Das Neuner-Bruchstück

Die Mutter Vaḍḍhos

[555] Die Mutter:


204

O daß du, Vaḍḍho, nimmer doch

Verlangen kenntest, weltbetört,

O daß du nimmer, teures Kind,

Erkürtest Leid um Leiden dir!


205

Gar süß, o Vaḍḍho, weilen sie,

Die Weisen, selig unbewegt:

Sie wanken nimmer, dürsten nicht,

Geduldig, sicher, wahnversiegt.


206

Den Weg, den sie gegangen sind

Um glaues Glück, die Seher dort:

Um alles Weh' zu tilgen aus,

O Vaḍḍho, wähle jenen Gang!


Vaḍḍho:


207

Erfahren bist du, redest recht,

O Mutter, die mir also rät!

Ich merk' es wohl, o Teure du:

Du kennst Verlangen nimmermehr.


[556] Die Mutter:


208

Was irgend icht erscheinen mag

Als böse, gut, als mittelbar:

Auch noch so winzig, noch so fein

Erkenn' ich kein Verlangen mehr.


209

Versiegt ist was da Wähnen war

In ernstem Eifer, zäher Zucht,

Errungen dreifach Wissen rein,

Vollendet was der Meister will.


210

Erhaben, herrlich mahnte sie,

Gab Anstoß einst, die Mutter mein,

Zum höchsten Heile weisend hin

Den Sohn, aus Mitleid, Mitgefühl!


211

Ihr Wort, ich hab' es wohl gehört,

Was mir die Holde mild gesagt:

Beseligt von der Wahrheit Macht

Gewinnen mocht' ich sichern Hort.


212

Und unermüdlich mutbegabt,

Und kühn beharrlich Tag um Tag,

Von ihr entlassen, früh belehrt,

Erforscht' ich höchsten Friedenspfad.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 555-557.
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