Das Dreissiger-Bruchstück

Subhā/Die Walderemitin

[587] 366

Im heitern Haine Jīvakos,

Wo Mango blüht, ging Subhā um;

Da trat ein Schelm ihr in den Weg,

Und Subhā sprach ihn also an:


367

Was hab' ich, Guter, dir getan,

Daß du den Gang mir wehren willst?

Asketin darf gemeinsam nicht

Mit Männern umgehn, einig sein.


368

Im ernsten Orden meines Meisterherrn,

Da hab' ich kämpfen lernen lichten Kampf,

Vollenden rein den reinen Pfad:

Was magst du hemmen, halten mich?


369

Mich Unvertrübte, trüber Mann,

Mich Unverstörte, Störer du,

Die geisterlöst ist überall:

Was magst du hemmen, halten mich?


Der Schelm:


370

So jung bist du, so sündenlos,

Asketentum, was taugt es dir?

Den fahlen Kittel, wirf ihn weg:

O komm', und lass' uns glücklich sein

Im Blütenhain!


[588] 371

Gar süße Düfte duften hold umher

Aus Büschen, Bäumen, starr vor Blütenstaub,

Der junge Lenz, er weht uns wonnig an:

O komm', und lass' uns glücklich sein

Im Blütenhain!


372

Die wipfelhoch beblühten Bäume rings,

Geregt von lauen Lüften rauschen sie:

Wie soll dir Wonne da bereitet sein,

Wenn einsam du im Walde weilst allein?


373

Wo wilde Tiere lauernd schleichen um,

Wo toll der Elefant in Brünsten brüllt

Willst ungeleitet wandeln, unbeschützt,

Verlassen, schaurig öde, tief im Forst?


374

Bist goldgetriebnem Säulenbilde gleich,

Gehst um wie Sonnenhelle Göttin hier:

Gehüllt in Seidenschleier, lieblich, leicht,

Wirst, unvergleichlich Holde, glänzen du!


375

In deinem Dienste will ich selig sein,

Lass' in der Laube heimlich weilen uns:

Kein Wesen gibt es, teurer mir als du,

Du Huldin, die so lässig, müde blickt!


376

O, wenn mein Sehnen du erhören willst,

Gesegnet sei, im Hause walte hell:

Und in Palästen sollst du leben sanft,

Sollst Herrin über mein Gesinde sein.


377

Gewänder trage, fein gewebt und reich,

Gekrönt mit Kränzen geh' du, kühl gesalbt,

Und Gold, Juwelen, Perlen geb' ich dir

Und schmücke kostbar dich mit jedem Schmuck.


[589] 378

Das blaß gebleichte, weiße Linnenlach,

Den Pfühl, so wollig weich gepolstert auf,

Mein stolzes Hochzeitbett besteige du,

Wo Sandelrahmen hauchen Wohlgeruch.


379

Wie Lotus, rauh gerafft aus kühler Flut

Und nicht gepflegt von milder Menschenhand,

So wirst auch du, asketisch kummervoll,

In deinem Gliederglanze welken hin.


Subhā:


380

Was wähnst du hier von Glanz und Glück?

Verwesung fault in mir und fördert Leichenwerk,

Da dieser Leib zerfallen muß:

Du blickst ihn an – und bist geblendet, ach!


Der Schelm:


381

Du blickst mich an gazellenzag,

Der lichten Elbin gleich im Bergeshag:

Und weil ich seh' in deine Augen dir

Wächst heiß und heißer Liebeslust in mir.


382

Gerundet länglich, lotusknospenlicht,

Wie eitel Gold ist rein dein Angesicht:

Und weil ich seh' in deine Augen dir

Wächst heiß und heißer Liebesmut in mir.


383

Vergessen könnt' ich nimmer, noch so fern,

Die weite Wimper ober hellem Stern:

Kein Auge hat mich, Huldin, so entzückt

Wie deines, ach, das lässig, müde blickt.


[590] Subhā:


384

Im Unbetretnen willst du treten auf,

Den Mond verlangst als Spielzeug du für dich,

Zu springen hoffst du über Meru hin,

Der minnen du des Meisters Tochter willst.


385

Nicht gibt es irgend Gier in aller Welt

Woran ich hangen könnte heut:

Gerodet ist sie völlig aus,

Zertreten treulich, mit dem Wurzelmark.


386

Geworfen jäh wie Feuer weg,

Geschätzt am besten ab als Giftpokal:

Gerodet ist sie gänzlich aus,

Zertreten treulich, mit dem Wurzelmark.


387

Die nichts begreifen, nichts ergründen mag,

Den Meister nicht vernommen hat, gemerkt:

Wenn solche Nonne du versuchst

Verstörst du sie, die nicht genau versteht.


388

Ich aber, ich bin aufgeweckt,

In Lob und Tadel, Lust und Leiden wach:

»Verwesen muß Gewordnes« merk' ich da,

Und nirgend haftet wieder neu das Herz.


389

Die Siegersatzung kenn' ich gut,

Auf achtmal echter Fährte fahr' ich hin:

Kein Stachel sticht, bin wahnerlöst,

In leerer Klause weilend hell verklärt.


[591] 390

Ich hab' sie stattlich stehen sehn,

Die neuen Pfosten, fest gefügt, gepfählt,

Gestemmt, gestützt, verbohlt, verbolzt,

Verbunden innig, innig eingebaut.


391

Doch was gebaut ist bebt und wankt

Und reißt und bricht und bröckelt eilig ab:

In Trümmern trifft man keinen Hort!

Wo kann man bergen, hüten da das Herz?


392

Und also zeig' ich dir den Leib:

Durch Stoffe steht er, stoffbelebt,

Zergeht, zerfällt wo Stoff erstirbt!

Wo kann man bergen, hüten da das Herz?


393

Wie fleckig angeflossen, gelb verfärbt

Ein Bild ich sah, gemalt auf Mauerwand,

Mußt diesen Körper du verderben sehn:

Erbärmlich offenbart sich Menschenwitz!


394

Als ob du Trug für wahres Werk,

Den goldnen Baum des Traumes hieltest echt,

Als Blinder bist du nur genarrt,

Packst unter Menschen bloß die Puppen an.


395

Der Kugel gleicht er, astlocheingekeilt,

Schwillt auf im Innern drüsig, tränenfeucht,

Läßt unterm Lide träufeln Harz hervor:

Der Augenball, gebildet künstlich gar.


[592] 396

Sie riß ihn aus – die schöne Maid!

Und fühlte Reue nicht, im Herzen heil:

»Wohlan, dies Auge, nimm es nur«,

So rief sie, hielt es, reicht' es jenem Manne hin.


397

Da war ihm Liebesgier vergangen eilig ja,

Und flehend sprach er »O, vergib,

Du Reine, sollst genesen sein:

Ach, nimmer wird dies Auge glänzen glau!


398

Mich Sünder hast du arg versehrt,

Als ob ich faßte Kohlen feurig an,

Als ob ich Vipern griffe fürchterlich –

Doch sei genesen nur! Vergib mir, ach!«


399

Erlöst ist Subhā weg von dort

Gewandert, hin zum auferwachten Herrn:

Und als sie höchsten Heiland sah

Erglänzte wie vorher das Auge licht.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 587-593.
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