Johann Gottlieb Fichte

Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks

Wer schlechte Gründe verdrängt, macht bessern Platz. So urtheilte unlängst ein durch seinen Rang, und mehr noch durch seine Gerechtigkeit, ehrwürdiges Gericht; und so dachte der Verfasser des Aufsatzes: »Der Bücherverlag in Betrachtung der Schriftsteller, der Verleger, und des Publikum, nochmals erwogen« im Deutschen Magazin, April 1791. Die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks schien nehmlich Hrn. Reimarus durch die bis itzt angeführten Gründe noch nicht erwiesen; und er wollte durch eine scheinbare Vertheidigung desselben die Gelehrten auffordern, auf bessere gegen denselben zu denken. Denn unmöglich konnte es ihm dabei Ernst sein; unmöglich konnte er wollen, daß die Vertheidigung eines Verfahrens sich behaupte, gegen welches jeder Wohldenkende einen innern Abscheu fühlt.

Seine Abhandlung theilt sich, der Natur der Sache gemäß, in die zwei Fragen: über die Rechtmässigkeit, und über die Nützlichkeit des Büchernachdrucks. In Absicht der erstern, behauptet er: daß bis itzt noch kein, offenbar nur aus einem fortdaurenden Eigenthume des Gelehrten an seinem Buche, abzuleitendes Recht desselben, oder seines Stellvertreters, des rechtmäßigen Verlegers, den Nachdruck zu verhindern, nachgewiesen sei; woraus natürlich eine Befugniß zum Nachdrucke folgen würde: mithin die Frage: Ob der Nachdruck in polizirten Staaten zu dulden sei? nach ihrer Abweisung vom Richterstuhle der vollkommnen Rechte, von der Beantwortung dieser abhängen würde: Ob er nützlich sei? Herr Reimarus beantwortet diese Frage bejahend, mithin auch die erste; schlägt jedoch zum Vortheile des Verfassers, und seines rechtmäßigen Verlegers, einige Einschränkungen der allgemeinen Erlaubniß des Büchernachdrucks vor.

Herr Reimarus – denn wir gestehen, daß wir nicht nöthig gefunden haben, die Verfasser, welche er für eben diese Meinung anführt, nachzulesen, da wir natürlicher Weise voraussetzen konnten, daß er ihre Gründe benutzt, und daß die letzte Schrift dafür, die seinige, auch die stärkste sein werde. – Herr Reimarus also hat nicht erwiesen, noch zu erweisen gesucht, daß überhaupt kein dergleichen fortdaurendes Eigenthum des Verf. möglich sei; sondern nur gesagt, daß man bis itzt es noch nicht klar dargelegt habe, und einige Instanzen angeführt, die seiner Meinung nach, gegen die Allgemeinheit, und mithin auch Vollkommenheit eines solchen vom Eigenthume abgeleiteten Rechts streiten würden. Wir haben also gar nicht nöthig ihm Schritt vor Schritt zu folgen, und uns auf seine Gründe einzulassen. Können wir nur ein dergleichen fortdaurendes Eigenthum des Verfassers an seine Schrift wirklich beweisen, so ist geschehen, was Er verlangte, und Er mag nun seine Instanzen selbst mit demselben zu vereinigen suchen. Ferner haben wir dann auch seinen Erweis der Nützlichkeit des Büchernachdrucks nicht zu beantworten; denn es kömmt so dann darauf gar nicht mehr an, da nie geschehen darf, was schlechthin unrecht ist; sei es, so nützlich es wolle.

Die Schwierigkeit, welche man fand, ein fortdaurendes Eigenthum des Verfassers an sein Buch zu beweisen, kam daher, weil wir gar nichts Aehnliches haben, und das, was demselben einigermaßen ähnlich zu sein scheint, wieder in Vielem sich gar sehr davon unterscheidet. Eben daher kömmt es, daß unser Beweis ein etwas spitzfindiges Ansehen bekommen muß, welches wir aber so gut als möglich zu poliren suchen werden. Aber der Leser lasse sich ihn dadurch nicht verdächtig werden; denn es wird sehr leicht möglich sein, ihn in Konkreto klar zu machen, und zu erhärten. – Es sind nehmlich eine Menge Maximen über diesen Gegenstand im Umlaufe, welche jeder von der Sache Unterrichtete, Wohldenkende, und für das Gegentheil nicht Interessirte annimmt, Anderer Verhalten in Dingen der Art darnach beurtheilt, und das seinige selbst einrichtet. Lassen sich diese alle leicht und natürlich auf unsern als Princip aufgestellten Satz zurückführen, so ist dies gleichsam seine Probe; und es wird dadurch klar, daß er der Grundsatz ist, welcher allen unsern Urtheilen über diesen Gegenstand, obgleich dunkel und unentwickelt, zum Grunde lag.

Zuerst der Grundsatz: Wir behalten nothwendig das Eigenthum eines Dinges, dessen Zueignung durch einen Andern physisch unmöglich ist. Ein Satz, der unmittelbar gewiß ist, und keines weitern Beweises bedarf. Und itzt die Frage: Giebt es Etwas von der Art in einem Buche.

Wir können an einem Buche zweierlei unterscheiden: das körperliche desselben, das bedruckte Papier; und sein geistiges. Das Eigenthum des erstern geht durch den Verkauf des Buchs unwidersprechlich auf den Käufer über. Er kann es lesen, und es verleihen, so oft er will, wieder verkaufen an wen er will, und so theuer oder so wohlfeil er will oder kann, es zerreißen, verbrennen; wer könnte darüber mit ihm streiten? Da man jedoch ein Buch selten auch darum, am seltensten bloß darum kauft, um mit seinem Papier und Drucke Staat zu machen, und damit die Wände zu tapeziren; so muß man durch den Ankauf doch auch ein Recht auf sein Geistiges zu überkommen meinen. Dieses Geistige ist nehmlich wieder einzutheilen: in das Materielle, den Inhalt des Buchs, die Gedanken die es vorträgt; und in die Form dieser Gedanken, die Art wie, die Verbindung in welcher, die Wendungen und die Worte, mit denen es sie vorträgt. Das erste wird durch die bloße Uebergabe des Buchs an uns offenbar noch nicht unser Eigenthum. Gedanken übergeben sich nicht von Hand in Hand, werden nicht durch klingende Münze bezahlt, und nicht dadurch unser, daß wir ein Buch, worin sie stehen, an uns nehmen, es nach Hause tragen, und in unserm Bücherschranke aufstellen. Um sie uns zuzueignen, gehört noch eine Handlung dazu: wir müssen das Buch lesen, seinen Inhalt, wofern er nur nicht ganz gemein ist, durchdenken, ihn von mehrern Seiten ansehen, und so ihn in unsre eigne Ideenverbindung aufnehmen. Da man indeß, ohne das Buch zu besitzen, dies nicht konnte, und um des bloßen Papiers willen dasselbe nicht kaufte; so muß der Ankauf derselben uns doch auch hierzu ein Recht geben: wir erkauften uns nehmlich dadurch die Möglichkeit, uns die Gedanken des Verfassers zu eigen zu machen; diese Möglichkeit aber zur Wirklichkeit zu erheben, dazu bedurfte es unsrer eignen Arbeit. – So waren die Gedanken des ersten Denkers dieses und der vergangenen Jahrhunderte, und höchstwahrscheinlich eines der Ersten aller künftigen, vor der Bekanntmachung seiner merkwürdigen Werke, und noch eine geraume Zeit nachher, sein ausschließendes Eigenthum; und kein Käufer bekam für das Geld, welches er für die Kritik der reinen Vernunft hingab, ihren Geist. Itzt aber hat mancher hellsehende Mann sich denselben zugeeignet: und das wahrlich nicht durch Ankauf des Buchs, sondern durch fleißiges und vernünftiges Studium desselben. Dieses Mitdenken ist denn auch, im Vorbeigehn sei es gesagt, das einzig passende Aequivalent für Geistesunterricht, sei er mündlich oder schriftlich. Der menschliche Geist hat einen ihm angebornen Hang, Uebereinstimmung mit seiner Denkungsart hervorzubringen; und jeder Anschein der Befriedigung desselben ist ihm die süßeste Belohnung aller angewandten Mühe. Wer wollte lehren vor leeren Wänden, oder Bücher schreiben die Niemand läse? Das, was für dergleichen Unterricht an Gelde entrichtet wird, für Aequivalent anzusehen, wäre widersinnig. Es ist nur Ersatz dessen, was der Lehrer denen geben muß, die während der Zeit, daß er für Andere denkt, für ihn jagen, fischen, säen, und ärnten.

