Siebente Rede

Waldeinsamkeit

[122] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« – »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Die Arten der Waldeinsamkeit will ich euch Mönchen erklären; höret es und achtet wohl auf meine Rede.«

»Ja, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Da lebt, ihr Mönche, ein Mönch in einer Waldeinsamkeit: und während er in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er nicht, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm kümmerlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in dieser Waldeinsamkeit: und während ich in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich nicht, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an [122] Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir kümmerlich zu.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll bei Tag oder bei Nacht diese Waldeinsamkeit verlassen, nicht bleiben.

Da lebt nun, ihr Mönche, der Mönch in einer anderen Waldeinsamkeit: und während er in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er nicht, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm reichlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in dieser Waldeinsamkeit: und während ich in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich nicht, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir reichlich zu; aber ich bin ja nicht der Kleidung halber aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert, nicht der Nahrung, nicht der Lagerstatt, nicht der Arzeneien halber bin ich aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert. Doch während ich da in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich nicht.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll dann nach einiger Zeit diese Waldeinsamkeit verlassen, nicht bleiben.

Da lebt, ihr Mönche, ein Mönch in einer Waldeinsamkeit: und während er in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm kümmerlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in dieser Waldeinsamkeit: und während ich in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir kümmerlich zu; aber ich bin ja nicht der Kleidung halber aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert, nicht der Nahrung, nicht der Lagerstatt, nicht der Arzeneien halber bin ich aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert. Doch während ich da in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche [123] Sicherheit erreiche ich.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll dann eine Zeitlang in dieser Waldeinsamkeit bleiben, nicht fortgehn.

Da lebt nun, ihr Mönche, ein Mönch in einer anderen Waldeinsamkeit: und während er in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm reichlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in dieser Waldeinsamkeit: und während ich in dieser Waldeinsamkeit, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir reichlich zu.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll dann zeitlebens in dieser Waldeinsamkeit bleiben, nicht fortgehn.

Da lebt, ihr Mönche, ein Mönch in der Umgebung eines Dorfes oder einer Burg oder einer Stadt, in diesem oder in jenem Lande, in Gesellschaft dieser oder jener Person: und während er in solcher Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er nicht, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm kümmerlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in Gesellschaft dieser Person: und während ich in solcher Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich nicht, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir kümmerlich zu.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll bei Tag oder bei Nacht jene Person ohne Abschied verlassen, nicht bleiben.

Da lebt nun, ihr Mönche, der Mönch in Gesellschaft einer anderen Person: und während er in dieser Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er nicht, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm reichlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in Gesellschaft dieser Person: und während ich in dieser Gesellschaft, noch ohne Einsicht, [124] lebe, gewinne ich keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich nicht, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir reichlich zu; aber ich bin ja nicht der Kleidung halber aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert, nicht der Nahrung, nicht der Lagerstatt, nicht der Arzeneien halber bin ich aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert. Doch während ich da in dieser Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich keine, das zerstreute Gemüt sammelt sich nicht, der unversiegte Wahn versiegt nicht, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich nicht.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll dann nach einiger Zeit jene Person ohne Abschied verlassen, nicht bleiben.

Da lebt, ihr Mönche, ein Mönch in Gesellschaft dieser oder jener Person: und während er in solcher Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm kümmerlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in Gesellschaft dieser Person: und während ich in solcher Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich, was aber ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir kümmerlich zu; aber ich bin ja nicht der Kleidung halber aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert, nicht der Nahrung, nicht der Lagerstatt, nicht der Arzeneien halber bin ich aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert. Doch während ich da in solcher Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreiche ich.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll dann eine Zeitlang bei jener Person bleiben, nicht fortgehn.

Da lebt nun, ihr Mönche, ein Mönch in Gesellschaft einer anderen Person: und während er in dieser Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebt, gewinnt er sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte unvergleichliche Sicherheit erreicht er, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt ihm reichlich zu. Dieser Mönch, ihr Mönche, soll also erwägen: ›Ich lebe da in Gesellschaft dieser Person: und während ich in dieser Gesellschaft, noch ohne Einsicht, lebe, gewinne ich sie, das zerstreute Gemüt sammelt sich, der unversiegte Wahn versiegt, die unerreichte [125] unvergleichliche Sicherheit erreiche ich, und was ein Asket zur Fristung des Lebens braucht, an Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzeneien für den Fall einer Krankheit, das fließt mir reichlich zu.‹ Dieser Mönch, ihr Mönche, soll dann zeitlebens bei jener Person bleiben und nicht fortgehn, wenn er nicht fortgejagt wird.«


Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 1, Zürich/Wien 41956, S. 122-126.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.

158 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon