Das Zweier-Bruchstück

Nandā (I)

[519] 19

Den siechen, vollen, faulen Leib,

Sieh', Nandā, dir den Körper an:

Im Schauder schaffe heil das Herz,

Geeinigt innen, fest gefügt.


20

Was nirgend reizt erringe du,

Den Eigendünkel, reiß' ihn aus:

Und bist du tapfer, bist du rein,

So gehst du kühl, erloschen hin.


Jentī

21

Die sieben Fährten, fein gebahnt,

Geleise zur Erlöschung lind,

Gewandelt bin ich alle durch,

So wie's der Herr gewiesen hat.


22

Den Meister hab' ich jetzt gemerkt!

Das letzte Dasein leb' ich nun,

Zunichte geht die Wandelwelt,

Und nimmer gibt es Wiedersein.


Sumuttikā

23

Du Freie, ledig abgelöst,

Vom Frone bist du froh befreit! –:

Ein Bube ließ mich buhlen gehn

Um Geld für ihn, die arme Magd.


[520] 24

Nun hab' ich Geifer, habe Gier

Vergessen gänzlich überall:

Im Schatten sitz' ich, baumbeschirmt,

Und sinne »Selig was ich bin!«


Aḍḍhakāmī

25

Bis nach Benāres viel genannt

Vergab um Gold ich feile Gunst;

Ein Kaufmann warb um Schätze mich,

Als Schatz unschätzbar galt ich ihm.


26

Und Ekel fühlt' ich, schön zu sein,

Voll Überdruß entsagt' ich da:

»O, daß ich nimmer wieder doch

Geboren würde neu und neu!« –

Drei Wissen hab' ich hell erwirkt,

Erfunden was der Herr befiehlt.


Cittā

27

Und bin ich gleich ein zartes Weib,

Gebrechlich, elend, schwach gebaut:

Am Pilgerstabe geh' ich hin,

Zum Bergesgipfel steig' ich heut!


28

Der Mantel, der ist abgestreift,

Der Bettelnapf darauf gestülpt:

Geklommen bin ich klar empor

Aus Nebelnacht, gedrungen durch.


[521]

Mettikā

29

Und bin ich elend, bin ich alt,

Ein schwaches Weib nur, krank an Kraft:

Mit dieser Krücke will ich gehn,

Zum Bergesgipfel pilgern dort!


30

Den Mantel hab' ich abgelegt,

Den Bettelnapf gelassen bei:

Am jähen Joche sitz' ich so,

Und mein Gemüt, es löst sich ab –

Drei Wissen sind erfunden hier,

Erfüllt ist was der Herr befiehlt.


Mittā (II)

31

Bei Vollmond, beim erneuten Mond,

Bei jedem Viertel jedesmal,

Den Priestern folgend, wohl erprobt

An Opfergaben achtmal gut,

Beging ich da den Feiertag,

Begehrte Himmel, Götterhuld.


32

Mit Bettelbissen heute satt,

Geschoren kahl, gekleidet fahl,

Begehr' ich nimmer Götterhuld,

Genesen heil von Herzenot.


Abhayās Mutter

33

»Von unten bis zum Scheitel auf

Und wieder bis zur Sohle dann

Betrachte, traun, den lieben Leib,

Den faul gestopften, voll Gestank!«


[522] 34

In solchem Anblick, solcher Sicht

Vergangen ist mir alle Gier:

Die Brunst war eilig ausgebrannt;

Erloschen bin ich, bin erlöst.


Abhayā

35

»Gedenke, daß der Körper bricht,

Woran der Mensch vermessen hängt«:

Geduldig leb' ich ab den Leib,

Gewitzigt weise, klar bewußt.


36

Von arger Unbill, vieler Pein

Befreit im Kampfe, fröhlich kühn,

Das Hangen hab' ich mir entwöhnt,

Geschaffen was der Meister schafft.


Sāmā (I)

37

Zum vierten Male, fünften Mal

Ging aus der Klause weit ich weg,

Unmut im Busen, ungeeint,

Ohnmächtig elend im Gemüt!

Am achten Abend, endlich, ach,

Da war mein Wähnen ausgewähnt.


38

Von arger Unbill, vieler Pein

Befreit im Kampfe, fröhlich kühn,

Das Hangen hab' ich mir entwöhnt,

Geschaffen was der Meister schafft.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 519-523.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Traumnovelle

Traumnovelle

Die vordergründig glückliche Ehe von Albertine und Fridolin verbirgt die ungestillten erotischen Begierden der beiden Partner, die sich in nächtlichen Eskapaden entladen. Schnitzlers Ergriffenheit von der Triebnatur des Menschen begleitet ihn seit seiner frühen Bekanntschaft mit Sigmund Freud, dessen Lehre er in seinem Werk literarisch spiegelt. Die Traumnovelle wurde 1999 unter dem Titel »Eyes Wide Shut« von Stanley Kubrick verfilmt.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon