unnatürlichen Bedingungen impotent, und ganze Gruppen von Arten neigen zur Hervorbringung unfruchtbarer Bastarde. Auf der andern Seite widersteht zuweilen eine einzelne Art in einer Gruppe grossen Veränderungen in den äusseren Bedingungen mit ungeschwächter Fruchtbarkeit, und gewisse Arten einer Gruppe liefern ungewöhnlich fruchtbare Bastarde. Niemand kann, ehe er es versucht hat, voraussagen, ob dieses oder jenes Thier in der Gefangenschaft und ob diese oder jene ausländische Pflanze während ihres Anbaues sich gut fortpflanzen wird, noch ob irgend welche zwei Arten einer Gattung mehr oder weniger sterile Bastarde miteinander hervorbringen werden. Endlich, wenn organische Wesen während mehrerer Generationen in für sie unnatürliche Verhältnisse versetzt werden, so sind sie ausserordentlich zu variieren geneigt, was, wie es scheint, zum Theil davon herrührt, dass ihre Reproductionssysteme besonders afficiert worden sind, obwohl in minderem Grade als wenn gänzliche Unfruchtbarkeit folgt. Ebenso ist es mit Bastarden; denn Bastarde sind in aufeinanderfolgenden Generationen sehr zu variieren geneigt, wie es jeder Züchter erfahren hat.
So sehen wir denn, dass, wenn organische Wesen in neue und unnatürliche Verhältnisse versetzt, und wenn Bastarde durch unnatürliche Kreuzung zweier Arten erzeugt werden, das Reproductionssystem ganz unabhängig von dem allgemeinen Zustande der Gesundheit in ganz ähnlicher Weise afficiert wird. In dem einen Falle sind die Lebensbedingungen gestört worden, obwohl oft nur in einem für uns nicht wahrnehmbaren Grade; in dem andern, bei den Bastarden nämlich, sind die äusseren Bedingungen unverändert geblieben, aber die Organisation ist dadurch gestört worden, dass[339] zwei verschiedene Besonderheiten der Structur und Constitution, natürlich mit Einschluss der Reproductivsysteme, zu einer einzigen verschmolzen sind. Denn es ist kaum möglich, dass zwei Organisationen in eine verbunden werden, ohne einige Störung in der Entwicklung oder in der periodischen Thätigkeit oder in den Wechselbeziehungen der verschiedenen Theile und Organe zu einander oder zu den Lebensbeziehungen zu veranlassen. Wenn Bastarde fähig sind, sich unter sich fortzupflanzen, so übertragen sie von Generation zu Generation auf ihre Nachkommen dieselbe Vereinigung zweier Organisationen, und wir dürfen daher nicht darüber erstaunen, dass ihre Unfruchtbarkeit, wenn auch einigem Schwanken unterworfen, nicht abnimmt, sondern eher noch zuzunehmen geneigt ist; diese Zunahme ist, wie früher erwähnt, allgemein das Resultat einer zu engen Inzucht. Die obige Ansicht, dass die Sterilität der Bastarde durch das Vermischen zweier Constitutionen zu einer verursacht sei, ist vor Kurzem sehr entschieden von MAX WICHURA vertreten worden.
Wir müssen indessen bekennen, dass wir weder nach dieser noch nach irgend einer andern Ansicht im Stande sind, gewisse Thatsachen in Bezug auf die Unfruchtbarkeit der Bastarde zu begreifen, wie z.B. die ungleiche Fruchtbarkeit der zweierlei Bastarde aus der Wechselkreuzung, oder die zunehmende Unfruchtbarkeit derjenigen Bastarde, welche zufällig oder ausnahmsweise einem ihrer beiden Eltern sehr ähnlich sind. Auch bilde ich mir nicht ein, mit den vorangehenden Bemerkungen der Sache auf den Grund gekommen zu sein; ich habe keine Erklärung dafür, warum ein Organismus unter unnatürlichen Lebensbedingungen unfruchtbar wird. Alles, was ich zu zeigen versucht habe, ist, dass in zwei in mancher Beziehung miteinander verwandten Fällen Unfruchtbarkeit das gemeinsame Resultat ist, in dem einen Falle, weil die äusseren Lebensbedingungen, und in dem andern, weil durch Verschmelzung zweier Organisationen in eine die Organisation oder Constitution gestört worden ist.
Ein ähnlicher Parallelismus gilt auch noch bei einer andern zwar verwandten, doch an sich sehr verschiedenen Reihe von Thatsachen. Es ist ein alter und fast allgemeiner Glaube, welcher auf einer Masse von, an einem andern Orte mitgetheilten Zeugnissen beruht, dass leichte Veränderungen in den äusseren Lebensbedingungen für alles Lebendige wohlthätig sind. Wir sehen daher Landwirthe und Gärtner beständig ihre Samen, Knollen u.s.w. austauschen,[340] sie aus einem Boden und Clima in's andere und wieder zurück versetzen. Während der Wiedergenesung von Thieren sehen wir sie oft grossen Vortheil aus beinahe einer jeden Veränderung in der Lebensweise ziehen. So sind auch bei Pflanzen und Thieren die deutlichsten Beweise dafür vorhanden, dass eine Kreuzung zwischen verschiedenen Individuen einer Art, welche bis zu einem gewissen Grade von einander abweichen, der Nachzucht Kraft und Fruchtbarkeit verleiht, und dass enge Inzucht zwischen den nächsten Verwandten einige Generationen lang fortgesetzt, zumal wenn dieselben unter gleichen Lebensbedingungen gehalten werden, beinahe immer zu Grössenabnahme, Schwäche oder Unfruchtbarkeit führt.
So scheint es mir denn, dass einerseits geringe Veränderungen in den Lebensbedingungen allen organischen Wesen vortheilhaft sind; und dass andererseits schwache Kreuzungen, nämlich solche zwischen Männchen und Weibchen derselben Art, welche unbedeutend verschiedenen Bedingungen ausgesetzt gewesen sind oder unbedeutend variiert haben, der Nachkommenschaft Kraft und Stärke verleihen. Dagegen haben wir gesehen, dass bedeutendere Veränderungen der Verhältnisse die Organismen, welche lange Zeit an gewisse gleichförmige Lebensbedingungen im Naturzustande gewöhnt waren, oft in gewissem Grade unfruchtbar machen, wie wir auch wissen, dass Kreuzungen zwischen sehr weit oder specifisch verschieden gewordenen Männchen und Weibchen Bastarde hervorbringen, die beinahe immer einigermassen unfruchtbar sind. Ich bin vollständig davon überzeugt, dass dieser Parallelismus durchaus nicht auf einem blossen Zufalle oder einer Täuschung beruht. Wer zu erklären im Stande ist, warum der Elephant und eine Menge anderer Thiere unfähig sind, sich bei nur theilweiser Gefangenschaft in ihrem Heimathlande fortzupflanzen, wird auch die primäre Ursache dafür anzugeben im Stande sein, dass Bastarde so allgemein unfruchtbar sind. Er wird gleichzeitig zu erklären vermögen, woher es kömmt, dass die Rassen einiger unserer domesticierten Thiere, welche häufig neuen und nicht gleichförmigen Bedingungen ausgesetzt worden sind, völlig fruchtbar miteinander sind, trotzdem sie von verschiedenen Arten abstammen, welche wahrscheinlich bei einer ursprünglichen Kreuzung unfruchtbar gewesen sein werden. Beide obige Reihen von Thatsachen scheinen durch ein gemeinsames, aber unbekanntes Band miteinander verkettet zu sein, welches mit dem Lebensprincipe seinem Wesen nach zusammenhängt; das Princip ist, wie HERBERT SPENCER bemerkt hat, dies, dass das Leben von der beständigen[341] Wirkung und Gegenwirkung verschiedener Kräfte abhängt oder dass es in einer solchen besteht, welche Kräfte wie überall in der Natur stets nach Gleichgewicht streben; wird dies Streben durch irgend eine Veränderung leicht gestört, so gewinnen die Lebenskräfte wieder an Stärke.
Dieser Gegenstand mag hier kurz erörtert werden; wir werden sehen, dass er ein ziemliches Licht auf die Lehre von der Bastardierung wirft. Mehrere zu verschiedenen Ordnungen gehörende Pflanzen bieten zwei, in ungefähr gleicher Zahl zusammen vorkommende Formen dar, welche in keiner andern Beziehung, nur in ihren Reproductionsorganen verschieden sind; die eine Form hat ein langes Pistill und kurze Staubfäden, die andere ein kurzes Pistill mit langen Staubfäden, beide mit verschieden grossen Pollenkörnern. Bei trimorphen Pflanzen sind drei Formen vorhanden, welche gleicher Weise in der Länge ihrer Pistille und Staubfäden, in der Grösse und Farbe ihrer Pollenkörner und in einigen anderen Beziehungen verschieden sind; und da es in jeder dieser drei Formen zwei Sorten Staubfäden gibt, so sind zusammen sechs Arten von Staubfäden und drei Arten Pistille vorhanden. Diese Organe sind in ihrer Länge einander so proportioniert, dass die Hälfte der Staubfäden in zwei dieser Formen in gleicher Höhe mit dem Stigma der dritten Form steht. Nun habe ich gezeigt, und das Resultat haben andere Beobachter bestätigt, dass es, um vollständige Fruchtbarkeit bei diesen Pflanzen zu erreichen, nöthig ist, die Narbe der einen Form mit Pollen aus den Staubfäden der correspondierenden Höhe in der andern Form zu befruchten. So sind bei dimorphen Arten zwei Begattungen, die man legitime nennen kann, völlig fruchtbar und zwei, welche man illegitim nennen kann, mehr oder weniger unfruchtbar. Bei trimorphen Arten sind sechs Begattungen legitim oder vollständig fruchtbar und zwölf sind illegitim oder mehr oder weniger unfruchtbar.
Die Unfruchtbarkeit, welche bei verschiedenen dimorphen und trimorphen Pflanzen nach illegitimer Befruchtung beobachtet wird, d.h. wenn sie mit Pollen aus Staubfäden befruchtet werden, die in ihrer Höhe nicht dem Pistill entsprechen, ist dem Grade nach sehr verschieden bis zu absoluter und äusserster Sterilität, genau in derselben Art, wie sie beim Kreuzen verschiedener Arten vorkömmt. Wie der Grad der Sterilität im letztern Falle in einem hervorragenden[342] Grade davon abhängt, ob die Lebensbedingungen mehr oder weniger günstig sind, so habe ich es auch bei illegitimen Begattungen gefunden. Es ist bekannt, dass, wenn Pollen einer verschiedenen Art auf die Narbe einer Blüthe, und später, selbst nach einem beträchtlichen Zwischenraum, ihr eigener Pollen auf dieselbe Narbe gebracht wird, dessen Wirkung so stark überwiegend ist, dass er den Effect des fremden Pollens gewöhnlich vernichtet; dasselbe ist der Fall mit dem Pollen der verschiedenen Formen derselben Art: legitimer Pollen ist stark überwiegend über illegitimen, wenn beide auf dieselbe Narbe gebracht werden. Ich ermittelte dies dadurch, dass ich mehrere Blüthen erst illegitim und vierundzwanzig Stunden darauf legitim mit Pollen einer eigenthümlich gefärbten Varietät befruchtete; alle Sämlinge waren ähnlich gefärbt. Dies zeigt, dass der, wenn auch vierundzwanzig Stunden später aufgetragene legitime Pollen die Wirksamkeit des vorher aufgetragenen illegitimen Pollens gänzlich zerstört oder gehindert hatte. Wie ferner bei dem Anstellen wechselseitiger Kreuzungen zwischen zwei Species zuweilen eine grosse Verschiedenheit im Resultat auftritt, so kommt auch etwas Analoges bei trimorphen Pflanzen vor. So wurde z.B. die Form mit mittellangem Griffel von Lythrum salicaria in grösster Leichtigkeit von dem Pollen aus den längeren Staubfäden der kurzgriffligen Form illegitim befruchtet und ergab viele Samenkörner; die letztere Form aber ergab nicht ein einziges Samenkorn, wenn sie mit Pollen aus den längeren Staubfäden der mittelgriffligen Form befruchtet wurde.
In all' diesen Beziehungen, sowie in anderen, welche noch hätten angeführt werden können, verhalten sich die verschiedenen Formen einer und derselben unzweifelhaften Art nach illegitimer Begattung genau ebenso wie zwei verschiedene Arten nach ihrer Kreuzung. Dies veranlasste mich, vier Jahre hindurch sorgfältig viele Sämlinge zu beobachten, die das Resultat mehrerer illegitimer Begattungen waren. Das hauptsächlichste Ergebnis ist, dass diese illegitimen Pflanzen, wie sie genannt werden können, nicht vollkommen fruchtbar sind. Es ist möglich, von dimorphen Arten illegitim sowohl lang- als kurzgrifflige Arten zu erzielen, ebenso von trimorphen illegitim alle drei Formen. Diese können dann in legitimer Weise gehörig begattet werden. Ist dies geschehen, so sieht man keinen rechten Grund, warum sie nach legitimer Befruchtung nicht ebenso viel Samen liefern sollten, wie ihre Eltern bei legitimer Verbindung. Dies ist aber nicht der Fall; sie sind alle, aber in verschiedenem[343] Grade unfruchtbar; einige sind so völlig unheilbar steril, dass sie durch vier Sommer nicht einen Samen, nicht einmal eine Samenkapsel ergaben. Die Unfruchtbarkeit dieser illegitimen Pflanzen, wenn sie auch in legitimer Weise miteinander begattet werden, kann vollständig mit der Unfruchtbarkeit untereinander gekreuzter Bastarde verglichen werden. Wird andererseits ein Bastard mit einer der reinen Stammarten gekreuzt, so wird gewöhnlich die Sterilität um vieles vermindert; so ist es auch, wenn eine illegitime Pflanze von einer legitimen befruchtet wird. In derselben Weise, wie die Sterilität der Bastarde nicht immer der Schwierigkeit der ersten Kreuzung ihrer Mutterarten parallel geht, so war auch die Sterilität gewisser illegitimer Pflanzen ungewöhnlich gross, während die Unfruchtbarkeit der Begattung, der sie entsprungen, durchaus nicht gross war. Bei aus einer und derselben Samenkapsel erzogenen Bastarden ist der Grad der Unfruchtbarkeit von sich aus variabel; so ist es auch in auffallender Weise bei illegitimen Pflanzen. Endlich blühen viele Bastarde beständig und ausserordentlich stark, während andere und sterilere Bastarde wenig Blüthen producieren und schwache elende Zwerge sind; genau ähnliche Fälle kommen bei den illegitimen Nachkommen verschiedener dimorpher und trimorpher Pflanzen vor.
Es besteht überhaupt die engste Identität in Character und Verhalten zwischen illegitimen Pflanzen und Bastarden. Es ist kaum übertrieben zu behaupten, dass illegitime Pflanzen Bastarde sind, aber innerhalb der Grenzen einer Species durch unpassende Begattung gewisser Formen erzeugt, während gewöhnliche Bastarde durch unpassende Begattung sogenannter distincter Arten erzeugt sind. Wir haben auch bereits gesehen, dass in allen Beziehungen zwischen ersten illegitimen Begattungen und ersten Kreuzungen distincter Arten die grösste Ähnlichkeit besteht. Alles dies wird vielleicht durch ein Beispiel noch deutlicher. Nehmen wir an, ein Botaniker fände zwei auffallende Varietäten (und solche kommen vor) der langgriffligen Form des trimorphen Lythrum salicaria, und er entschlösse sich, durch eine Kreuzung zu versuchen, ob dieselben specifisch verschieden seien. Er würde finden, dass sie nur ungefähr ein Fünftel der normalen Zahl von Samen liefern und dass sie sich in allen übrigen oben angeführten Beziehungen so verhielten, als wären sie zwei distincte Arten. Um indessen sicher zu gehen, würde er aus seinen für verbastardiert gehaltenen Samen Pflanzen erziehen und würde finden, dass die Sämlinge elende[344] Zwerge und völlig steril sind und sich in allen übrigen Beziehungen wie gewöhnliche Bastarde verhalten. Er würde dann behaupten, dass er im Einklang mit der gewöhnlichen Ansicht bewiesen habe, dass diese zwei Varietäten so gute und distincte Arten seien wie irgend welche in der Welt; er würde sich aber darin vollkommen geirrt haben.
Die hier mitgetheilten Thatsachen von dimorphen und trimorphen Pflanzen sind von Bedeutung, weil sie uns erstens zeigen, dass die physiologische Probe verringerter Fruchtbarkeit, sowohl bei ersten Kreuzungen als bei Bastarden, kein sicheres Criterium specifischer Verschiedenheit ist; zweitens, weil wir dadurch zu dem Schlusse veranlasst werden, dass es ein unbekanntes Band oder Gesetz gibt, welches die Unfruchtbarkeit illegitimer Begattungen mit der Unfruchtbarkeit ihrer illegitimen Nachkommenschaft in Verbindung bringt, und wir veranlasst werden, diese Ansicht auf erste Kreuzungen und Bastarde auszudehnen; drittens, weil wir finden (und das scheint mir von besonderer Bedeutung zu sein), dass von derselben Art zwei oder drei Formen existieren und durchaus in gar keiner Beziehung weder im Bau noch in der Constitution in Beziehung auf äussere Lebensbedingungen von einander abweichen können, dass sie aber dennoch unfruchtbar sind, wenn sie auf gewisse Weise begattet werden. Denn wir müssen uns erinnern, dass es die Verbindung der Sexualelemente von Individuen der nämlichen Form, z.B. der beiden langgriffligen Formen ist, welche in Sterilität ausgeht; während die Verbindung der, zwei verschiedenen Formen eigenen Sexualelemente fruchtbar ist. Es scheint daher auf den ersten Blick der Fall gerade das Umgekehrte von dem zu sein, was bei der gewöhnlichen Verbindung von Individuen einer und derselben Species und bei Kreuzungen zwischen verschiedenen Species eintritt. Es ist indessen zweifelhaft, ob dies wirklich der Fall ist; und ich will mich bei diesem dunklen Gegenstand nicht länger aufhalten.
Nach der Betrachtung dimorpher und trimorpher Pflanzen können wir es indess als wahrscheinlich ansehen, dass die Unfruchtbarkeit distincter Arten bei ihrer Kreuzung und deren hybrider Nachkommen ausschliesslich von der Natur ihrer Sexualelemente und nicht von irgend welcher allgemeinen Verschiedenheit in ihrem Bau oder ihrer Constitution abhängt. Wir werden in der That zu demselben Schlusse durch die Betrachtung wechselseitiger Kreuzungen zweier Arten geführt, bei denen das Männchen der[345] einen mit dem Weibchen der andern Art nicht oder nur mit grosser Schwierigkeit gepaart werden kann, während die umgekehrte Kreuzung mit vollkommener Leichtigkeit ausgeführt werden kann. GÄRTNER, ein ausgezeichneter Beobachter, kam gleichfalls zu dem Schlusse, dass gekreuzte Arten in Folge von Verschiedenheiten, die auf ihre Reproductionsorgane beschränkt sind, steril sind.
Man könnte uns als einen überwältigenden Beweisgrund entgegenhalten, es müsse irgend ein wesentlicher Unterschied zwischen Arten und Varietäten bestehen, da ja Varietäten, wenn sie in ihrer äussern Erscheinung auch noch so sehr auseinander gehen, sich doch mit vollkommener Leichtigkeit kreuzen und vollkommen fruchtbare Nachkommen liefern. Ich gebe mit einigen sogleich nachzuweisenden Ausnahmen vollkommen zu, dass dies die Regel ist. Der Gegenstand bietet aber noch grosse Schwierigkeiten dar; denn wenn wir die in der Natur vorkommenden Varietäten betrachten, so werden, sobald zwei bisher als Varietäten angesehene Formen sich einigermassen steril miteinander zeigen, dieselben von den meisten Naturforschern sogleich zu Arten erhoben. So sind z.B. die rothe und blaue Anagallis, welche die meisten Botaniker für blosse Varietäten halten, nach GÄRTNER bei der Kreuzung vollkommen steril und werden deshalb von ihm als unzweifelhafte Arten bezeichnet. Wenn wir in solcher Weise im Zirkel schliessen, so muss die Fruchtbarkeit aller im Naturzustande entstandenen Varietäten als erwiesen angesehen werden.
Wenden wir uns zu den erwiesener oder vermutheter Massen im Culturstande erzeugten Varietäten, so werden wir auch hier in Zweifel verwickelt. Denn wenn es z.B. feststeht, dass gewisse in Süd-America einheimische Haushunde sich nicht leicht mit europäischen Hunden kreuzen, so ist die Erklärung, welche Jedem einfallen wird und wahrscheinlich auch die richtige ist, die, dass diese Hunde von ursprünglich verschiedenen Arten abstammen. Demungeachtet ist die vollkommene Fruchtbarkeit so vieler domesticierten Varietäten, die in ihrem äussern Ansehen so weit von einander verschieden sind, wie z.B. die der Tauben oder die des Kohles, eine merkwürdige Thatsache, besonders wenn wir erwägen, wie zahlreiche Arten es gibt, welche, trotzdem sie einander sehr ähnlich sind, doch bei der Kreuzung ganz unfruchtbar miteinander sind.[346] Verschiedene Betrachtungen jedoch lassen die Fruchtbarkeit der domesticierten Varietäten weniger merkwürdig erscheinen. Es lässt sich zunächst beobachten, dass der Grad äusserlicher Unähnlichkeit zweier Arten kein sicheres Zeichen für den Grad der Unfruchtkeit bei ihrer Kreuzung ist, so dass ähnliche Verschiedenheiten bei Varietäten auch kein sicheres Zeichen sein dürften. Es ist gewiss, dass bei Arten die Ursache ausschliesslich in Verschiedenheiten ihrer geschlechtlichen Constitution liegt. Die verschiedenartigen Bedingungen nun, welchen domesticierte Thiere und cultivierte Pflanzen ausgesetzt worden sind, haben so wenig eine Tendenz das Reproductionssystem in einer Weise zu modificieren, welche zur wechselseitigen Unfruchtbarkeit führt, dass wir wohl Grund haben, gerade das directe Gegentheil hiervon, die Theorie PALLAS', anzunehmen, dass nämlich solche Bedingungen allgemein jene Neigung eliminieren; so dass also die domesticierten Nachkommen von Arten, welche in ihrem Naturzustande in einem gewissen Grade unfruchtbar bei ihrer Kreuzung gewesen sein dürften, vollkommen fruchtbar miteinander werden. Bei Pflanzen führt die Cultur so wenig eine Neigung zur Unfruchtbarkeit distincter Species herbei, dass in mehreren bereits erwähnten wohl beglaubigten Fällen gewisse Pflanzen gerade in einer entgegengesetzten Art und Weise afficiert worden sind; sie sind nämlich selbst impotent geworden, während sie die Fähigkeit, andere Arten zu befruchten und von anderen Arten befruchtet zu werden, noch immer beibehalten haben. Wenn die PALLAS'sche Theorie von der Elimination der Unfruchtbarkeit durch lange fortgesetzte Domestication angenommen wird, – und sie kann kaum zurückgewiesen werden – , so wird es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass lange Zeit ähnlich bleibende Lebensbedingungen gleichfalls diese Neigung herbeiführen sollten; doch könnte in gewissen Fällen bei Species mit eigenthümlicher Constitution gelegentlich Unfruchtbarkeit dadurch herbeigeführt werden. Auf diese Weise können wir, wie ich glaube, einsehen, warum bei domesticierten Thieren keine Varietäten produciert worden sind, welche wechselseitig unfruchtbar sind und warum bei Pflanzen nur wenig derartige, sofort zu besprechende Fälle beobachtet worden sind.
Die wirkliche Schwierigkeit bei dem vorliegenden Gegenstande liegt, wie mir scheint, nicht darin, dass domesticierte Varietäten nicht wechselseitig unfruchtbar bei ihrer Kreuzung geworden sind, sondern darin, dass dies so allgemein bei natürlichen Varietäten eingetreten ist, sobald sie in hinreichendem Grade und so ausdauernd[347] modificiert worden sind, um als Species betrachtet zu werden. Wir kennen hiervon durchaus nicht genau die Ursache; auch ist dies nicht überraschend, wenn wir sehen, wie völlig unwissend wir in Bezug auf die normale und abnorme Thätigkeit des Reproductivsystems sind. Wir können aber sehen, dass Species in Folge ihres Kampfes um die Existenz mit zahlreichen Concurrenten während langer Zeiträume gleichförmigeren Bedingungen ausgesetzt gewesen sein müssen, als domesticierte Varietäten; und dies kann wohl eine beträchtliche Verschiedenheit im Resultate herbeiführen. Denn wir wissen, wie ganz gewöhnlich wilde Thiere und Pflanzen, wenn sie aus ihren natürlichen Bedingungen herausgenommen und in Gefangenschaft gehalten werden, unfruchtbar gemacht werden; und die reproductiven Functionen organischer Wesen, welche immer unter natürlichen Bedingungen gelebt haben, werden wahrscheinlich in gleicher Weise für den Einfluss einer unnatürlichen Kreuzung äusserst empfindlich sein. Auf der andern Seite waren aber domesticierte Erzeugnisse, wie schon die blosse Thatsache ihrer Domestication zeigt, nicht ursprünglich in hohem Grade gegen Veränderungen in ihren Lebensbedingungen empfindlich und können jetzt allgemein mit unverminderter Fruchtbarkeit wiederholten Veränderungen der Bedingungen widerstehen; es konnte daher erwartet werden, dass sie Varietäten hervorbrächten, deren Reproductionsvermögen durch den Act der Kreuzung mit anderen Varietäten, die in gleicher Weise entstanden sind, nicht leicht schädlich beeinflusst werden würde.
Ich habe bis jetzt so gesprochen, als ob die Varietäten einer nämlichen Art bei der Kreuzung unabänderlich fruchtbar wären. Es ist aber unmöglich, sich den Zeugnissen für das Dasein eines gewissen Masses von Unfruchtbarkeit in den folgenden wenigen Fällen zu verschliessen, die ich kurz anführen will. Der Beweis ist wenigstens eben so gut wie derjenige, welcher uns an die Unfruchtbarkeit einer Menge von Arten glauben macht, und er ist auch von gegnerischen Zeugen entlehnt, die in allen anderen Fällen Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit als sichere Beweise specifischer Verschiedenheit betrachten. GÄRTNER hielt einige Jahre lang eine Sorte Zwergmais mit gelben und eine grosse Varietät mit rothen Samen, welche nahe beisammen in seinem Garten wuchsen; und obwohl diese Pflanzen getrennten Geschlechtes sind, so kreuzten sie sich doch nie von selbst miteinander. Er befruchtete dann dreizehn Blüthen des einen mit dem Pollen des andern; aber nur[348] ein einziger Kolben gab einige Samen und zwar nur fünf Körner. Die Behandlungsweise kann in diesem Falle nicht schädlich gewesen sein, indem die Pflanzen getrennte Geschlechter haben. Noch Niemand hat meines Wissens diese zwei Varietäten von Mais für verschiedene Arten angesehen; und es ist wesentlich zu bemerken, dass die aus ihnen erzogenen Blendlinge selbst vollkommen fruchtbar waren, so dass auch GÄRTNER selbst nicht wagte, jene Varietäten für zwei verschiedene Arten zu erklären.
GIROU DE BUZAREINGUES kreuzte drei Varietäten von Gurken miteinander, welche wie der Mais getrennten Geschlechtes sind, und versichert ihre gegenseitige Befruchtung sei um so weniger leicht, je grösser ihre Verschiedenheit. In wie weit diese Versuche Vertrauen verdienen, weiss ich nicht; aber die drei zu denselben benützten Formen sind von SAGERET, welcher sich bei seiner Unterscheidung der Arten hauptsächlich auf die Unfruchtbarkeit stützt, als Varietäten aufgestellt worden, und NAUDIN ist zu demselben Schlusse gelangt.
Weit merkwürdiger und anfangs fast unglaublich erscheint der folgende Fall: jedoch ist er das Resultat einer ganz ausserordentlichen Zahl viele Jahre lang an neun Verbascum-Arten fortgesetzter Versuche, welche hier noch um so höher in Anschlag zu bringen sind, als sie von GÄRTNER herrühren, der ein ebenso vortrefflicher Beobachter als entschiedener Gegner ist: es ist dies die Thatsache, dass die gelben und die weissen Varietäten der nämlichen Verbascum-Arten bei der Kreuzung miteinander weniger Samen geben, als jede derselben liefern, wenn sie mit Pollen aus Blüthen von ihrer eigenen Farbe befruchtet werden. Er versichert ausserdem, dass, wenn gelbe und weisse Varietäten einer Art mit gelben und weissen Varietäten einer andern Art gekreuzt werden, man mehr Samen erhält, wenn man die gleichfarbigen als wenn man die ungleichfarbigen Varietäten miteinander paart. Auch SCOTT hat mit den Arten und Varietäten von Verbascum Versuche angestellt, und obgleich er nicht im Stande war, GÄRTNER'S Resultate über das Kreuzen distincter Arten zu bestätigen, so findet er doch, dass die ungleich gefärbten Varietäten derselben Art weniger Samen ergeben (im Verhältnis von 86 zu 100), als die ähnlich gefärbten Varietäten. Und doch weichen diese Varietäten in keiner andern Beziehung als in der Farbe ihrer Blüthen von einander ab, und eine Varietät lässt sich zuweilen aus dem Samen der andern erziehen.
KÖLREUTER, dessen Genauigkeit durch jeden späteren Beobachter[349] bestätigt worden ist, hat die merkwürdige Thatsache nachgewiesen, dass eine eigenthümliche Varietät des gemeinen Tabaks, wenn sie mit einer ganz andern ihr weit entfernt stehenden Species gekreuzt wird, fruchtbarer ist als die anderen Varietäten. Er machte mit fünf Formen Versuche, welche allgemein für Varietäten gelten, was er auch durch die strengste Probe, nämlich durch Wechselkreuzungen bewies, und fand, dass die Blendlinge vollkommen fruchtbar waren. Doch gab eine dieser fünf Varietäten, mochte sie nun als Vater oder Mutter mit in's Spiel kommen, bei der Kreuzung mit Nicotiana glutinosa stets minder unfruchtbare Bastarde, als die vier anderen Varietäten bei Kreuzung mit Nicotiana glutinosa gaben. Es muss daher das Reproductionssystem dieser einen Varietät in irgend einer Weise und in irgend einem Grade modificiert gewesen sein.
Nach diesen Thatsachen kann nicht länger mehr behauptet werden, dass Varietäten bei ihrer Kreuzung unabänderlich völlig fruchtbar sind. Bei der grossen Schwierigkeit, die Unfruchtbarkeit der Varietäten im Naturzustande zu bestätigen, weil jede bei der Kreuzung nur in irgend einem Grade etwas unfruchtbare Varietät alsbald allgemein für eine Species erklärt werden würde, sowie in Folge des Umstandes, dass der Mensch bei seinen domesticierten Varietäten nur auf die äusseren Charactere sieht, und da solche Varietäten keine sehr lange Zeit hindurch gleichförmigen Lebensbedingungen ausgesetzt worden sind: – nach all' diesen Betrachtungen können wir schliessen, dass die Fruchtbarkeit bei Kreuzungen keinen fundamentalen Unterscheidungsgrund zwischen Varietäten und Arten abgibt. Die allgemeine Unfruchtbarkeit gekreuzter Arten kann getrost nicht als etwas besonders Erlangtes, oder als eine besondere Begabung, sondern als etwas mit Veränderungen unbekannter Natur in ihren Sexualelementen Zusammenhängendes betrachtet werden.
Die Nachkommen miteinander gekreuzter Arten und gekreuzter Varietäten lassen sich unabhängig von der Frage nach ihrer Fruchtbarkeit noch in mehreren anderen Beziehungen miteinander vergleichen. GÄRTNER, dessen vorwiegendes Bestreben darauf gerichtet war, eine scharfe Unterscheidungslinie zwischen Arten und Varietäten zu ziehen, konnte nur sehr wenige, und wie es mir scheint nur ganz[350] unwesentliche Unterschiede zwischen den sogenannten Bastarden der Arten und den sogenannten Blendlingen der Varietäten auffinden, wogegen sie sich in vielen anderen wesentlichen Beziehungen vollkommen gleichen.
Ich werde diesen Gegenstand hier nur mit äusserster Kürze erörtern. Der wichtigste Unterschied ist der, dass in der ersten Generation Blendlinge veränderlicher als Bastarde sind; doch gibt GÄRTNER zu, dass Bastarde von bereits lange cultivierten Arten in der ersten Generation oft variabel sind, und ich selbst habe auffallende Belege für diese Thatsache gesehen. GÄRTNER gibt ferner zu, dass Bastarde zwischen sehr nahe verwandten Arten veränderlicher sind, als die von sehr weit auseinanderstehenden; und daraus ergibt sich, dass die Verschiedenheit im Grade der Veränderlichkeit stufenweise abnimmt. Werden Blendlinge und die fruchtbareren Bastarde mehrere Generationen lang fortgepflanzt, so ist es notorisch, in welch' ausserordentlichem Masse die Nachkommen in beiden Fällen veränderlich sind; dagegen lassen sich aber einige wenige Fälle anführen, wo Bastarde sowohl als Blendlinge ihren einförmigen Character lange Zeit behauptet haben. Es ist indessen die Veränderlichkeit der Blendlinge in den aufeinanderfolgenden Generationen doch vielleicht grösser als bei den Bastarden.
Diese grössere Veränderlichkeit der Blendlinge den Bastarden gegenüber scheint mir in keiner Weise überraschend zu sein. Denn die Eltern der Blendlinge sind Varietäten und meistens domesticierte Varietäten (da nur sehr wenige Versuche mit natürlichen Varietäten angestellt worden sind); und dies schliesst ein, dass ihre Veränderlichkeit noch eine neue ist, welche oft noch fortdauern und die schon aus der Kreuzung entspringende erhöhen wird. Der geringe Grad von Variabilität bei Bastarden in erster Generation im Gegensatze zu ihrer Veränderlichkeit in späteren Generationen ist eine eigenthümliche und Beachtung verdienende Thatsache; denn sie führt zu der Ansicht, die ich mir über eine der Ursachen der gewöhnlichen Variabilität gebildet habe, wonach diese nämlich davon abhängt, dass das Reproductionssystem, da es für jede Veränderung in den Lebensbedingungen äusserst empfindlich ist, unter diesen Umständen für seine eigentliche Function, mit der elterlichen Form übereinstimmende Nachkommen zu erzeugen, unfähig gemacht wird. Nun rühren die in erster Generation gebildeten Bastarde von Arten her (mit Ausschluss der lange cultivierten), deren Reproductionssysteme in keiner Weise afficiert worden waren, und sie sind nicht[351] veränderlich; aber Bastarde selbst haben ein bedeutend afficiertes Reproductionssystem, und ihre Nachkommen sind sehr veränderlich.
Doch kehren wir zur Vergleichung der Blendlinge und Bastarde zurück. GÄRTNER behauptet, dass Blendlinge mehr als Bastarde geneigt seien, wieder in eine der elterlichen Formen zurückzuschlagen; doch ist diese Verschiedenheit, wenn die Angabe richtig ist, gewiss nur eine gradweise. GÄRTNER gibt überdies ausdrücklich an, dass Bastarde lang cultivierter Pflanzen mehr zum Rückschlag geneigt sind, als Bastarde von Arten im Naturzustande; und dies erklärt wahrscheinlich die eigenthümlichen Verschiedenheiten in den Resultaten verschiedener Beobachter. So zweifelt MAX WICHURA daran, ob Bastarde überhaupt je in ihre Stammformen zurückschlagen; und er experimentierte mit nicht cultivierten Arten von Weiden; während andererseits NAUDIN in der stärksten Weise die fast allgemeine Neigung zum Rückschlag bei Bastarden betont; und er experimentierte hauptsächlich mit cultivierten Pflanzen. GÄRTNER führt ferner an, dass, wenn zwei obgleich sehr nahe miteinander verwandte Arten mit einer dritten gekreuzt werden, deren Bastarde doch weit von einander verschieden sind, während, wenn zwei sehr verschiedene Varietäten einer Art mit einer andern Art gekreuzt werden, deren Bastarde unter sich nicht sehr verschieden sind. Dieser Schluss ist jedoch, so viel ich zu ersehen im Stande bin, nur auf einen einzigen Versuch gegründet und scheint den Erfahrungen geradezu entgegengesetzt zu sein, welche KÖLREUTER bei mehreren Versuchen gemacht hat.
Dies allein sind die an sich unwesentlichen Verschiedenheiten, welche GÄRTNER zwischen Bastarden und Blendlingen von Pflanzen auszumitteln im Stande gewesen ist. Auf der andern Seite folgen aber auch nach GÄRTNER die Grade und Arten der Ähnlichkeit der Bastarde und Blendlinge mit ihren bezüglichen Eltern, und insbesondere bei von nahe verwandten Arten entsprungenen Bastarden den nämlichen Gesetzen. Wenn zwei Arten gekreuzt werden, so zeigt zuweilen eine derselben ein überwiegendes Vermögen, eine Ähnlichkeit mit ihr dem Bastarde aufzuprägen, und so ist es, wie ich glaube, auch mit Pflanzenvarietäten. Bei Thieren besitzt gewiss oft eine Varietät dieses überwiegende Vermögen über eine andere. Die beiderlei Bastardpflanzen aus einer Wechselkreuzung gleichen einander gewöhnlich sehr, und so ist es auch mit den zweierlei Blendlings-Pflanzen aus Wechselkreuzungen. Bastarde sowohl als Blendlinge können wieder in jede der zwei elterlichen Formen zurückgeführt[352] werden, wenn man sie in aufeinanderfolgenden Generationen wiederholt mit der einen ihrer Stammformen kreuzt.
Diese verschiedenen Bemerkungen lassen sich offenbar auch auf Thiere anwenden; doch wird hier der Gegenstand ausserordentlich verwickelt, theils in Folge vorhandener secundärer Sexualcharactere und theils insbesondere in Folge des gewöhnlich bei einem von beiden Geschlechtern überwiegenden Vermögens sein Bild dem Nachkommen aufzuprägen, sowohl wo Arten mit Arten, als wo Varietäten mit Varietäten gekreuzt werden. So glaube ich z.B., dass diejenigen Schriftsteller Recht haben, welche behaupten, der Esel besitze ein derartiges Übergewicht über das Pferd, dass sowohl Maulesel als Maulthier mehr dem Esel als dem Pferde gleichen; dass jedoch dieses Übergewicht noch mehr bei dem männlichen als dem weiblichen Esel hervortrete, daher der Maulesel als der Bastard von Eselhengst und Pferdestute dem Esel mehr als das Maulthier gleiche, welches das Pferd zum Vater und eine Eselin zur Mutter hat.
Einige Schriftsteller haben viel Gewicht auf die vermeintliche Thatsache gelegt, dass es nur bei Blendlingen vorkomme, dass diese nicht einen mittlern Character haben, sondern einem ihrer Eltern ausserordentlich ähnlich seien; doch kommt dies auch bei Bastarden, wenn gleich, wie ich zugebe, viel weniger häufig als bei Blendlingen, vor. Was die von mir gesammelten Fälle gekreuzter Thiere betrifft, welche einer der zwei elterlichen Formen sehr ähnlich gewesen sind, so scheint sich diese Ähnlichkeit vorzugsweise auf in ihrer Art beinahe monströse und plötzlich aufgetretene Charactere zu beschränken, wie Albinismus, Melanismus, Fehlen des Schwanzes oder der Hörner oder Überzahl der Finger und Zehen, und steht in keiner Beziehung zu den durch Zuchtwahl langsam entwickelten Merkmalen. Demzufolge wird auch eine Neigung plötzlicher Rückkehr zu dem vollkommenen Character eines der zwei elterlichen Typen bei Blendlingen, welche von oft plötzlich entstandenen und ihrem Character nach halbmonströsen Varietäten abstammen, leichter vorkommen, als bei Bastarden, die von langsam und auf natürliche Weise gebildeten Arten herrühren. Im Ganzen aber bin ich der Meinung von PROSPER LUCAS, welcher nach der Musterung einer ungeheuren Menge von Thatsachen in Bezug auf Thiere zu dem Schlusse gelangt, dass die Gesetze der Ähnlichkeit zwischen Kindern und Eltern die gleichen sind, mögen nun beide Eltern mehr oder mögen sie weniger von einander verschieden sein, mögen sich[353] also Individuen einer und derselben oder verschiedener Varietäten oder ganz verschiedener Arten gepaart haben.
Es scheint sich, von der Frage über Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit ganz unabhängig, in allen anderen Beziehungen eine allgemeine und grosse Ähnlichkeit im Verhalten der Nachkommen gekreuzter Arten mit denen gekreuzter Varietäten zu ergeben. Bei der Annahme, dass die Arten einzeln erschaffen und die Varietäten erst durch secundäre Gesetze entwickelt worden sind, wird eine solche Ähnlichkeit als eine äusserst befremdende Thatsache erscheinen. Geht man aber von der Ansicht aus, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen Arten und Varietäten gar nicht vorhanden ist, so steht sie vollkommen mit derselben im Einklang.
Erste Kreuzungen sowohl zwischen Formen, welche hinreichend verschieden sind, um für Arten zu gelten, als auch zwischen ihren Bastarden sind sehr allgemein, aber nicht immer, unfruchtbar. Diese Unfruchtbarkeit findet in allen Abstufungen statt und ist oft so unbedeutend, dass die erfahrensten Experimentatoren zu mitunter schnurstracks entgegengesetzten Folgerungen gelangten, als sie die Formen danach ordnen wollten. Die Unfruchtbarkeit ist bei Individuen einer nämlichen Art von Haus aus variabel, und für die Einwirkung günstiger und ungünstiger Bedingungen ausserordentlich empfänglich. Der Grad der Unfruchtbarkeit richtet sich nicht genau nach systematischer Verwandtschaft, sondern wird von mehreren merkwürdigen und verwickelten Gesetzen beherrscht. Er ist gewöhnlich ungleich und oft sehr ungleich bei wechselseitiger Kreuzung der nämlichen zwei Arten. Er ist nicht immer von gleicher Stärke bei einer ersten Kreuzung und bei den aus dieser Kreuzung entspringenden Nachkommen.
In derselben Weise, wie beim Propfen der Bäume die Fähigkeit einer Art oder Varietät bei anderen anzuschlagen, mit meist ganz unbekannten Verschiedenheiten in ihren vegetativen Systemen zusammenhängt, so fällt bei Kreuzungen die grössere oder geringere Leichtigkeit einer Art, sich mit einer andern zu verbinden, mit unbekannten Verschiedenheiten in ihren Reproductionssystemen zusammen. Es ist daher nicht mehr Grund vorhanden, anzunehmen, dass von der Natur einer jeden Art ein verschiedener Grad von Sterilität in der Absicht, ihr gegenseitiges Durchkreuzen und Ineinanderlaufen zu verhüten, besonders verliehen sei, als zu glauben,[354] dass jeder Baumart ein verschiedener und etwas analoger Grad von Schwierigkeit, beim Verpropfen auf anderen Arten anzuschlagen, verliehen sei, um zu verhüten, dass sie nicht alle in unseren Wäldern miteinander verwachsen.
Die Unfruchtbarkeit erster Kreuzungen und deren hybrider Nachkommen ist nicht durch natürliche Zuchtwahl erworben worden. Bei ersten Kreuzungen scheint die Sterilität von verschiedenen Umständen abzuhängen: in einigen Fällen zum hauptsächlichsten Theile vom frühzeitigen Absterben des Embryos. Die Unfruchtbarkeit der Bastarde hängt augenscheinlich davon ab, dass ihre ganze Organisation durch Verschmelzung zweier Arten in eine gestört worden ist; die Sterilität ist derjenigen nahe verwandt, welche so oft reine Species befällt, wenn sie neuen und unnatürlichen Lebensbedingungen ausgesetzt werden. Wer diese letzteren Fälle erklärt, wird auch im Stande sein, die Sterilität der Bastarde zu erklären. Diese Ansicht wird noch durch einen Parallelismus anderer Art nachdrücklich unterstützt, dass nämlich erstens geringe Veränderungen in den Lebensbedingungen für Gesundheit und Fruchtbarkeit aller organischen Wesen vortheilhaft sind, und zweitens, dass die Kreuzung von Formen, welche unbedeutend verschiedenen Lebensbedingungen ausgesetzt gewesen sind oder welche variiert haben, die Grösse, Lebenskraft und Fruchtbarkeit ihrer Nachkommen begünstigt, während grössere Veränderungen oft nachtheilig sind. Die angeführten Thatsachen von Unfruchtbarkeit illegitimer Begattungen dimorpher und trimorpher Pflanzen und deren illegitimer Nachkommenschaft machen es vielleicht wahrscheinlich, dass in allen Fällen irgend ein unbekanntes Band den Grad der Fruchtbarkeit der ersten Paarung und der ihrer Abkömmlinge miteinander verknüpft. Die Betrachtung dieser Fälle von Dimorphismus, ebenso wie die Resultate wechselseitiger Kreuzungen führen uns offenbar zu dem Schlusse, dass die primäre Ursache der Sterilität gekreuzter Arten auf Verschiedenheiten in deren Sexualelementen beschränkt ist. Warum aber bei verschiedenen Arten die Sexualelemente so allgemein in einer zu gegenseitiger Unfruchtbarkeit führenden Weise modificiert worden sein mögen, wissen wir nicht; es scheint dies aber in irgend einer nahen Beziehung dazu zu stehen, dass Species lange Zeiträume hindurch nahezu gleichförmigen Lebensbedingungen ausgesetzt gewesen sind.
Es ist nicht überraschend, dass der Grad der Schwierigkeit, zwei Arten miteinander zu kreuzen und der Grad der Unfruchtbarkeit[355] ihrer Bastarde einander in den meisten Fällen entsprechen, selbst wenn sie von verschiedenen Ursachen herrühren, denn beide hängen von dem Masse irgend welcher Verschiedenheiten zwischen den gekreuzten Arten ab. Ebenso ist es nicht überraschend, dass die Leichtigkeit, eine erste Kreuzung zu bewirken, die Fruchtbarkeit der daraus entsprungenen Bastarde und die Fähigkeit wechselseitiger Aufeinanderpropfung, obwohl diese letzte offenbar von weit verschiedenen Ursachen abhängt, alle bis zu einem gewissen Grade mit der systematischen Verwandtschaft der Formen, welche bei den Versuchen in Anwendung gekommen sind, parallel gehen; denn mit dem Ausdrucke »systematische Affinität« will man alle Arten von Ähnlichkeit bezeichnen.
Erste Kreuzungen zwischen Formen, die als Varietäten gelten oder sich hinreichend gleichen, um dafür angesehen zu werden, und ihre Blendlinge sind sehr allgemein, aber nicht (wie sehr oft behauptet wird) ohne Ausnahme, fruchtbar. Doch ist diese nahezu allgemeine und vollkommene Fruchtbarkeit nicht befremdend, wenn wir uns erinnern, wie leicht wir hinsichtlich der Varietäten im Naturzustande in einen Zirkelschluss gerathen, und wenn wir uns in's Gedächtnis rufen, dass die grössere Anzahl der Varietäten im domesticierten Zustande durch Zuchtwahl blosser äusserer Verschiedenheiten hervorgebracht worden und nicht lange gleichförmigen Lebensbedingungen ausgesetzt gewesen sind. Auch darf man besonders nicht vergessen, dass lange anhaltende Domestication offenbar die Sterilität zu beseitigen strebt und daher diese selbe Eigenschaft kaum herbeizuführen in der Lage ist. Abgesehen von der Frage ihrer Fruchtbarkeit besteht zwischen Bastarden und Blendlingen in allen übrigen Beziehungen die engste allgemeine Ähnlichkeit, in ihrer Veränderlichkeit, in dem Vermögen, nach wiederholten Kreuzungen einander zu absorbieren, und in der Vererbung von Characteren beider Elternformen. Endlich scheinen mir die in diesem Capitel aufgezählten Thatsachen trotz unserer völligen Unbekanntschaft mit der wirklichen Ursache sowohl der Unfruchtbarkeit erster Kreuzungen und der Bastarde als auch der Erscheinung, dass Thiere und Pflanzen, wenn sie aus ihren natürlichen Bedingungen entfernt werden, unfruchtbar werden, doch nicht mit der Ansicht im Widerspruch zu stehen, dass Species ursprünglich Varietäten waren.[356]
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Über die Entstehung der Arten
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