Was also fürs erste durch die Bekanntmachung eines Buchs sicherlich feil geboten wird, ist das bedruckte Papier, für jeden der Geld hat, es zu bezahlen, oder einen Freund, es von ihm zu borgen; und der Inhalt desselben, für jeden der Kopf und Fleiß genug hat, sich desselben zu bemächtigen. Das erstere hört durch den Verkauf unmittelbar auf, ein Eigenthum des Verfassers (den wir hier noch immer als Verkäufer betrachten können) zu sein, und wird ausschließendes des Käufers, weil es nicht mehrere Herren haben kann; das letztere aber, dessen Eigenthum vermöge seiner geistigen Natur Vielen gemein sein kann, so daß doch jeder es ganz besitze, hört durch die Bekanntmachung eines Buchs freilich auf, ausschliessendes Eigenthum des ersten Herrn zu sein (wenn es dasselbe nur vorher war, wie dies mit manchem heurigen Buche der Fall nicht ist[)], bleibt aber sein mit Vielen gemeinschaftliches Eigenthum. – Was aber schlechterdings nie jemand sich zueignen kann, weil dies physisch unmöglich bleibt, ist die Form dieser Gedanken, die Ideenverbindung in der, und die Zeichen, mit denen sie vorgetragen werden.

Jeder hat seinen eignen Ideengang, seine besondere Art sich Begriffe zu machen, und sie unter einander zu verbinden; dies wird, als allgemein anerkannt, und von jedem der es versteht, sogleich anzuerkennend, von uns vorausgesetzt, da wir hier keine empirische Seelenlehre schreiben. Alles was wir uns denken Sollen, müssen wir uns nach der Analogie unsrer übrigen Denkart denken; und bloß durch dieses Verarbeiten fremder Gedanken, nach der Analogie unsrer Denkart, werden sie die unsrigen: ohne dies sind sie etwas Fremdartiges in unserm Geiste, das mit nichts zusammenhängt, und auf nichts wirkt. Es ist unwahrscheinlicher als das Unwahrscheinlichste, daß zwei Menschen über einen Gegenstand völlig das Gleiche in eben der Ideenreihe, und unter eben den Bildern, denken sollen, wenn sie nichts von einander wissen, doch ist es nicht absolut unmöglich; daß aber der Eine, welchem die Gedanken erst durch einen Andern gegeben werden müssen, sie in eben der Form in sein Gedankensystem aufnehme, ist absolut unmöglich. Da nun reine Ideen ohne sinnliche Bilder sich nicht einmal denken, vielweniger Andern darstellen lassen, so muß freilich jeder Schriftsteller seinen Gedanken eine gewisse Form geben, und kann ihnen keine andere geben als die seinige, weil er keine andere hat; aber er kann durch die Bekanntmachung seiner Gedanken gar nicht Willens sein, auch diese Form gemein zu machen: denn Niemand kann seine Gedanken sich zueignen, ohne dadurch daß er ihre Form verändere. Die letztere also bleibt auf immer sein ausschliessendes Eigenthum.

Hieraus fließen zwei Rechte der Schriftsteller: nehmlich nicht bloß, wie Herr R. will, das Recht zu verhindern, daß Niemand ihm überhaupt das Eigenthum dieser Form abspreche (zu fordern, daß jeder ihn für den Verf. des Buchs anerkenne); sondern auch das Recht, zu verhindern, daß Niemand in sein ausschließendes Eigenthum dieser Form Eingriffe thue, und sich des Besitzes derselben bemächtige.

Doch ehe wir weitere Folgerungen aus diesen Prämissen ziehen, laßt sie uns erst ihrer Probe unterwerfen! – Noch bis itzt haben die Schriftsteller es nicht übel empfunden, daß wir ihre Schriften verbrauchen, daß wir sie Andern zum Gebrauch mittheilen, daß wir sogar Leihbibliotheken davon errichten, ungeachtet dies (denn wir sehen sie hier noch immer als Verkäufer an) offenbar zu ihrem Schaden gereichet; und wenn wir sie zerreißen oder verbrennen, so beleidigt dies den Vernünftigen nur alsdann, wenn es wahrscheinlich in der Absicht geschieht, ihm dadurch Verachtung zu bezeugen? Noch haben sie uns also bis itzt durchgängig das völlige Eigenthum des körperlichen ihrer Schriften zugestanden. – Eben so wenig sind sie dadurch beleidigt worden, wenn man, bei wissenschaftlichen Werken, sich ihre Grundsätze eigen machte, sie aus verschiedenen Gesichtspunkten darstellte, und auf verschiedene Gegenstände anwendete; oder bei Werken des Geschmacks ihre Manier, welches ganz etwas anders ist als ihre Form, nachahmte. Sie haben dadurch eingestanden, daß das Gedankeneigenthum auf Andere übergehen könne.

Aber immer ist es allgemein für verächtlich angesehen worden, wörtlich auszuschreiben, ohne den eigentlichen Verfasser zu nennen; und man hat dergleichen Schrifftler mit dem entehrenden Namen eines Plagiars gebrandmarkt. Daß diese allgemeine Mißbilligung nicht auf die Geistesarmuth des Plagiars, sondern auf etwas in seiner Handlung liegendes Unmoralische gehe: ist daraus klar, weil wir im ersten Fall ihn bloß bemitleiden, aber nicht verachten würden. Daß dieses Unmoralische, und der Grund des Namens den man ihm giebt, gar nicht darin gesetzt werde, weil er durch den Verkauf eines Dinges, welches Käufer schon besitzt, diesen um sein Geld bringt: ergiebt sich daraus, daß unsre schlechte Meinung von ihm nicht um das Geringste gemildert wird, wenn er ein höchstseltenes etwa nur auf großen Bibliotheken vorzufindendes Buch ausgeschrieben hat. Daß endlich diese Ungerechtigkeit nicht etwa darin bestehe, daß er, wie Herr R. meinen könnte, dem Verfasser seine Autorschaft abspreche: folgt daraus, weil er diese gar nicht läugnet, sondern sie nur ignorirt. Auch würde man sie vergeblich darauf zurückführen, daß er dem Verfasser die rechtmäßige Ehre nicht erzeige, indem er ihn nicht nenne wo er ihn hätte nennen sollen: indem der Plagiar nicht weniger Plagiar genannt wird, wenn er auch das Buch eines Anonymus ausgeschrieben hat. Wir können sicher jeden ehrliebenden Mann fragen, ob er sich nicht in sich selbst schämen würde, wenn er es sich nur als möglich dächte, daß er etwa eines unbekannten verstorbenen Mannes Handschrift, oder ein Buch dessen einziger Besitzer er wäre, ausschreiben könnte? ... Diese Empfindungen können, nach allem Gesagten, in nichts, als in dem Gedanken liegen: daß der Plagiar sich eines Dinges bemächtiget, welches nicht sein ist. – Warum denkt man nun über den Gebrauch der eignen Worte eines Schriftstellers ganz anders, als über die Anwendung seiner Gedanken? Im letztern Fall, bedienen wir uns dessen, was unser mit ihm gemeinschaftliches Eigenthum sein kann, und beweisen daß es dieses sei, dadurch, daß wir ihm unsere Form geben; im ersten Fall, bemächtigen wir uns seiner Form welche nicht unser, sondern sein ausschließendes, Eigenthum ist.

Eine Ausnahme macht man mit den Zitaten: nehmlich, nicht nur solchen, wo von einem Verfasser bloß gesagt wird, daß er irgend etwas entdeckt, erwiesen, dargestellt habe, wobei man sich weder seiner Form bemächtigt, noch eigentlich seine Gedanken vorträgt, sondern auf sie nur weiter fortbaut; sondern auch solchen, wo die eignen Worte des Verfassers angeführt werden. Im letzten Falle bemächtigt man sich wirklich der Form des Verfassers, die man zwar nicht für die seinige ausgiebt, welches jedoch hier nichts zur Sache thut. Diese Befugniß scheint sich auf einen stillschweigenden Vertrag der Schriftsteller unter einander zu gründen, einander gegenseitig mit Anführung der eignen Worte zu zitiren; doch würde auch hier es niemand billigen, wenn ein Anderer, ohne sichtbares Bedürfniß, besonders große Stellen, ausschriebe. Mit nur halbem Rechte stehen unter den Ausnahmen die Blumenlesen, die Geiste (esprits), zu deren Verfertigung gemeinhin nicht viel Geist gehört, und dergleichen kleine Diebereien, die Niemand sehr bemerkt, weil sie Niemanden viel helfen, noch viel schaden.

Kein Dozent duldet es, daß jemand seine Vorlesungen abdrucken lasse; noch nie aber hat Einer etwas dagegen gehabt, wenn seine Zuhörer sich seinen Geist und seine Grundsätze eigen zu machen gesucht, und sie mündlich oder schriftlich weiter verbreitet haben. – Worauf gründet sich dieser Unterschied? Im letzten Fall tragen sie seine Gedanken vor, die durch ihr eignes Nachdenken, und die Aufnahme derselben in ihre Ideenreihe, die ihrigen geworden sind; im erstern, bemächtigen sie sich seiner Form, die nie ihr Eigenthum werden kann, kränken ihn also in seinem vollkommnen Rechte.

Und itzt diese a priori erwiesenen, und a posteriori durch die aus ihnen mögliche Erklärbarkeit dessen, was in Sachen der Art für Recht gehalten wird, erprobten Grundsätze, auf das Verhältniß des Verfassers und des Verlegers angewandt! Was überträgt der Erstere an den Letztern, indem er ihm seine Handschrift übergiebt? ... Ein Eigenthum? Etwa das der Handschrift? Aber die Gelehrten werden gestehen, daß diese größtentheils des Geldes nicht werth sei; und warum verzeihen sie es sich denn nicht, mehrere von eben der Schrift an mehrere Verleger zu verkaufen? Das Eigenthum der darin enthaltenen Gedanken: Dies überträgt sich nicht durch eine bloße Uebergabe; und selten würde dem Verleger viel damit gedient sein. – Noch weniger das der Form dieser Gedanken: denn diese ist, und bleibt auf immer, ausschließendes Eigenthum des Verfassers. – Der Verleger bekommt also durch den Kontrakt mit dem Verfasser überhaupt kein Eigenthum, sondern unter gewissen Bedingungen nur das Recht eines gewissen Niessbrauchs des Eigenthums des Verfassers, d.i. seiner Gedanken in ihre bestimmte Form eingekleidet. Er darf an wen er will und kann, verkaufen – nicht die Gedanken des Verfassers, und ihre Form, sondern nur die durch den Druck derselben hervorgebrachte Möglichkeit sich die erstern zuzueignen. Er handelt also allenthalben nicht in seinem Namen, sondern im Namen und auf Auftrag des Verfassers.

Auch diese Begriffe zeigen sich in allgemein angenommenen Maximen. Warum wird selbst der rechtmäßige Verleger allgemein getadelt, wenn er eine größere Anzahl Exemplare abdrucken läßt als er mit dem Verfasser verabredet hat? Das Recht des Verfassers dies zu hindern, gründet sich zwar auf einen Kontrakt, der aber nicht über das Eigenthum, sondern den Nießbrauch geschlossen ist. Der Verleger kann höchstens Eigenthümer dieses Nießbrauchs heißen. – Warum dann, wenn er eine zweite Auflage besorgt, ohne Erlaubniß des Verfassers? Wie kann der Verfasser, bei einer zweiten Auflage, auch wenn er nichts Neues hinzusetzt noch umarbeitet, von neuem Honorar vom Verleger für die bloße Erlaubniß der neuen Auflage fordern? Wären diese Maximen nicht widersprechend, wenn man annähme, daß das Buch ein Eigenthum des Verlegers würde, und nicht beständiges Eigenthum des Verfassers bliebe, so daß der Verleger fortdaurend nichts ist als sein Stellvertreter? Wäre es nicht widersprechend, daß das Publikum, wenn es, durch einen prächtigen Titel getäuscht, ein Buch gekauft hat, in welchem es nichts als das Längstbekannte, aus den bekanntesten Büchern ärmlich zusammengestoppelt findet; an den Verfasser des Buchs Regreß nimmt, und nicht an seinen Verleger sich hält? Ein Recht uns zu beklagen, haben wir allerdings; wir wollten nicht bloß ein paar Alphabete gedrucktes Papier, wir wollten zugleich die Möglichkeit erkaufen, uns über gewisse Gegenstände zu belehren. Diese ward uns versprochen, und nicht gegeben. Wir sind getäuscht, wir sind um unser Geld. Aber gaben wir dies nicht dem Verleger? War er es nicht, der uns das leere Buch dagegen gab? Warum halten wir uns nicht an ihm, als an dem letzten Verkäufer, wie wir es sonst bey jedem Kaufe thun? Was sündigte der arme Verfasser? ... So müßten wir nothwendig denken, wenn wir den Erstern nicht als bloßen Stellvertreter des Letztern betrachteten, der bloß in jenes Namen mit uns handelte, und, wenn wir betrogen wurden, in jenes Namen, auf jenes Geheiß, und oft ohne selbst das geringste Arge daraus zu haben, uns betrog.

