[31] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.
Da begab sich denn eines Morgens der Erhabene, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schale versehn, auf den Almosengang nach Sāvatthī.
Nun war da gerade bei Bhāradvājo dem Feuerpriester vor dem Hause ein Feuer angefacht, ein Opfer angerichtet worden.
Es kam aber der Erhabene auf seinem Gange durch die Stadt von Haus zu Hause tretend bis zum Vorhof bei Bhāradvājo dem Feuerpriester heran. Da sah nun Bhāradvājo der Feuerpriester den Erhabenen von ferne schon herankommen und bei diesem Anblicke sprach er also zum Erhabenen:
»Nicht näher, du Kahlkopf, nicht näher, du Pfaffe, nicht näher, du Hundsfott, bleibe du stehn!«1
Also angesprochen wandte sich der Erhabene also an Bhāradvājo den Feuerpriester:
»Kennst du auch, Priester, den Hundsfott, oder was da hundsföttisch sein läßt?«
»Nicht wohl, o Gotamo, kenn' ich den Hundsfott, oder was da hundsföttisch sein läßt: gut wär' es, wollte mir Herr Gotamo die Satzung dahin auslegen, daß ich den Hundsfott, oder was da hundsföttisch sein läßt, erkennen kann.«
»Wohlan denn, Priester, so höre und achte wohl auf meine Rede.«
»Gern, o Herr!« sagte da aufmerksam Bhāradvājo der Feuerpriester zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:
116
Von Zorn entzündet, Neid erhitzt,
Wer heimlich Bosheit in sich birgt,
Mit falschem Blicke Heuchler bleibt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
[32] 117
Ein Tier der Erde, Tier der Luft,
Wer je ein Wesen da verletzt,
Bei Leben kein Erbarmen kennt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Wer züchtigt, wer da Plage schafft,
In Dorf und Stadt Verstörung wirkt,
Als Geißel ist er wohlbekannt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
In Dorf und Wald an Hab und Gut
Was andern eignet, angehört,
Als Dieb wer ungeschenkt es nimmt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
120
Ein Anlehn wer sich aus da leiht
Und ab dann leugnet, mahnt man ihn,
»Nichts hab' ich je geliehn von dir«:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Wer beutegierig Beute sucht,
Am Weg den Leuten lauert auf,
Als Räuber fremde Habe rafft:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Zu eignen Gunsten, andrer Gunst,
Wer irgend auf Gewinn bedacht,
Verhört als Zeuge, Lüge spricht:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
123
Wer Anverwandten, Freunden wer
Geheim entwendet Frauenhuld,
Gewaltsam oder gern gewährt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
[33] 124
Der Mutter wie dem Vater auch,
Dem Greise, der gebrochen geht,
In Ehrfurcht nicht mehr dienen da:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
125
Der Mutter wie dem Vater auch,
Und Bruder, Schwester, Schwiegerpaar,
Mit roher Rede bieten Trotz:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
126
Gebeten um ein heilsam Wort
Unheilsam wer Gebote gibt,
Verstohlne Stapfen anempfiehlt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Wer böse Tat begangen hat,
»Man braucht es nicht zu wissen« wünscht,
Verstohlen handelt, wohlverstellt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Bei andern wer zu Gaste geht,
Erlesne Gabe gern genießt,
Bei sich den Gast nicht wiederehrt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Wo immer Priester, wo Asket,
Um Gabe wo ein Bettler kommt,
Mit falschem Worte höhnen ihn:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
130
Wo immer Priester, wo Asket
Um Mittag, wann das Mahl man bringt,
Mit rohem Worte wird verscheucht:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
[34] 131
Unedel wer Gespräche führt,
In blinden Eifer ein sich spinnt,
Auf Beute lüstern läuft umher:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Sich selber wer da brüsten mag,
Gering den andern schätzen ab,
Sein Dünkel duckt ihn nieder nur:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
133
Den Nächsten wer aus Habgier neckt
Um schlimm zu raten, schlau für sich,
Kein Schämen, kein Bescheiden kennt:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
134
Den Auferwachten wer da schmähn,
Den Jünger ihm beschimpfen mag,
Ob Klausner, ob es Hausner sei:
Er heißt ein Hundsfott, wie man sagt.
Doch wer nicht heilig ist bewährt,
Nur andern heilig scheinen will,
Übt Raub an Erd- und Himmelreich,
Für ärgsten Hundsfott hält man ihn;
Warum man also Hundsfott heißt,
Ich hab' es deutlich dir gezeigt.
Geburt macht keinen Hundsfott aus,
Geburt läßt keinen Priester sein:
Die Tat macht einen Hundsfott aus,
Die Tat läßt einen Priester sein.
[35] 137
Das kann man wohl auch daran sehn,
Wie solchen Ruf ich deuten darf:
Ein ausgestoßner Schindersohn,
Mātaṉgo, weiß man, war berühmt.
138
Den höchsten Ruhm gewann er hier,
Mātaṉgo, wie kein andrer kaum:
Ihm aufzuwarten kamen sie,
Der Fürsten viele, Priester viel.
Auf Götterfährte fuhr er hin,
Auf Heldenbahnen ohne Fehl;
Dem Reich der Reize fern entrückt,
Ins Reich der Himmel zog er dann:
Kein Hemmnis war Geburt ihm noch,
Auf daß er himmlisch kehrte heim.
Ersprossen aus gelehrter Zunft,
Ihr Spruchwerk spinnen Priester fort:
Und wo auch Böses da geschieht,
Alsbald erscheinen sieht man sie.
141
Verrufen hier im Leben schon,
Im Tode gehn sie abwärts ein:
Es kann sie schützen nicht Geburt
Vor Übelfährte, Übelruf.
142
Geburt macht keinen Hundsfott aus.
Geburt läßt keinen Priester sein:
Die Tat macht einen Hundsfott aus,
Die Tat läßt einen Priester sein.
[36] Nach diesen Worten wandte sich Bhāradvājo der Feuerpriester also an den Erhabenen:
»Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Gotamo, als ob einer Umgestürztes aufstellte, oder Verborgenes enthüllte, oder Verirrten den Weg zeigte, oder bei Nacht eine Lampe hinstellte: ›Wer Augen hat wird die Dinge sehn‹: ebenso auch ist von Herrn Gotamo die Lehre gar vielfach gewiesen worden. Und so nehm'ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger soll mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu.«1
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