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Hecker, Struve, Blenker, Zitz und Blum,
Bringt die deutschen Fürsten um!
In diesem Refrain, den die süddeutsche »Volkswehr« von der Pfalz bis zur Schweizer Grenze auf allen Chausseen und in allen Wirtshäusern erschallen ließ nach der bekannten meerumschlungenen Melodie, halb Choral, halb Drehorgelleier – in diesem Refrain ist der ganze Charakter der »großartigen Erhebung für die Reichsverfassung« zusammengefaßt. Hier habt ihr in zwei Zeilen ihre großen Männer, ihre letzten Zwecke, ihre brave Gesinnungstüchtigkeit, ihren edlen Haß gegen die »Tyrannen« und zugleich ihre gesamte Einsicht in die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse.
Unter allen den Bewegungen und Zuckungen, die in Deutschland durch die Februarrevolution und ihre weitere Entwickelung hervorgerufen wurden, zeichnet sich die Reichsverfassungskampagne durch ihren klassisch deutschen Charakter aus. Ihre Veranlassung, ihr Auftreten, ihre Haltung, ihr ganzer Verlauf waren durch und durch deutsch. Wie die Junitage 1848 den gesellschaftlichen und politischen Entwickelungsgrad Frankreichs, so bezeichnet die Reichsverfassungskampagne den gesellschaftlichen und politischen Entwickelungsgrad Deutschlands, und namentlich Süddeutschlands.
Die Seele der ganzen Bewegung war die Klasse der kleinen Bourgeoisie, der vorzugsweise sogenannte Bürgerstand, und diese Klasse ist gerade in Deutschland, namentlich im Süden, vorherrschend. Die Kleinbürgerschaft war es, die in »Märzvereinen«, demokratisch-konstitutionellen Vereinen, vaterländischen Vereinen, in sehr vielen sogenannten demokratischen Vereinen und in beinahe der ganzen demokratischen Presse der Reichsverfassung ebenso massenhafte wie unschädliche Grütlischwüre geleistet und einen Kampf gegen die »renitenten« Fürsten geführt hatte, dessen einziges Resultat zunächst freilich nur das eigene erhebende Bewußtsein erfüllter Bürgerpflicht war. Die Kleinbürgerschaft war es, die durch die entschiedene und sogenannte[111] äußerste Linke der Frankfurter Versammlung, also speziell durch das Stuttgarter Parlament und die »Reichsregentschaft« vertreten, der ganzen Bewegung die offizielle Spitze lieferte; die Kleinbürgerschaft endlich herrschte in den lokalen Landesausschüssen, Sicherheitsausschüssen, provisorischen Regierungen und Konstituanten, die in Sachsen, am Rhein und in Süddeutschland sich größere oder geringere Verdienste um die Reichsverfassung erwarben.
Die kleine Bourgeoisie, hätte es von ihr abgehangen, würde schwerlich den Rechtsboden des gesetzlichen, friedlichen und tugendhafter Kampfes verlassen und statt der sogenannten Waffen des Geistes die Musketen und den Pflasterstein ergriffen haben. Die Geschichte aller politischen Bewegungen seit 1830 in Deutschland wie in Frankreich und England zeigt uns diese Klasse stets großprahlerisch, hochbeteuernd und stellenweise selbst extrem in der Phrase, solange sie keine Gefahr sieht; furchtsam, zurückhaltend und abwiegend, sobald die geringste Gefahr herannaht; erstaunt, besorgt, schwankend, sobald die von ihr angeregte Bewegung von andern Klassen aufgegriffen und ernsthaft genommen wird; um ihrer kleinbürgerlichen Existenz willen die ganze Bewegung verratend, sobald es zum Kampfe mit den Waffen in der Hand kommt – und schließlich infolge ihrer Unentschlossenheit stets vorzugsweise geprellt und mißhandelt, sobald die reaktionäre Partei gesiegt hat.
Hinter der kleinen Bourgeoisie stehen aber überall andere Klassen, die die von ihr und in ihrem Interesse provozierte Bewegung aufnehmen, ihr einen bestimmteren, energischeren Charakter geben und sich ihrer womöglich zu bemächtigen suchen: das Proletariat und ein großer Teil der Bauern, denen sich außerdem die avanciertere Fraktion der Kleinbürgerschaft eine Zeitlang anzuschließen pflegt.
Diese Klassen, das Proletariat der größeren Städte an der Spitze, nahmen die hochbeteuernden Versicherungen im Interesse der Reichsverfassung ernsthafter, als es den kleinbürgerlichen Agitatoren lieb war. Wollten die Kleinbürger, wie sie jeden Augenblick schwuren, für die Reichsverfassung »Gut und Blut einsetzen«, so waren die Arbeiter und in vielen Gegenden auch die Bauern bereit, dasselbe zu tun unter der zwar stillschweigenden, aber allen Parteien vollkommen bekannten Bedingung, daß nach dem Siege die Kleinbürgerschaft dieselbe Reichsverfassung gegen ebendieselben Proletarier und Bauern zu verteidigen haben würde. Diese Klassen trieben die kleine Bourgeoisie bis zum offenen Bruch mit der bestehenden Staatsgewalt. Konnten sie es nicht verhindern, daß sie von ihren krämerhaften Bundesgenossen noch während des Kampfes verraten wurden, so hatten sie wenigstens die Satisfaktion,[112] daß dieser Verrat nach dem Siege der Kontrerevolution von den Kontrerevolutionären selbst gezüchtigt wurde.
Auf der andern Seite schloß sich im Beginn der Bewegung die entschiedenere Fraktion der größeren und mittleren Bourgeoisie ebenfalls an die Kleinbürgerschaft an, gerade wie wir dies in allen früheren kleinbürgerlichen Bewegungen in England und Frankreich finden. Die Bourgeoisie herrscht nie in ihrer Gesamtheit; abgesehen von den Kasten des Feudalismus, die sich etwa noch einen Teil der politischen Gewalt aufbewahrt haben, spaltet sich selbst die große Bourgeoisie, sowie sie den Feudalismus besiegt hat, in eine regierende und eine opponierende Partei, die gewöhnlich durch die Bank auf der einen, die Fabrikanten auf der andern Seite repräsentiert werden. Die opponierende, progressive Fraktion der großen und mittleren Bourgeoisie hat dann gegenüber der herrschenden Fraktion mit der Kleinbürgerschaft gemeinsame Interessen und vereinigt sich mit ihr zum gemeinschaftlichen Kampfe. In Deutschland, wo die bewaffnete Kontrerevolution die fast ausschließliche Herrschaft der Armee, der Bürokratie und des Feudaladels wiederhergestellt hat, wo die Bourgeoisie trotz der noch bestehenden konstitutionellen Formen nur eine sehr untergeordnete und bescheidene Rolle spielt, sind noch viel mehr Motive für diese Allianz vorhanden. Dafür ist die deutsche Bourgeoisie aber auch unendlich zaghafter als die englische und französische, und sowie sich nur die geringste Chance der rückkehrenden Anarchie, d.h. des wirklichen, entscheidenden Kampfes zeigt, tritt sie schaudernd vom Schauplatz zurück. So auch diesmal.
Der Moment war übrigens keineswegs zum Kampf ungünstig. In Frankreich standen die Wahlen bevor; sie mochten den Monarchisten oder den Roten die Majorität geben, sie mußten die Zentren der Konstituante verdrängen, die extremen Parteien verstärken und eine rasche Entscheidung des akuter gewordenen parlamentarischen Kampfes durch eine Volksbewegung, mit einem Worte, sie mußten eine »journée« herbeiführen. In Italien schlug man sich unter den Mauern von Rom, und die römische Republik hielt sich gegen die französische Invasionsarmee. In Ungarn drangen die Magyaren unaufhaltsam vor; die Kaiserlichen waren über die Waag und die Leitha gejagt; in Wien, wo man täglich Kanonendonner zu hören glaubte, wurde die ungarische Revolutionsarmee jeden Augenblick erwartet; in Galizien stand die Ankunft Dembinskis mit einer polnisch-magyarischen Armee bevor, und die russische Intervention, weit entfernt, den Magyaren gefährlich zu werden, schien vielmehr den ungarischen Kampf in einen europäischen zu verwandeln. Deutschland[113] endlich war in der höchsten Aufregung; die Fortschritte der Kontrerevolution, die wachsende Unverschämtheit der Soldateska, der Bürokratie und des Adels, die stets sich erneuernden Verrätereien der allen Liberalen in den Ministerien, die rasch aufeinanderfolgenden Wortbrüche der Fürsten warfen der Bewegungspartei ganze Klassen von bisherigen Ordnungsmännern in die Arme.
Unter diesen Umständen kam der Kampf zum Ausbruche, den wir in den folgenden Bruchstücken schildern werden.
Die Unvollständigkeit und Verwirrung, die noch in den Materialien herrscht, die totale Unzuverlässigkeit fast aller mündlich zu sammelnden Nachrichten, der rein persönliche Zweck, der allen über diesen Kampf bisher veröffentlichten Schriften zugrunde liegt, machen eine kritische Darstellung des ganzen Verlaufs unmöglich. Unter diesen Umständen bleibt uns nichts übrig, als uns rein auf die Erzählung dessen zu beschränken was wir selbst gesehen und gehört haben. Glücklicherweise reicht dies vollständig hin, um den Charakter der ganzen Kampagne hervortreten zu lassen; und wenn uns außer der eignen Anschauung der sächsischen Bewegung auch die des Mieroslawskischen Feldzugs am Neckar fehlt, so wird die »Neue Rheinische Zeitung« vielleicht bald Gelegenheit finden, wenigstens über letzteren die nötigen Aufklärungen zu geben.
Von den Teilnehmern an der Reichsverfassungskampagne sind viele noch im Gefängnis. Andre haben Gelegenheit gefunden, nach Hause zurückzukehren, andre, noch im Auslande, erwarten sie täglich – und unter ihnen sind nicht die Schlechtesten. Man wird die Rücksichten begreifen, die wir diesen Mitkämpfern schuldig sind, man wird es natürlich finden, wenn wir manches verschweigen; und mancher, der jetzt wieder ruhig in der Heimat ist, wird es uns nicht verdenken, wenn wir ihn auch nicht durch Erzählung derjenigen Vorfälle kompromittieren wollen, bei denen er wirklich glänzenden Mut bewiesen hat.[114]
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