Die Teile hab' ich durchgedacht,
Den Durst nach Dasein ausgedarrt:
Vollendet hab' ich waches Werk,
Verödet was da Wähnen war.
162
Und weil ich seh' die Teile durch,
Und weil der Kitt geborsten ist,
Und weil Erweckung ward erlernt:
Erlösch' ich sicher, wahnversiegt.
[317] 163 · 164
Panādo hieß der Kaiserherr,
Der goldne Burgen einst gebaut,
Mit sechzehn Sälen, Tor an Tor,
Auf tausend Erkern tausendfach,
Das Banner tausend Bogen hoch,
Mit hundert Wimpeln, goldgewirkt:
Und Engelelfen tanzten da,
Sechstausend ihrer siebenmal.
Bedachtsam, deutlich abgeklärt,
Als Mönch ermuntert, machtbegabt,
Hab' zweier tausend Welten mich
In einer Nacht erinnert neu.
Der Einsicht Pfeiler pfählt' ich fest,
Acht Stufen stieg ich still empor,
Hab' zweier tausend Welten mich
In einer Nacht erinnert neu.
167
Was kühner Kampf, was Mut vermag,
Und was da wach den Menschen weckt,
Ich will es wirken unverwandt:
O sieh' mich sehnen, kämpfen kühn!
O zeige du den Weg mir an,
Die Furt aus arger Todesmacht:
Und schweigend werd' ich schweifen hin,
Gleichwie der Ganges hin zum Meer.
[318] 169
»Die Locken will ich abgerauft!«
Ich rief es laut, der Bader kam:
Ich nahm den Spiegel dann zur Hand
Und sah hinein und sah mich recht.
170
Und leer gewahrt' ich diesen Leib,
Mein Dünkel wich in dumpfe Nacht:
Und alle Locken sind gelöst,
Und nimmer gibt es Wiedersein.
172 · 172
Das Fünferhemmnis war gefällt,
Der Weg zum Heile offenbar;
Da späht' ich in den Spiegel hin
Der Wahrheit, wollte wissend sein,
Und sah mir diesen Körper an,
Von außen recht, von innen recht:
Und beides war da bald gesehn,
Wie leer der Leib ist überall!
Gleichwie der edle Büffelstier,
Zu Boden stürzend, bald ersteht,
Und also mächtig aufgemischt
Am Joche desto jäher zieht:
174
So mögt ihr mich, der sicher sieht,
Des wachen Meisters Jünger ist,
Als Edelstier betrachten, traun,
Den Sohn des Siegers, echt von Art.
O komme, Bruder, lass' uns gehn
Zum Lehrer, frohen Löwenruf
Ihm rufen zu, geziemend recht,
Den größten Sieger grüßen so:
176
»Warum der Meister mitleidvoll
Als Jünger uns genommen auf,
Der Grund, er ist ergründet nun,
Denn alle Bande sind zersprengt.«
Der Ruf der Weisen donnert laut
Wie Löwenruf im Felsentor,
Der Heldenruf, der Herrenruf
Erlöster über Todeslist.
178
Dem Lehrer hab' ich wohl gedient,
Sein Wort gepriesen, seine Zucht;
Geborgen bin ich, reich belohnt:
Den Sohn gewahr' ich wahnversiegt.
179
Die Edlen hab' ich hoch verehrt,
Gehört die Wahrheit oft und oft:
Erfahren bin ich, bahne mir
Die Furt aus arger Todesmacht.
Der Durst nach Dasein, der ist ausgetilgt,
Und nimmer wieder wird er wachsen je:
Gewesen nimmer, nimmer wieder neu,
Vollkommen aufgelöst in Ewigkeit.
Buchempfehlung
Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.
88 Seiten, 4.20 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro