Jugendliche Gelegenheitsgedichte.

HORATIVS.

(Quod si me Lyricis vatibus inseres!)[225]


CASSI PARMENSIS OPVSCVLA1.


Argutae primum quum plectra Parentis, & auro

Distinctam sumsit cytharam Rhodopeius heros

Ridebant segnes pulsus, digitosque micantes

Serius, & chordis indoctae dissona vocis.

– – – – – – – – – – – –

Donec ridiculus dudum, modulamine siluas

Euulsosque suis scopulos radicibus egit,

Ausus & ire viam – – –
[226]


Glückwunsch eines Sohns

am

Geburtstage seines Vaters.


1749.


Mann! Dessen Brust sich sanft bewegt

Von unverfälschtem Vatertriebe,

In dem ein redlich Herze schlägt,

Und wallend Blut voll treuer Liebe,

Hör meiner Laute ersten Klang,

Die fromme Seegenslieder singet,

Und Dir den ehrfurchtsvollen Dank

In unversuchten Griffen bringet.

Laß meiner Nerven schwache Kunst

Dir Vater! mehr als mir gefallen,

Und höre mit gelaßner Gunst

Den Inhalt meiner Seele schallen.


Wie bey oft angestrengter Müh

Des Schülers Ehrgeiz sich empöret,

Des stärkern Meisters Harmonie

Mit eifersüchtgen Ohren höret;

Der Töne Vorzug fühlt der Geist

Mit innerm Groll, daß ihm die Säyten

Nicht gleich gelehrt, gelehrig, dreist

Nach seines Sinnes Wohlklang streiten:

So mühsam strebt, erzürnt mit sich,

Mein Kiel, Gedanken zu erreichen,

Die dem erhabnen Wunsch für Dich,

Der herzlichen Empfindung weichen.


O dreymal seelig sey der Tag!

Da Dich Dein Vater seegnend grüßte,

In Vaterblicken mit Dir sprach,

Und Dich als Sohn mit Innbrunst küßte.

Du weintest zwar bey Seiner Lust

Für kindlich ahndungsvollen Schmerzen;[227]

Doch fandst Du mit der Mutter Brust

Zugleich die Ruh an Ihrem Herzen.

Mein von Dir unbeneidtes Glück,

Das dir zu frühe ward entzogen2,

Bleibt ungestört von dem Geschick.

Dir ist der Vorsicht Schluß gewogen.

GOtt mehret Deiner Jahre Zahl;

Sein Seegen stärket Deine Seiten,

Und Seiner Güte weise Wahl

Wird Deiner Tage Müh begleiten.

Auch ich gehör zu Deinem Glück; –

Der Himmel bilde diesen Seegen!

Drum sieh mit hofnungsvollem Blick

Noch diesem letzten Trost entgegen.


Freundschaftlicher Gesang

auf

die Heimkunft des Herrn S.G.H.


1751.


– – – Recepto

Dulce mihi furere est amico.

HORATIVS.


Den sympathetischen Trieb, der Dichtkunst himmlische Salbung

Hab ich mit schweigendem Gram sonst eyfersüchtig gewünschet;

Doch wenn ihr, Freunde, mich liebt, sey Laurens zärtliche Glut,

Petrarchs Ruhm, von mir unbeneidt!
[228]

Wohlthätige Freundschaft träufelt mir, statt Polyhymnien, heute

Gelehrtes Schwärmen ins Herz, ins Ohr harmonisches Säuseln. –

Zu einer Muse wird mir, mein Hennings! jede Gedank,

Mit der ich Dir entgegen seh.


Des Daseyns sichrer Genuß, des Lebens frisches Gefühle,

Verjüngt des Kranken Geblüt, wie eine Schöpfung, von neuem:

So heilsam wallet mein Puls, elastischen Freuden gespannt,

Da ich Dich bald umarmen soll.


Wie lang ermüdest Du Freund, uns? – Vom starr wartenden Auge

Gar zu leichtgläubig getäuschet, in dromedarischer Sehnsucht,

Erscheint mir Deine Gestalt! – Den ersten seegnenden Gruß

Zum voraus schaudernd ich empfind! –


Noch winket im Luftkreys unserm Gelübd ein milderer Abend,

Der die versäumete Lust des Sommers huldreich ersetzet,

An dem die Luna (geschminkt ihr bleichverbultes Gesicht)

Aus Neugier unser Fest zusieht.


