c. Das Ding
§ 125

[256] Das Ding ist die Totalität als die in Einem gesetzte Entwicklung der Bestimmungen des Grundes und der Existenz, Es hat nach dem einen seiner Momente, der Reflexion-in-Anderes, die Unterschiede an ihm, wonach es ein bestimmtes und konkretes Ding ist. α) Diese Bestimmungen sind voneinander verschieden; an dem Dinge, nicht an ihnen selbst, haben sie ihre Reflexion-in-sich. Sie sind Eigenschaften des Dings, und ihre Beziehung auf dasselbe ist das Haben.

Haben tritt als Beziehung an die Stelle des Seins. Etwas hat zwar auch Qualitäten an ihm, aber diese Übertragung des Habens auf das Seiende ist ungenau, weil die Bestimmtheit als Qualität unmittelbar eins mit dem Etwas ist und Etwas aufhört zu sein, wenn es seine Qualität verliert. Das Ding aber ist die Reflexion-in-sich, als die von dem Unterschiede, seinen Bestimmungen, auch unterschiedene Identität. – Das Haben wird in vielen Sprachen zur Bezeichnung der Vergangenheit gebraucht, – mit Recht, indem die Vergangenheit das aufgehobene Sein und der Geist deren Reflexion-in-sich ist, worin sie allein noch Bestehen hat, der aber dieses in ihm aufgehobene Sein auch von sich unterscheidet.


§ 126

[256] β) Die Reflexion-in-Anderes ist aber auch im Grunde unmittelbar an ihr selbst die Reflexion-in-sich, daher sind die Eigenschaften ebensosehr mit sich identisch, selbständig und von ihrem Gebundensein an das Ding befreit. Weil sie aber die voneinander unterschiedenen Bestimmtheiten des Dinges als reflektiert-in-sich sind, sind sie nicht selbst Dinge, als welche konkret sind, sondern in sich reflektierte Existenzen als abstrakte Bestimmtheiten, Materien.

Die Materien, z.B. magnetische, elektrische Materien, werden auch nicht Dinge genannt. – Sie sind die eigentlichen Qualitäten, eins mit ihrem Sein, die zur Unmittelbarkeit gelangte Bestimmtheit, aber einem Sein, welches ein reflektiertes, Existenz ist.
[257]


§ 127

Die Materie ist so die abstrakte oder unbestimmte Reflexion-in-Anderes oder die Reflexion-in-sich zugleich als bestimmte, sie ist daher die daseiende Dingheit, das Bestehen des Dings. Das Ding hat auf diese Weise an den Materien seine Reflexion-in-sich (das Gegenteil von § 125), besteht nicht an ihm selbst, sondern aus den Materien und ist nur deren oberflächlicher Zusammenhang, eine äußerliche Verknüpfung derselben.


§ 128

[258] γ) Die Materie ist als die unmittelbare Einheit der Existenz mit sich auch gleichgültig gegen die Bestimmtheit; die vielen verschiedenen Materien gehen daher in die eine Materie, die Existenz in der Reflexionsbestimmung der Identität zusammen, welcher gegenüber diese unterschiedenen Bestimmtheiten und deren äußerliche Beziehung, die sie im Ding aufeinander haben, die Form sind, – die Reflexionsbestimmung des Unterschiedes, aber als existierend und als Totalität.

Diese eine, bestimmungslose Materie ist auch dasselbe, was das Ding-an-sich, nur dieses als in sich ganz abstraktes, jene als an sich auch für-Anderes, zunächst für die Form Seiendes.


§ 129

[259] Das Ding zerfällt so in Materie und Form, deren jedes die Totalität der Dingheit und selbständig für sich ist. Aber die Materie, welche die positive, unbestimmte Existenz sein soll, enthält als Existenz ebensowohl die Reflexion-in-Anderes als das Insichsein; als Einheit dieser Bestimmungen ist sie selbst die Totalität der Form. Die Form aber enthält schon als Totalität der Bestimmungen die Reflexion-in-sich, oder als sich auf sich beziehende Form hat sie das, was die Bestimmung der Materie ausmachen soll. Beide sind an sich dasselbe. Diese ihre Einheit, gesetzt, ist überhaupt die Beziehung der Materie und Form, welche ebenso unterschieden sind.


§ 130

Das Ding als diese Totalität ist der Widerspruch, nach seiner negativen Einheit die Form zu sein, in der die Materie bestimmt und zu Eigenschaften herabgesetzt ist (125), und zugleich aus Materien zu bestehen, die in der Reflexion des Dings in sich zugleich ebenso selbständige als negierte sind. Das Ding ist so, die wesentliche Existenz als eine sich in sich selbst aufhebende zu sein, ist Erscheinung.

Die im Ding ebenso gesetzte Negation als Selbständigkeit der Materien kommt in der Physik als die Porosität vor. Jede der vielen Materien (Färbestoff, Riechstoff und andere Stoffe, nach einigen darunter auch Schallstoff, dann ohnehin Wärmestoff, elektrische Materie usw.) ist auch negiert, und in dieser ihrer Negation, ihren Poren,[260] sind die vielen anderen selbständigen Materien, die ebenso porös sind und in sich die anderen so gegenseitig existieren lassen. Die Poren sind nichts Empirisches, sondern Erdichtungen des Verstandes, der das Moment der Negation der selbständigen Materien auf diese Weise vorstellt und die weitere Ausbildung der Widersprüche mit jener nebulosen Verwirrung, in der alle selbständig und alle ineinander ebenso negiert sind, deckt. – Wenn auf gleiche Weise im Geiste die Vermögen oder Tätigkeiten hypostasiert werden, so wird ihre lebendige Einheit ebenso zur Verwirrung des Einwirkens der einen in die andere.

Wie die Poren (von den Poren im Organischen, denen des Holzes, der Haut ist nicht die Rede, sondern von [denen] in den sogenannten Materien, wie im Färbestoff, Wärmestoff usf. oder in den Metallen, Kristallen u. dgl.) nicht in der Beobachtung ihre Bewährung haben, so ist auch die Materie selbst, ferner eine von ihr getrennte Form, zunächst das Ding und das Bestehen desselben aus Materien, oder daß es selbst besteht und nur Eigenschaften hat, Produkt des reflektierenden Verstandes, der, indem er beobachtet und das anzugeben vorgibt, was er beobachte, vielmehr eine Metaphysik hervorbringt, die nach allen Seiten Widerspruch ist, der ihm jedoch verborgen bleibt.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 8, Frankfurt a. M. 1979, S. 256-261.
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