Der soeben veröffentlichte Haager Kommissionsbericht über die geheime Allianz Michail Bakunins1 hat der Arbeiterwelt das geheime Treiben, die Schurkereien und das hohle Phrasengeklingel dargelegt, vermittelst dessen die proletarische Bewegung dem aufgeblähten Ehrgeiz und den selbstischen Zwecken einiger verkannten Genies dienstbar gemacht werden sollte. Inzwischen haben diese Gerngroßmänner uns in Spanien Gelegenheit gegeben, auch ihre praktische Revolutionstätigkeit kennenzulernen. Sehn wir, wie sie ihre ultrarevolutionären Phrasen von Anarchie und Selbstherrlichkeit, von Abschaffung aller Autorität, besonders der staatlichen, von sofortiger und vollständiger Emanzipation der Arbeiter verwirklichen. Wir sind dazu jetzt endlich imstande, da uns außer den Zeitungsberichten über die Ereignisse in Spanien jetzt auch der von der Neuen Madrider Föderation der Internationalen an den Genfer Kongreß eingesandte Bericht vorliegt.
Es ist bekannt, daß in Spanien bei der Spaltung der Internationalen die Mitglieder der geheimen Allianz die Oberhand behielten; weitaus die größere Mehrzahl der spanischen Arbeiter hing ihnen an. Als nun im Februar 1873 die Republik proklamiert wurde, kamen die spanischen Allianzisten in eine sehr schwierige Lage. Spanien ist ein in der Industrie so sehr zurückgebliebenes Land, daß dort von einer sofortigen vollständigen Emanzipation der[476] Arbeiterklasse noch gar nicht die Rede sein kann. Ehe es dahin kommt, muß Spanien noch verschiedne Vorstufen der Entwicklung durchmachen und eine ganze Reihe von Hindernissen aus dem Wege räumen. Den Verlauf dieser Vorstufen in die kürzestmögliche Zeitdauer zusammenzudrängen, diese Hindernisse rasch zu beseitigen – dazu bot die Republik die Gelegenheit. Diese Gelegenheit konnte aber nur benutzt werden durch tätiges politisches Eingreifen der spanischen Arbeiterklasse. Dies fühlte die Masse der Arbeiter; sie drang überall darauf, daß man sich an den Ereignissen beteilige, daß man die Gelegenheit zum Handeln benutze, statt, wie bisher, den besitzenden Klassen das Feld für ihre Aktion und ihre Intrigen frei zu lassen. Die Regierung schrieb die Wahlen aus zu den konstituierenden Cortes; welche Stellung sollte die Internationale nehmen? Die Häupter der Bakunisten waren in der größten Verlegenheit. Eine fortgesetzte politische Untätigkeit erschien von Tag zu Tag lächerlicher und unmöglicher; die Arbeiter wollten »Taten sehn«. Andrerseits hatten die Allianzisten seit Jahren gepredigt, daß man an keiner Revolution sich beteiligen dürfe, die nicht die sofortige volle Emanzipation der Arbeiterklasse zum Ziel habe, daß die Vornahme irgendwelcher politischen Handlung die Anerkennung des Staats, dieses Prinzips des Bösen, in sich schließe und daß daher namentlich die Teilnahme an irgendwelcher Wahl ein todeswürdiges Verbrechen sei. Wie sie sich aus dieser Klemme zogen, lehrt der angeführte Madrider Bericht:
»Dieselben Leute, welche den Haager Beschluß über die politische Haltung der Arbeiterklasse verwarfen und die Statuten der Assoziation mit Füßen traten und damit en Zwiespalt, den Kampf und die Unordnung in die spanische Internationale einführten; dieselben Leute, die die Schamlosigkeit hatten, uns in den Augen der Arbeiter als ehrgeizige Stellenjäger darzustellen, welche unter dem Vorwand, die Arbeiterklasse zur Herrschaft zu bringen, sich selbst die Herrschaft erobern wollten; dieselben Leute, die sich autonome, anarchistische Revolutionäre usw. nennen, haben sich bei dieser Gelegenheit mit Eifer darauf geworfen, in Politik zu machen, aber in der allerschlimmsten, in der Bourgeoispolitik. Sie haben nicht dafür gearbeitet, der Arbeiterklasse die politische Macht zu verschaffen – diese Idee verabscheuen sie im Gegenteil –, sondern einem Bruchteil der Bourgeoisie ans Ruder zu verhelfen, der aus Abenteurern. Ehrgeizigen und Stellenjägern besteht, und sich intransigente (unversöhnliche) Republikaner nennt.
Schon am Vorabend der allgemeinen Wahlen für die Konstituante verlangten die heiter von Barcelona, Alcoy und andren Orten zu wissen, welche Politik die Arbeiter zu befolgen hätten, sowohl Im parlamentarischen Kampfe wie in jedem andren. Es wurden deswegen zwei große Versammlungen abgehalten, die eine in Barcelona, die andre in Alcoy; auf beiden stemmten sich die Allianzisten mit allen Kräften[477] dagegen, daß man die von der Internationale« (der ihrigen nota bene) »zu beobachtende politische Haltung feststelle. Man beschloß also, daß die Internationale als Assoziation durchaus keine politische Tätigkeit auszuüben habe, daß aber die Internationalen, jeder für sich, handeln möchten, wie sie wollten, und sich jeder ihnen gutdünkenden Partei anschließen könnten, kraft ihrer famosen Selbstherrlichkeit! Und was war die Folge der Anwendung einer so abgeschmackten Lehre? Daß die große Masse der Internationalen, mit Einschluß der Anarchisten, sich an den Wahlen beteiligte, ohne Programm, ohne Fahne, ohne eigne Kandidaten, und so dazu beitrugen, daß fast ausschließlich Bourgeoisrepublikaner gewählt wurden. Nur zwei oder drei Arbeiter kamen in die Kammer, Leute, die absolut nichts repräsentieren, die nicht ein einziges Mal die Stimme erhoben haben zur Verteidigung der Interessen unsrer Klasse und die ganz gemütlich für alle von der Majorität vorgelegten reaktionären Vorschläge stimmen.«
Das kommt von der bakunistischen »Enthaltung von der Politik«. In ruhigen Zeiten, wo das Proletariat von vornherein weiß, daß es doch höchstens einige wenige Vertreter ins Parlament bringt und daß ihm die Erlangung einer parlamentarischen Majorität gänzlich abgeschnitten ist, mag es hie und da gelingen, die Arbeiter glauben zu machen, es sei eine große revolutionäre Handlung, bei den Wahlen zu Hause zu bleiben und überhaupt statt des Staats, in dem man lebt und der uns bedrückt, den Staat als solchen anzugreifen, den Staat im allgemeinen, der nirgends existiert und der sich also auch nicht wehren kann. Es ist das namentlich eine prächtige Art, revolutionär zu tun, für Leute, denen das Herz leicht in die Hosen fällt; und wie sehr die Führer der spanischen Allianzisten zu dieser Sorte gehören, weist die anfangs angeführte Schrift über die Allianz im einzelnen nach.
Sobald aber die Ereignisse selbst das Proletariat in den Vordergrund drängen, wird die Enthaltung eine handgreifliche Abgeschmacktheit, das tätige Eingreifen der Arbeiterklasse eine unabweisbare Notwendigkeit. Und dies war in Spanien der Fall. Die Abdankung Amadeos hatte die radikalen Monarchisten von der Macht und von der Möglichkeit verdrängt, so bald wieder zur Macht zu kommen; die Alfonsisten waren vorderhand noch unmöglicher; die Karlisten zogen, wie fast immer, den Bürgerkrieg dem Wahlkampf vor. Alle diese Parteien enthielten sich nach spanischer Sitte; es nahmen an den Wahlen teil nur die in zwei Flügel gespaltenen bundesstaatlichen Republikaner und die Masse der Arbeiter. Bei dem gewaltigen Zauber, den der Name der Internationale damals noch auf die spanischen Arbeiter ausübte, bei der damals wenigstens praktisch noch bestehenden vortrefflichen Organisation ihres spanischen Zweigs war es sicher,[478] daß in den katalonischen Fabrikdistrikten, in Valencia, in den andalusischen Städten usw. jede von der Internationale aufgestellte und getragene Kandidatur glänzend durchging und daß sicher eine Minorität in die Cortes kam, stark genug, um zwischen den beiden Flügeln der Republikaner bei jeder Abstimmung den Ausschlag zu geben. Die Arbeiter fühlten dies, sie fühlten, daß jetzt die Zeit gekommen sei, ihre damals noch mächtige Organisation in Bewegung zu setzen. Aber die Herren Führer aus der bakunistischen Schule hatten so lange das Evangelium von der unbedingten Enthaltung gepredigt, daß sie nicht plötzlich umkehren konnten; und so erfanden sie jenen jammervollen Ausweg, die Internationale als Ganzes sich enthalten, aber ihre Mitglieder als einzelne nach Belieben stimmen zu lassen. Die Folge dieser politischen Bankerotterklärung war, daß die Arbeiter, wie immer im gleichen Fall, für die am radikalsten tuenden Leute stimmten – für die Intransigenten, und dadurch mehr oder minder für die spätern Schritte ihrer Gewählten sich mitverantwortlich hielten und in sie mitverwickelt wurden.
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Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«
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