I. Bd., III. Thls.

34. Suttaṃ.

Das Glück

[909] Es giebt ein Glück, allein wir kennen's nicht:

Wir kennen's wohl, und wissen's nicht zu schätzen.

Goethe.


So habe ich gehört: Zu einer Zeit weilte der Erhabene zu Ālavī, am Kuhwege, in einem Siṃsapā-Walde11, auf einem Lager von Blättern. Da nun bemerkte ein Einwohner von Ālavī namens Hatthako, als er durch den Wald gieng, den Erhabenen am Kuhwege, im Siṃsapā-Walde, in Meditation versenkt, auf einem Laublager sitzen. Hierauf schritt er zu dem Orte, wo der Erhabene sich befand, hin, begrüsste den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Dort sitzend sprach nun der Ālavaker Hatthako zu dem Erhabenen also:

»Lebt, o Herr, der Erhabene wohl glücklich?«

»So ist es, o Jüngling, ich lebe glücklich. Und von Denen, die in der Welt glücklich leben, bin ich auch Einer.«

»Kalt, o Herr, ist die Winternacht, es kommt die Zeit des Reifs, rauh ist der von den Hufen der Rinder zertretene Boden, dünn ist das Laublager, fein sind die Blätter der Bäume, leicht die gelben Mönchsgewänder, scharf weht der schneidende Winterwind!«

Darauf nun erwiderte der Erhabene:

»So ist es, o Jüngling; ich lebe glücklich. Und von Denen, die in der Welt glücklich leben, bin ich auch Einer. – Wohlan denn, o Jüngling, jetzt werde ich dich auch befragen; wie es dir beliebt, so mögest du antworten.

Was hältst du davon, o Jüngling: nimm an, ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, besitze da eine Villa, geziert und bemalt, geschützt, mit festen Thüren und schliessbaren Fenstern versehn; darin befänden sich Diwans mit wollenen, weichen, schön-gewebten Stoffen bedeckt, mit Polstern und Kissen aus zartesten Antilopenfellen, mit Bettdecken, mit auf beiden Seiten befindlichen rothen Pfühlen, und [909] eine Lampe brenne in diesem Gemache; und vier Frauen, reizend und liebenswürdig, wären dienstbereit: was meinst du, o Jüngling, lebte Jener glücklich oder nicht, oder wie befände er sich dort?«

»Glücklich lebte er, o Herr!«

»Von Denen, die in der Welt glücklich leben, ist Jener auch Einer. – Was meinst du, o Jüngling: können nun aber bei diesem Hausvater, oder Sohne eines Hausvaters, durch die Begierden gezeitigte Quaalen, körperliche oder geistige, entstehn, durch welche gequält er leidvoll lebte?«

»So ist es, o Herr!«

»Jene Begierden nun, o Jüngling, durch deren ihnen nothwendig inhärirende Quaalen dieser Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, gequält leidvoll lebte: diese Begier ist von dem Vollendeten verlassen, mit der Wurzel vernichtet, total vertilgt, so dass sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln kann. Daher lebe ich glücklich. – Was meinst du, o Jüngling: können nun ferner bei diesem Hausvater, oder Sohne eines Hausvaters, durch Hass gezeitigte Quaalen, körperliche oder geistige, entstehn, durch welche gequält er leidvoll lebte?«

»So ist es, o Herr!«

»Jener Hass nun, o Jüngling, durch dessen ihm nothwendig inhärirende Quaalen dieser Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, gequält leidvoll lebte: dieser Hass ist von dem Vollendeten verlassen, mit der Wurzel vernichtet, total vertilgt, so dass er nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln kann. Daher lebe ich glücklich. – Was meinst du, o Jüngling: können nun ferner bei diesem Hausvater, oder Sohne eines Hausvaters, durch Verblendung gezeitigte Quaalen, körperliche oder geistige, entstehn, durch welche gequält er leidvoll lebte?«

»So ist es, o Herr!«

»Jene Verblendung nun, o Jüngling, durch deren ihr nothwendig inhärirende Quaalen dieser Hausvater, oder Sohn eines Hausvaters, gequält leidvoll lebte: diese Verblendung ist von dem Vollendeten verlassen, mit der Wurzel vernichtet, total vertilgt, so dass sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln kann. Daher lebe ich glücklich.


An jedem Ort lebt glücklich der Brāhmane12, der ans Ziel gelangt,

Der, unbefleckt von Gier und Lust, erloschen und entdaseint ist.

Durchschnitten hat er jedes Band, des Herzens herbe Pein zerstört,

Beruhigt lebet glücklich er: zutheil ist ihm Gemüthsfriede.«


Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 909-911.
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