So verhalten sich Schriftsteller, Verleger, und Publikum. Und wie verhält sich zu ihnen der Nachdrucker? Er bemächtigt sich – nicht des Eigenthums des Verfassers, nicht seiner Gedanken (das kann er größtentheils nicht; denn wenn er kein Ignorant wäre, so würde er eine ehrlichere Hanthierung treiben), – nicht der Form derselben, (das könnte er nicht; auch wenn er kein Ignorant wäre); – sondern des Niessbrauchs seines Eigenthums. Er handelt im Namen des Verfassers, ohne von ihm Aufträge zu haben, ohne mit ihm ' übereingekommen zu sein, und bemächtigt sich der Vortheile, die aus dieser Stellvertretung entstehen; er maaßet sich dadurch ein Recht an, das ihm nicht zusteht, und stört den Verfasser in der Ausübung seines vollkommnen Rechts.

Ehe wir das endliche Resultat ziehen, müssen wir noch ausdrücklich erinnern, daß die Frage gar nicht von dem Schaden ist, welchen der Nachdrucker hierdurch dem Verfasser entweder unmittelbar, oder mittelbar in der Person seines Stellvertreters, zufüge. Man zeige soviel man will, daß dadurch weder dem Verfasser noch dem Verleger ein Nachtheil entstehe; daß es sogar der Vortheil des Schriftstellers sei, recht viel nachgedruckt zu werden, daß dadurch sein Ruhm über alle Staaten Deutschlands von der Stapelstadt der Gelehrsamkeit bis in das entfernteste Dörfchen der Provinz, und von der Studierstube des Gelehrten bis in die Werkstäte des Handwerkers verbreitet werde. Wird dadurch Recht, was einmal Unrecht ist? darf man jemanden wider seinen Willen und sein Recht Gutes thun? Ein jeder hat die vollkommene Befugniß, seinem Rechte nichts zu vergeben; sei es ihm auch so schädlich, als es wolle. Wann wird man doch ein Gefühl für die erhabene Idee des Rechts, ohne alle Rücksicht auf Nutzen, bekommen? – Man merke ferner, daß dieses Recht des Verfassers, welches der Nachdrucker kränkt, sich nicht, wie Herr Reimarus glaubt, auf einen vermeinten Kontrakt desselben mit dem Publikum, und auf eine Jesuitische Mentalreservazion in demselben gründet; sondern daß es sein natürliches, angebornes, unzuveräußerndes Eigenthumsrecht ist. Daß man ein solches Recht nicht verletzt sehen wolle, wird wohl ohne ausdrückliche Erinnerung voraus gesetzt; vielmehr müßte man dann es sagen, wenn man auf die Ausübung desselben Verzicht thun wollte.

Dies alles als erwiesen voraus gesetzt, muß, wenn jeder ein Dieb ist, der um Gewinstes willen den Genuß des Eigenthums Andrer an sich reißt, der Nachdrucker ohne Zweifel einer sein. Wenn ferner jeder Diebstahl dadurch, daß er an Dingen geschieht, die ihrer Natur nach nicht unter Verwahrung gehalten werden können, sträflicher wird; so ist der des Nachdruckers, welcher an einer Sache verübt wird, die jedem offen stehen muß, wie Luft und Aether, einer der sträflichsten. Wird er es endlich dadurch noch mehr, an je edlern Dingen er geschieht; so ist der an Dingen, die zur Geisteskultur gehören, der allersträflichste: daher man denn auch schon den Namen des Plagiats, der zuerst Diebstahl an Menschen bedeutete, auf Bücherdiebereien übergetragen hat.

Und itzt zu einigen Instanzen des Herrn Reimarus! »Wer es denn sei, der den Nießbrauch des fortdaurenden Eigenthums der Verfasser bei der alten Autoren, der es bei Luthers Bibelübersetzung habe?« fragt derselbe. – Wenn der Eigenthümer einer Sache, und seine Erben und Erbnehmer ausgestorben, oder nicht auszumitteln sind, so erbt die Gesellschaft. Will diese ihr Recht aufgeben, und es gemein werden lassen; will es der Eigenthümer selbst; – wer kann es wehren?

»Ob das auch ein Raub des Büchereigenthums sein würde,« fragt Herr R. weiter, »wenn jemand ein Buch einzeln, oder in größerer Anzahl abschreiben, und die Abschriften verkaufen wolle?« Da die Liebhaber, welche ein Buch lieber in Handschrift, als gedruckt besitzen wollten, selten sein, mithin durch diese Vervielfältigung der Exemplare weder dem Verfasser noch dem Verleger großer Nachtheil entstehen möchte; da der Gewinn bei dieser mühsamen Arbeit nicht groß, und der Verkaufswerth wohl größtentheils kümmerliche Bezahlung der angewandten Mühe sein, mithin die ungerechte Habsucht des Abschreibers weniger auffallen würde: so möchten vielleicht der Erstere, und der Zweite dazu schweigen. Sind aber unsere eben ausgeführten Sätze erwiesen, so bleibt an sich jeder Nießbrauch des Buchs, sei er so wenig einträglich, als er wolle, ungerecht; und diejenigen, welche das Buch in Abschrift zu besitzen wünschten, oder der Abschreiber, müßte darüber in Unterhandlung mit dem Verfasser treten. – Wenn die alten Schriftsteller über den möglichen Nießbrauch der Autorschaft nicht nachgedacht hatten, oder, weil sie sein nicht begehrten, das Abschreiben ihrer Bücher jedem frei stellten, dem es beliebte, und durch ihr Stillschweigen die Einwilligung dazu gaben; so hatten sie das vollkommenste Recht, – wie jeder es hat – ihr Recht aufzugeben: wenn sie aber gewollt hätten, so hätten sie es eben sowohl geltend machen können, als die unsrigen; denn was heute Recht ist, war es ewig.

Diese Grundsätze werden durch Anwendung auf Dinge, die man oft mit ihnen verglichen und verwechselt hat, noch deutlicher werden. So hat man Produkte der mechanischen Kunst mit Büchern, und das Nachmachen derselben zum Nachtheil des Erfinders mit dem Nachdrucke verglichen; wie passend oder unpassend, werden wir sogleich sehen. Auch ein solches Werk hat etwas Körperliches: die Materie, aus der es verfertiget ist, Stahl, Gold, Holz und dergleichen; und etwas Geistiges: der Begriff, der ihm zum Grunde liegt (die Regel, nach der es verfertigt ist). Von diesem Geistigen kann man nicht sagen, daß es eine dem Verfertiger eigenthümliche Form habe, weil es selbst ein Begriff einer bestimmten Form ist – die Form der Materie, das Verhältniß ihrer einzelnen Theile zur Hervorbringung des beabsichteten Zwecks; – welches folglich nur auf einerlei Art, einem deutlich gedachten Begriffe gemäß, bestimmt seyn kann. Hier ist es das Körperliche, welches, in so fern es nicht durch den Begriff bestimmt wird, eine besondre Form annimmt, von welcher die Nettigkeit, die Eleganz, die Schönheit des Kunstwerks in so fern sie nicht auf den hervorzubringenden Zweck bezogen wird, abhängt: an welcher man z.B. die Arbeiten der Engelländer, die Arbeiten eines gewissen bestimmten Meisters, von jeder andern unterscheidet, ohne eigentlich und deutlich angeben zu können, worin der Unterschied liege. Diese Form des Körperlichen kann auch ein Buch haben, und durch sie wird die Reinheit und Eleganz des Drucks bestimmt; in dieser Rücksicht ist es Produkt der mechanischen Kunst, und gehört unter die nun leicht zu entwickelnden Regeln derselben.

Angenommen, was allgemein anzunehmen ist, daß durch den Verkauf einer Sache dem Käufer das Eigenthum alles desjenigen übertragen werde, dessen Zueignung physisch möglich ist; was wird durch den Verkauf eines solchen Kunstwerks dem Käufer übertragen? Jedem ohne Zweifel das Eigenthum des materiellen Körperlichen, nebst der Möglichkeit das Werk zu dem verlangten Zwecke zu gebrauchen, wenn er will, ihn kennt, und ihn dadurch zu erreichen weiß. Die Möglichkeit, sich den dem Werke zu Grunde liegenden Begriff (nehmlich die Regel, nach der es verfertiget ist) zuzueignen, ist nicht die Absicht des Verkaufs, und gemeinhin auch nicht des Kaufs, wie bei einem Buche, wo dies offenbar die Absicht ist. Auch wird sie, durch den Verkauf nicht jedem, sondern bloß dem, der dazu die nöthigen Kenntnisse hat, übergeben. Das Eigenthum dieses Begriffs aber wird durch den Verkauf gar nicht übergeben; sondern zur Zueignung desselben gehört noch die Handlung des Käufers, daß er das Werk untersuche, es vielleicht zerlege, darüber nachdenke, u. s. w. Aber dennoch ist es nicht nur physisch möglich, sondern auch oft sehr leicht, die Regel der Verfertigung des Werks zu finden. Diesen Begriffen nun seine Form zu geben, muß man selbst Künstler, und zwar Künstler in dieser Kunst sein. Die Form des ersten Verfertigers wird man dem Körperlichen nie geben; aber es kömmt darauf nicht an, der Unterschied ist meistens ganz unbemerkbar, und oft wird der zweite Verfertiger ihm eine weit schönere geben. Man kann folglich nicht nur das Eigenthum der Materie, sondern unter gewissen Bedingungen auch das des Begriffs, nach welchen sie bearbeitet ist, sich erwerben; und da man das Recht hat, sein Eigenthum auf jede beliebige Art zu benutzen, so hat man ohne Zweifel auch das, dies Kunstwerk nachzumachen. Allein, die Ausübung dieses Rechts ist nicht billig: es ist nicht billig, daß der Mann, welcher Jahre lang Fleiß Mühe und Kosten aufwendete, durch die erste Bekanntmachung des Resultats seiner jahrelangen Arbeit, welches von der Art ist, daß jeder desselben sich bemächtigen kann, der es siehet, um alle Frucht dieser Arbeit gebracht werde. Da aber in Sachen des Gewinstes auf die Billigkeit Andrer nicht sehr zu rechnen ist, so tritt der Staat ins Mittel, und macht durch ein ausdrückliches Gesetz, genannt Privilegium, dasjenige Rechtens, was vorher nur Sache der Billigkeit war. Weil indeß durch ein solches Gesetz das natürliche Recht Andrer allerdings eingeschränkt, und sie dessen beraubt werden, besonders dadurch beraubt werden, daß man das, was von ihrem guten Willen abhing, und ihnen ein Verdienst geben konnte, ihnen abnöthigt, und sie dadurch wenigstens der Entdeckung dieses Verdienstes beraubt; so hebt der Staat dies Gesetz wieder auf, sobald seine Absicht, den ersten Erfinder zu entschädigen, erreicht ist, und giebt den Menschen ihr angebornes und durch Nachdenken und Studium behauptetes Recht wieder.

Ein solches Privilegium geht also auf den Gebrauch des erworbenen Begriffs; und nur dasjenige Bücherprivilegium würde mit ihm zu vergleichen sein, welches verböte, innerhalb zehn Jahren nichts über gewisse Materien, als z.B. keine Metaphysik, keine Naturlehre, zu schreiben. Verwechselte etwa Herr R., dessen Vorschläge bei Bücherprivilegien eben dahinauslaufen, Bücher mit mechanischen Kunstwerken, als ob zu ihrer Verfertigung nichts weiter gehöre, als etwa ein Rezept ein Buch zu machen im Kopfe, und übrigens gelenke Finger Papier und Dinte?

Das Recht des Käufers, das Gekaufte nachzumachen, geht so weit die physische Möglichkeit geht, es sich zuzueignen; und diese nimmt ab, je mehr das Werk von der Form abhängt, welche wir uns nie eigen machen können. Diese Gradazion geht, in unmerklichen Abstufungen, von der gemeinen Studierlampe bis zu Korregio's Nacht. Letztere hat nie um ein Privilegium nachgesucht, und ist darum doch nicht nachgemacht worden. Zwar Farben auftragen, Licht und Schatten, und ein Kind und eine junge Frau malen, kann jeder Pinsler; aber es ist uns nicht darum, es ist uns um die nicht zu beschreibende, aber zu fühlende Form des Vortrags zu thun. – Kupferstiche von Gemälden sind keine Nachdrücke: sie verändern die Form. Sie liefern Kupferstiche, und keine Gemälde; und wem sie den letztern gleich gelten, dem bleibt es unbenommen. Auch Nachstechen schon abgestochner Gemälde ist nicht Nachdruck: denn jeder giebt seinem Stiche seine eigene Form. Nachdruck wäre nur das, wenn jemand sich der Platte des anderen bemächtigte, und sie abdruckte.

