α). Natürliche Qualitäten
§ 392

[52] Der Geist lebt 1. in seiner Substanz, der natürlichen Seele, das allgemeine planetarische Leben mit, den Unterschied der Klimate, den Wechsel der Jahreszeiten, der Tageszeiten u. dgl. – ein Naturleben, das in ihm zum Teil nur zu trüben Stimmungen kommt.

Es ist in neueren Zeiten viel vom kosmischen, siderischen, tellurischen Leben des Menschen die Rede geworden. Das Tier lebt wesentlich in dieser Sympathie; dessen spezifischer Charakter sowie seine besonderen Entwicklungen hängen bei vielen ganz, immer mehr oder weniger damit zusammen. Beim Menschen verlieren dergleichen Zusammenhänge um so mehr an Bedeutung, je gebildeter er und je mehr damit sein ganzer Zustand auf freie geistige Grundlage gestellt ist. Die Weltgeschichte hängt nicht mit Revolutionen im Sonnensysteme zusammen, sowenig wie die Schicksale der Einzelnen mit den Stellungen von Planeten. – Der Unterschied der Klimate enthält eine festere und gewaltigere Bestimmtheit. Aber den Jahreszeiten, Tageszeiten entsprechen nur schwächere Stimmungen, die in Krankheitszuständen, wozu auch Verrücktheit gehört, in der Depression des selbstbewußten Lebens sich vornehmlich nur hervortun können. – Unter dem Aberglauben der Völker und den Verirrungen des schwachen Verstandes finden sich bei Völkern, die weniger in der geistigen Freiheit fortgeschritten und darum noch mehr in der Einigkeit mit der Natur leben, auch einige wirkliche Zusammenhänge und darauf sich gründende wunderbar scheinende Voraussehungen von Zuständen und den daran sich knüpfenden Ereignissen. Aber mit der tiefer sich erfassenden Freiheit des Geistes verschwinden auch diese wenigen und geringen Dispositionen, die sich auf das Mitleben mit der Natur gründen. Das Tier wie die Pflanze bleibt dagegen darunter gebunden.
[52]

§ 393

Das allgemeine planetarische Leben des Naturgeistes 2. besondert sich in die konkreten Unterschiede der Erde und zerfällt in die besonderen Naturgeister, die im ganzen die Natur der geographischen Weltteile ausdrücken und die Rassenverschiedenheit ausmachen.

Der Gegensatz der terrestrischen Polarität, durch welchen das Land gegen Norden zusammengedrängter ist und das Übergewicht gegen das Meer hat, gegen die südliche Hemisphäre aber getrennt in Zuspitzungen auseinanderläuft, bringt in den Unterschied der Weltteile zugleich eine Modifikation, die Treviranus (Biologie, Bd. II) in Ansehung der Pflanzen und Tiere aufgezeigt hat.
[57]

§ 394

Dieser Unterschied geht in die Partikularitäten hinaus, die man Lokalgeister nennen kann und die sich in der äußerlichen Lebensart, Beschäftigung, körperlichen Bildung und Disposition, aber noch mehr in innerer Tendenz und Befähigung des intelligenten und sittlichen Charakters der Völker zeigen.

So weit die Geschichte der Völker zurückreicht, zeigt sie das Beharrliche dieses Typus der besonderen Nationen.
[63]


§ 395

Die Seele ist 3. zum individuellen Subjekte vereinzelt. Diese Subjektivität kommt aber hier nur als Vereinzelung der Naturbestimmtheit in Betracht. Sie ist als der Modus des verschiedenen Temperaments, Talents, Charakters, der Physiognomie und anderer Dispositionen und Idiosynkrasien von Familien oder den singulären Individuen.[70]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 10, Frankfurt a. M. 1979, S. 52-53,57-58,63-64,70-71,75.
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