Amatapadam, Maccuno-padam (v. 21): der Lebenspfad, der Todespfad; Dhammapadam (v. 44, 45): der Wahrheitpfad.
FAUSBÖLL und WEBER haben dies verkannt, weil in v. 102 padam auch einmal = pādo, Versfuß, gebraucht wird, und daher »versus legis«, »Lehrsprüche« übersetzt. Mit demselben Rechte könnte man Amatapadam als »Lebenssprüche«, Nibbānapadam (Suttanipāto v. 204, 1086), den Pfad zum Nibbānam, als »Nibbānamsprüche« übersetzen. Allein abgesehn davon, daß padam in solcher Verbindung nur Pfad heißen kann, auch von anderer Seite zeigt sich die Unmöglichkeit der Wiedergabe durch »Sprüche, Verse«. Wenn eine gleichfalls zum Khuddakanikāyo gehörige Textsammlung den Titel Itivuttakam führt, so ist dieser leicht erfindlich, weil jedes Vuttakam ein in sich abgeschlossenes Ganzes, ein bei einer bestimmten Gelegenheit Gesprochenes darstellt, ebenso Udānam, Apadānam etc., wo überall pars pro toto gilt. Hier liegt aber die Sache ganz verschieden, pādo, oder wenn man will padam, in der Bedeutung Spruchfragment ist kein für sich bestehender Teil des Ganzen, sondern nur ein Teil des Teiles, ein Versfuß, ein Viertelvers (als solcher natürlich meist unverständlich, vergl. die schönen Beispiele in meinem: »Des Sārasaṉgaho I. Kapitel«, Leipzig 1891, p. 12) und gerade diese Unselbständigkeit erhellt, recht drastisch aus dem 102. Verse: ein einziger Viertelvers ist besser als etc. Dhammapadam so aufgefaßt, statt richtig als padam = Pfad, hieße also wörtlich: Wahrheitviertelverse. Hätte nun derjenige, welcher wohlüberlegt den Titel Dhammapadam, nicht Dhammapādam, gewählt hat, damit schlechthin eine Spruchsammlung bezeichnen wollen, würde er sich gewiß für den allein geeigneten Titel Dhammagāthā entschieden haben, entsprechend den Theragāthā, den Therīgāthā, den Munigāthā etc. Freilich ist das Dhammapadam eine Spruchsammlung: aber der, genau betrachtet, ganz unzweideutige Titel ordnet eben das Ganze einem höheren Begriffe unter. Auch sonst hat man ja häufig Spruch- und Versesammlungen unter charakteristischen Namen vereinigt, z.B. Mohamudgaras, »Der Wahnschlägel«; als »Cherubinischen Wandersmann« bezeichnete der bewunderungswürdige und unabsehbar tiefe Angelus Silesius, wie SCHOPENHAUER ihn nennt, die kräftigste, innigste christliche Spruchsammlung: »Gli eroici furori« überschrieb GIORDANO BRUNO nach reiflicher Überlegung (siehe Argomento) sein gleichfalls hierher gehöriges poetisches Meisterwerk; und schon vor GOTAMO BUDDHO hatte LAO-TSE seine wunderbaren Aphorismen Tao-te-king1 genannt.
GOGERLY und SPENCE HARDY, die jahrzehntelang unter den buddhistischen Mönchen auf Zeilon lebten, haben zuerst die eigentliche Bedeutung festgestellt: »Footsteps of religion«, »Paths of religion« (Eastern Monachism p. 169), und später hat MAX MÜLLER die auch grammatikalisch zutreffende Übersetzung von Dhammapadam gegeben, indem er padam ganz richtig als Singular betrachtet: »Path of virtue« (Buddhaghoso's Parables, translated from Burmese by Captain T. ROGERS,. R.E. With an Introduction, containing BUDDHO'S Dhammapadam, or »Path of virtue«, translated from Pāli by F. MAX MÜLLER, M.A., London 1870). In seiner zweiten Ausgabe, Oxford 1881, läßt er zwar Dhammapadam auf dem Titelblatte unübersetzt, gibt jedoch eine lesenswerte Zusammenstellung des Wichtigsten in der Einleitung: »The title of [819] Dhammapadam«, p. XLV-XLIX. Besonders wertvoll ist aber der Artikel padam in CHILDERS' Dictionary: obgleich dieser gründliche Gelehrte in unserem Falle das Wort leider mißverstanden hat, so sprechen seine zahlreichen Belegstellen (e.g. santam padam, sukhapadam, otaraṇapadam, hatthipadam, padānugo, apado) doch sehr zu Gunsten der durch GOGERLY und SPENCE HARDY vertretenen zeilonesischen Tradition.