Und nach dieser Unterscheidung nun die Frage: Was ist ein Bücherprivilegium? Ein Privilegium überhaupt ist Ausnahme von einem allgemein geltenden Gesetze der natürlichen, oder der bürgerlichen Gesetzgebung. Ueber Büchereigenthum ist bis itzt kein bürgerliches Gesetz vorhanden; also muß ein Bücherprivilegium eine Ausnahme von einem Naturgesetze sein sollen. Ein dergleichen Privilegium sagt, ein gewisses Buch solle nicht nachgedruckt werden; es setzt mithin ein Gesetz der Natur voraus, welches so lauten müßte: jeder hat ein Recht, jedes Buch nachzudrucken. – Es ist also doch wahr, daß das Nachdruckerrecht selbst von denen, in deren Hände die Menschheit alle ihre Rechte zur Aufbewahrung überlieferte, von den Regenten, für ein allgemein gültiges Naturrecht anerkannt werde? Doch wahr, daß selbst die Gelehrten es dafür anerkennen; denn was kann die Bitte um ein Privilegium anders heißen als: Ich erkenne an, daß vom Tage der Publikazion meines Werkes, jeder wer will, das unbezweifelte Recht hat, sich das Eigenthum und jeden möglichen Nutzen desselben anzumaßen, bitte aber um meines Vortheils willen, die Rechte der Menschheit einzuschränken. – Hat man sich je einen Freibrief gegen Straßenräuber geben lassen? – »Aber ein Bücherprivilegium ist kein Freibrief gegen Straßenräuber; es ist eine Bedeckung von Husaren«, sagt man mir. Wenn dies wahr wäre, wenn es in Ländern wahr sein könnte, wo die Straßenräuber nicht, wie in Arabien, ungebändigt in den Wäldern herumstreifen, sondern zu jeder Stunde durch die obrigkeitliche Gewalt abgelangt werden können, so ständen wir vor einer andern Untersuchung.

Die Tr... nemlich, Sch..., die W... sind freilich Räuber; aber es sind privilegirte Räuber. Sie haben – denn die Bemerkung, daß eins von beiden, entweder das Privilegium, welches den Nachdruck verbietet, oder das welches ihn erlaubt, widersinnig sein muß, wollen wir schenken – sie, sage ich, haben nicht die mindeste Schuld. Unbekannt mit dem, was Recht oder Unrecht sei, weil es für sie zu tief lag, fragten sie die, welche es wissen sollten. Man sagte es ihnen, und sie glaubten. Freilich gefiel es dem Englischen Kaufmanne nie wohl, wenn ein Französischer Kaper ihm sein Schiff und seine Waaren wegnahm. Er beklagte sich über diese Ungerechtigkeit. »Das ist nicht Unrecht, das ist Kriegsrecht,« sagte der Kaper, und zeigte ihm seinen Kaperschein vor; und während der Engländer diesen untersuchte, um sich von der Rechtmäßigkeit der Behandlung die er erfuhr, zu überzeugen, durchsuchte ihm Jener die Taschen, und er hatte darin Recht.

Aber, mit welchem Rechte nur überhaupt die Hummeln den Bienen den Krieg ankündigen? ... Welcher Vertheidiger des Büchernachdrucks wird uns dies erklären? – »Es würde doch von einem Staate viel verlangt heißen, sagt man, daß er befehlen solle, fremde theure Waare in sein Land einzuführen.« Das würde allerdings viel verlangt heißen; aber die Forderung, daß er sich dann, wann sie ihm zu theuer ist, ganz ohne sie behelfen möge, wäre so unbillig eben nicht. Joseph II. hatte allerdings das vollkommne Recht, die Einfuhr der Holländischen Häringe in seine Staaten zu verbieten; wer könnte ihm dies abstreiten? Aber hätte er darum auch wohl das Recht gehabt – da Holländische Häringe sich nun einmal nicht nachdrucken lassen – Kaper auszusenden, welche den Holländern aufpassen, und ihnen ihre Häringe abnähmen? Und wenn diese fremde theure Waare – denn Bücher sind in diesem System freilich nicht mehr und nicht weniger Waare, als Häringe und Käse – überhaupt nicht eingeführt werden soll, wovon soll man sie dann im Lande abdrucken? ... Ei ja! wir werden uns wohl hüten, die Einfuhr fremder Bücher eher zu verbieten, als bis wir sie erst nachgedruckt haben.

»Es sei ja für den Vortheil des Verfassers völlig gleichgültig, ob in einem Lande, wo die Einfuhr seiner rechtmäßigen Ausgabe verboten sei, ein Nachdruck verkauft werde oder nicht, da er aus diesem Lande einmal keinen Gewinn ziehen könne.« sagt man auch noch. Und man hat Recht, und übrig Recht, in einem Systeme, in welchem nichts Unrecht ist, als das was schadet.1

Ist itzt Alles klärlich erwiesen, was erwiesen werden sollte: – daß der Verfasser ein fortdaurendes Eigenthum an sein Buch behalte, und das vollkommne Recht habe, jeden zu verhindern, wider seinen Willen Nutzen aus dem, was der Natur der Sache nach sein bleibt, zu ziehen; daß mithin der Nachdruck eine offenbare, und zwar eine der sträflichsten Ungerechtigkeiten sei, – so ist bei Untersuchung seiner Zuläßigkeit davon gar nicht mehr die Frage, ob er nützlich sei; und wir können uns gänzlich enthalten, sie zu beantworten. Weder Herr R. noch das Publikum wird also etwas dagegen haben, wenn wir statt dieser Untersuchung eine Parabel erzählen. Was sie, da wir nach obiger Erinnerung mit Büchern gar nichts Aehnliches haben, erläutern könne, was sie nach allen schon Erwiesenen noch zu erläutern habe, wird jeder einsehen.

Zur Zeit des Khalifen Aarun Alraschid, der wegen seiner Weisheit in der Tausend und Einen Nacht, und sonst berühmt ist, lebte, oder könnte gelebt haben, ein Mann, der, wer weiß aus welchen Salzen und Kräutern einen Extrakt verfertigte, der gegen alle Krankheiten, ja gegen den Tod selbst helfen sollte. Ohne nun eben alle die Wirkungen zu haben, welche sein Verfertiger von ihm rühmte – er war selbst ein wenig kränklich – war er doch immer eine trefliche Arznei. Um in seinen chemischen Arbeiten durch nichts gestört zu werden, wollte er sich nicht selbst mit dem Handel befassen, sondern gab ihn in die Hände eines Kaufmanns, der allein im ganzen Lande damit handelte, und einen beträchtlichen Gewinn dadurch erwarb. Darüber wurden nun seine Mitbrüder, die übrigen Arzneihändler, neidisch, und verschrien ihn, und seinen Extrakt. Ganz anders aber benahm sich dabei Einer unter ihnen. Dieser paßte den Leuten des Alleinhändlers auf, wenn sie das Arkanum vom Chemiker brachten, nahm es ihnen ab, raubte es wohl gar aus dem Waarenlager selbst; und das vermochte er, denn er war ein handfester Kerl. Er vereinzelte es darauf auf allen Jahrmärkten, in allen Flecken und Dörfern, und weil er es wohlfeil gab, und den Leuten sehr einlobte, so hatte er reißenden Abgang. Darüber erhob dann der Alleinhändler ein Geschrei im ganzen Lande; und es fielen mit unter auch wohl Diebe, Räuber, und dergleichen Benennungen, die bei solchen Gelegenheiten zu fallen pflegen, und die dem Andern auch richtig überbracht wurden. Gern hätte der Alleinhändler ihm wieder etwas abgenommen, aber jener hatte nichts, das der Mühe des Nehmens werth war. Schon lange hatte er ihm nachgestellt, um seiner habhaft zu werden; aber jener war schlauer, als er, und entging allen seinen Schlingen. Endlich, wie denn das stete Glück unvorsichtig macht, fiel er doch noch durch Unachtsamkeit in die Hände seines Feindes; und ward von ihm vor den Khalifen geführt. Hier brachte der Arzneihändler seine Klage gegen jenen an, die mit der Klage unsrer Buchhändler gegen die Nachdrucker ziemlich gleichlautend war. Jener, ohne sich bange werden zu lassen, – er hatte bei seinem Marktschreiergewerbe seine Dreistigkeit vermehrt, und eine gewisse Beredsamkeit sich eigen gemacht – führte seine Vertheidigung folgendermaaßen:

Glorwürdigster Nachfolger des Propheten! ich liebe nach Prinzipien zu verfahren. Der einzig richtige Maaßstaab der Güte unsrer Handlungen ist bekanntermaaßen ihre Nützlichkeit. Je ausgebreitetere und je wichtigere Vortheile eine Handlung stiftet, desto besser ist sie. Es giebt zwar noch einige finstere Köpfe, die sich etwas erkünsteln, was sie, glaub ich, Recht nennen: ein Hirngespinst, das sich im Leben nicht realisiren läßt; denn kann man nicht bei aller Rechtschaffenheit verhungern? Doch fern sei es, daß dergleichen altfränkische Ideen die aufgeklärten Zeiten von Eurer Majestät glorwürdigen Regierung entweihen sollten! – Wenn ich mithin beweise, daß mein Verfahren den ausgebreitetsten Nutzen stiftet, so beweise ich dadurch ohne Zweifel, daß es lobenswürdig ist; und dies ist so leicht zu erweisen. Daß meine Handlung von den vortheilhaftesten Folgen für das Publikum sei, sollte man das erst zeigen müssen? Ich verkaufe das Arkanum weit wohlfeiler als der Kläger; der gemeinste Mann wird also dadurch in den Stand gesetzt, es sich anzuschaffen, was er bei dem hohen Preise des Alleinhändlers nicht kann; ich nöthige es dem unaufgeklärten Haufen durch meine Betriebsamkeit und durch alle Künste der Beredsamkeit auf, und brenne so von Eifer für das Beste Andrer, daß ich sie fast zwinge, sich durch diese heilsame Arznei gesund zu machen. Welch' ein Verdienst um die leidende Menschheit! Könnte ich doch Eurer Majestät das Aechzen der Leidenden, das Röcheln der Sterbenden recht lebhaft malen, die durch die von mir gekaufte Arznei gerettet worden sind! Wie vielen Kindern habe ich ihre Väter, die bereits in den Händen des Todes waren, wieder zurückgegeben! ihnen die Möglichkeit zu guten Staatsbürgern gebildet zu werden, und einst wieder ihre Kinder, und vermittelst dieser ihre ganze Nachkommenschaft zu guten Staatsbürgern zu bilden, zurück gegeben! Man berechne die Arbeiten, welche Jeder, dem durch diese wunderthätige Arznei einige Jahre zu seinem Leben hinzugesetzt werden, in diesen Jahren noch zur Kultur des Landes verrichten kann; die noch größere Kultur desselben, die hierdurch wieder möglich wird, und so in's Unendliche fort; berechne die Menge. der Kinder, die er in diesen Jahren noch zeugen kann, und die Kinder dieser Kinder: und ziehe das Resultat der vergrößerten Volksmenge, und Kultur, die dadurch erfolgt, und welche schlechterdings nicht möglich war, wenn ich nicht dem Kläger seine wohlthätigen Tropfen raubte.

Es sagen zwar freilich verläumderische Zungen, daß das Arkanum gemeinhin ein wenig verdorben bei mir gekauft worden; und wenn ich ihnen auch – ich liebe die Wahrheit – sollte zugestehen müssen, daß an der Sache etwas sei: so ist das warlich nicht meine Schuld. Ich würde lieber, wenn ich könnte, ihm noch größere Kraft geben, damit man es allein bei mir kaufte, und mein Kläger alle seine Kunden verlöre; und das bloß aus Liebe zum allgemeinen Besten. Aber wie sollte es mir bei der beständigen Flucht, auf der ich vor meinem Gegner sein muß, und bei der Beschimpfung, die er meiner Handthierung anthut, und die mich nöthigt die lockersten Gesellen anzunehmen, möglich sein, es mit der gehörigen Sorgfalt aufzubewahren? Wenn nur einmal meinem Gewerbe völlige Ehre und Sicherheit zugesprochen sein wird, wie ich um der großen Nützlichkeit desselben hoffe, so werde ich dadurch zugleich in Stand gesetzt werden, auf die Konservazion desselben mehr Sorgfalt zu wenden.

Ich werde angeklagt, dem Verfertiger des Arkanums, und dadurch mittelbar dem Publikum zu schaden, weil Kläger, wenn ich in die Länge fortfahre ihm seine Tropfen wegzunehmen, nothwendig verarmen, und außer Stand gesetzt werden müsse, den Chemiker weiter zu bezahlen, weshalb denn dieser nothwendig die Arbeit werde einstellen müssen. – Allein, da kennt man den Mann nicht. Er wird sie darum nicht einstellen; denn es ist einmal seine Liebhaberei, und er arbeitet ja so nur um der Ehre willen. Im Gegentheil, je mehr ich seinem Unterhändler wegnehme, und je weniger dieser ihm für die Arznei wird bezahlen können; desto mehr wird er arbeiten müssen, um kümmerlich zu leben: desto mehr wird folglich diese heilsame Arznei vervielfältiget werden. Und wird nicht sein Ruhm durch mich in die entferntesten Dörfer verbreitet? posaune ich ihn nicht, mit lauter Stimme, an jedem Jahrmarkte, aus meiner Bude? steht nicht sein Namen auf allen meinen Büchsen und Gläsern mit großen Buchstaben, in Golde? Ist ihm das nicht Ehre genug? braucht er dazu noch Brot? Er mag von der Ehre leben!

Endlich soll ich Klägern Nachtheil verursachen. – Aber ich muß gestehen, daß hier mich mein kaltes Blut verläßt. Ich muß Ihnen sagen, mein Herr, daß Sie sich der Unbilligkeit dieser Anklage schämen sollten. Haben Sie nicht schon genug durch Ihren Alleinhandel gewonnen? Ach! dürfte ich doch den Verlust, den Sie zu haben vorgeben, mit Ihnen theilen! Warum wollen Sie mir denn nicht erlauben Ihnen zu stehlen, was ich fortbringen kann? Warum wollen Sie mir denn nicht erlauben eine kleine Nachlese zu halten? Giebt es nicht noch itzt, seitdem ich diese reichlich halte, Leute genug, die entweder um der vermeinten größern Güte Ihrer Arznei willen, die doch wenig betragen kann, oder aus einem altfränkischen Vorurtheile an rechtmäßigem Besitze, und vermeinter Theilnahme an der Dieberei Andrer, lieber ihre theure Waare kaufen, als meine wohlfeile; – als ob ich nicht auch, wenn man denn einmal von Rechtmäßigkeit reden will, dadurch das rechtmäßige Eigenthum Ihrer Waare erhielte, daß ich mir die Mühe gebe, sie zu stehlen?

Vielmehr habe ich, wenn Sie kalt darüber nachdenken wollen, eben um Sie Selbst das größte Verdienst. Sie kennen noch Ihren Chemiker nicht. Schon längst dachte er, voll Neid über den Gewinn, den Sie durch sein Arkanum machen, darauf, sich des Handels mit demselben selbst zu bemächtigen. Er hat zwar seine Zeit weit nöthiger zur Verfertigung desselben; er versteht zwar nichts vom Arzneihandel; er ist zwar bei einigen Versuchen im Kleinen schon sehr übel angekommen: aber dennoch – glauben Sie mir's auf mein Wort – er hätte Sie des Handels beraubt. Nur, schlau wie er ist, merkte er meinen Anschlag auf Ihren Waarenkasten, und wollte lieber Sie, als sich selbst, bestehlen lassen. Wenn Sie also überhaupt noch in einigem Besitze des Handels sind, so haben Sie es mir zu verdanken.

Dies sind die beträchtlichsten Dienste, Glorwürdigster Nachfolger des Propheten, die ich dem gläubigen Volke, die ich dem nützlichen Verfertiger des Extrakts, die ich dem Kläger selbst leiste. Und ich nun, was habe ich dafür? Wenn man den geringen Preis, um den ich das Arkanum verkaufe, gegen die Kosten, die ich auf desselben Konservazion doch wende, die Reisen, die ich mache, berechnen will; so wird man finden, daß mir die Mühe sie zu stehlen, sehr gering bezahlt wird, und daß ich die Verläumdungen meines Gegners, die Schurken und Diebe, die er gegen mich ausstößt, fast ganz umsonst hinnehmen, oder nur sehr niedrig in Anschlag bringen muß. Durch diese Verunglimpfungen wird mir nun mein ehrlicher Namen, auf welchen die Menschen einen so großen Werth setzen sollen, jämmerlich abgeschnitten, so daß rechtliche Leute schon anfangen sich sehr zu bedenken, ob sie mir abkaufen wollen. Ich bin also ein Märtyrer für das Beste der Welt; und wenn eine Handlung dadurch gewinnt, daß man recht viel bei ihr aufopfert, so ist die meinige eine der verdienstlichsten. Dies Verdienst möchte ich mir nun gern nicht rauben lassen, wenn nicht durch die Ehrlosigkeit, die dadurch auf mein Gewerbe fällt, der Fortgang desselben gehindert, und dem allgemeinen Besten Abbruch gethan würde. Ich bitte demnach Eure Majestät anzubefehlen, daß hinführo Jeder mein Gewerbe für ein ehrliches halte, bei namhafter Strafe; und daß Kläger gehalten sei, mir nicht nur Abbitte und Ehrenerklärung zu thun, und öffentlichen Dank für den geleisteten Dienst abzustatten, sondern auch inskünftige sich von mir bestehlen zu lassen, so viel ich will.

So redete der Marktschreier. Wie würde Herr Reimarus, wie würde jeder Gerechtigkeitsliebende hierbei geurtheilt haben? – Eben so urtheilte der Khalif. Er ließ den nützlichen Mann aufhängen.

Königsberg, im Oktober 1791.2

J.G. Fichte.

1

Nachdem ich diesen Aufsatz völlig geschlossen hatte, lese ich die Abhandlung des Herrn Prof. Kant, Berl. Monatsschrift, Mai 1785: über die Unrechtmäßigkeit der Büchernachdrucke, die ich vorher durch einen Zufall nie gelesen hatte. Mit dem Manne sich auf Einem Wege finden, ohne von seinem Gange etwas gewußt zu haben, thut wohl. Auch Er will diesen Beweis nicht auf einen stillschweigenden Vertrag zwischen Verfasser und Publikum gegründet haben, sondern sagt sogleich zu Anfange seiner Abhandlung, daß in der Voraussetzung, daß der Verleger Eigenthümer des Buchs sei, mithin sein Eigenthumsrecht auf den Verkäufer übertragen könne, ein solcher Beweis schlechterdings unmöglich sei. Die Resultate dieser Abhandlung, daß nehmlich der Verleger nicht als Eigenthümer son dern als Stellvertreter des Verfassers zu betrachten sei, und mithin kein Recht auf den Verkäufer übertragen könne, das er selbst nicht habe, kommen, eben so wie die Anwendung auf Kunstwerke, mit den unsrigen vollkommen überein. Den Beweis davon gründet Herr Prof Kant auf die Unterscheidung, daß ein Buch kein opus, sondern opera (ein bloßer Gebrauch der Kräfte des Verf.) sei. — Daß er [sic] dies nun sei, erhellet daraus, weil der Verf. ihm seine eigenthümliche Form geben müsse, damit es durch ihn, und zwar so und nicht anders bestimmt, möglich wäre. Opera ist nehmlich alles dasjenige, was nur durch unsre eigenthümliche Geistesform völlig bestimmt werden kann; das treflichste Gemälde ist darum opus, weil sein Wesentliches (seine Schönheit) von einer körperlichen Form abhängt, und dürfte drum wohl nachgemacht werden, wenn es könnte. (Das ihm zum Grunde liegende Geistige, z. B.: Idee des Ganzen, Charakter, Ausdruck u. dgl. hängt wohl von der Geistesform ab: aber davon ist bei'm Gemälde eigentlich nicht die Rede.)

2

Der Umstand, warum diese Abhandlung so spät gedruckt wird, kann dem Leser sehr gleichgültig sein. Nur schien die Anzeige des Datums nöthig, damit man dem Hrn. Verfasser keinen Vorwurf daraus mache, daß er auf neuere Schriften über diesen Ge[gen]stand, z.B. von Hrn. Müller in Itzehoe von Hrn. von Knigge, u.a. nicht Rücksicht genommen hat.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 2, Berlin 1845/1846.
Erschienen in: Berliner Monatsschrift 21 (1793), S. 443-483.
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