Der Zephyr ältert bereits, ihm wachsen schwerere Flügel,

Weil er um volle Gestäud und Busen seltner sich wälzet –

So würd es, Brüder! uns gehn, wenn nicht bey ehrlichem Muth

Die Wollust unsern Geist erhielt.


Die Weisheit schenket uns Freund! sokratisch lächelnde Stirne –

Zum eisernen Schmertz den Balsam philosophischen Kitzels. –

In unserm Scherzen und Ernst, sey jugendlicher Geschmack

Der Zobel männlichfester Brust!


Lange.


Die Tugend geht begleitet von Ruhe,

Minerva deckt sie mit der Egide;

Sie hat in der verdorbenen Welt

Vergnügung und den redlichsten Freund.
[229]

Auf den Zwey und Zwanzigsten des

Christmonaths,


1751.


Heut, Freunde, fühlt mein Herz

Den Werth erhabner Freude!

Der Jugend Witz und Scherz

Erscheint im Feyerkleide.

Drum laßt mein Lied von Lust

Und milder Thorheit lächeln,

Die selbst des Weisen Brust,

Wie Frühlingslüfte fächeln.

Der Sorgen Pflug vergeßt

Bey Wiegensanftem Lärmen. –

Des Vaters Lebensfest

Giebt mir das Recht zu schwärmen.

Ich, als der ältste Sohn,

Sing Eurer Lust zu Ehren;

Zum freundschaftlichen Lohn

Gebraucht der Freude Lehren.

Füllt eurer Gläser Bauch,

Mit keuschem Blut der Reben. –

Den unentweyhten Rauch

Des Opferweins erheben

Die Wellen lauter Luft,

Die von geschwätz'gen Säyten

Aus hohler Grotten Gruft

Der Sinne Rausch verbreiten –

Empfindt der Liebe Macht

An diesem frohen Tage,

Die in den Nymphen lacht,

Euch zur willkommnen Plage! –

Seht meiner Mutter Blick

Den Vater schmeichelnd grüßen,

Wenn wir auf beyder Glück[230]

Den Rand der Becher küssen. –

Ich hör euch jubelvoll

Von Wein und Liebe singen;

Doch meine Muse soll

Der Wünsche Weyrauch bringen:


Dich Vater! Dich umarmt mein Lied. –

Die Vorsicht, die vom Himmel sieht

Auf unsre Lust und ihre Triebe,

Der Menschen Wunsch im weisen Siebe

Zum Seegen sichtend, auf uns giest –

Die Vorsicht, die selbst VATER ist,

Dir knüpf ein Band mit treuen Händen,

Des Lebens Zweck damit zu pfänden!

Heil sey mit Dir, geliebter Greis!

Dein Wohl sey unsrer Tugend Preis,

Für den sich unsre Hände falten,

Und frommen Dank entgegen halten!

1

Horat. Lib. I. Epist. IV. – Übrigens verweise auf die Werke des Herrn Desforges Maillard, woselbst man auch eine französische Übersetzung dieses kleinen Gedichts auf den Orpheus finden wird.

2

Mein Vater war noch kein Jahr alt, da mein Großvater starb. Meine Großmutter, (eine einzige Tochter des Johann Muscovius, von dessen merkwürdigen Leben man einige Umstände im Gelehrten-Lexicon findet) verblieb in ihrem Wittwenstande mit zween Söhnen, davon der älteste in der Schriftstellerzunft nicht ganz unbekannt und zu Hamburg gestorben ist. Weil dieses Familienmährchen nach einem conte de ma mere l'oye aussieht; so wird gegenwärtige Anmerkung die letzte seyn, womit der Philolog zugleich von der Nachsicht, Grosmuth, Geduld und Standhaftigkeit seiner Leser Abschied nimmt.

Quelle:
Johann Georg Hamann: Kreuzzüge des Philologen, in: Sämtliche Werke, Band 2: Schriften über Philosophie / Philologie / Kritik. 1758–1763, Wien 1950, S. 223-231.
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