α). Das Licht
§ 275

[110] Die erste qualifizierte Materie ist sie als reine Identität mit sich, als Einheit der Reflexion-in-sich, somit die erste, selbst noch abstrakte Manifestation. In der Natur daseiend ist sie die Beziehung auf sich als selbständig gegen die anderen Bestimmungen der Totalität. Dies existierende allgemeine Selbst der Materie ist das Licht, – als Individualität der Stern, und derselbe als Moment einer Totalität die Sonne.
[111]

§ 276

Als das abstrakte Selbst der Materie ist das Licht das Absolutleichte, und als Materie ist es unendliches Außersichsein, aber als reines Manifestieren, materielle Idealität untrennbares und einfaches Außersichsein.

In der morgenländischen Anschauung der substantiellen Identität des Geistigen und des Natürlichen ist die reine Selbstischkeit des Bewußtseins, das mit sich identische Denken als die Abstraktion des Wahren und Guten, eins mit dem Lichte. – Wenn die Vorstellung, welche man [116] realistisch genannt hat, leugnet, daß in der Natur die Idealität vorhanden sei, so ist sie unter anderem auch an das Licht, an dieses reine Manifestieren, welches nichts als Manifestieren ist, zu verweisen. Daß diese Gedankenbestimmung, die Identität mit sich oder das zunächst abstrakte Selbst der Zentralität, welches die Materie nun in ihr hat, – diese einfache Idealität als daseiend, das Licht sei, dieser Beweis ist, wie in der Einleitung angegeben, empirisch zu führen. Das immanente Philosophische ist hier wie überall die eigene Notwendigkeit der Begriffsbestimmung, die alsdann als irgendeine natürliche Existenz aufzuzeigen ist. – Hier nur einige Bemerkungen über die empirische Existenz der reinen Manifestation als Licht. Die schwere Materie ist trennbar in Massen, weil sie konkretes Fürsichsein und Quantität ist; aber in der ganz abstrakten Idealität des Lichts ist kein solcher Unterschied; eine Beschränkung desselben in seiner unendlichen Verbreitung hebt seinen absoluten Zusammenhang in sich nicht auf. Die Vorstellung von diskreten einfachen Lichtstrahlen und Teilchen und Bündeln derselben, aus welchen ein in seiner Ausbreitung beschränktes Licht bestehen soll, gehört zu der übrigen Barbarei der Kategorien, die in der Physik besonders Newton herrschend gemacht hat. Es ist die beschränkteste Erfahrung, daß das Licht sich so wenig in Säcke packen als in Strahlen isolieren und in Strahlenbündel zusammenfassen läßt. Die Untrennbarkeit des Lichts in seiner unendlichen Ausdehnung, ein physisches Außereinander, das mit sich identisch bleibt, kann vom Verstande am wenigsten für unbegreiflich ausgegeben werden, da sein eigenes Prinzip vielmehr diese abstrakte Identität ist. – Wenn die Astronomen darauf gekommen sind, von Himmelserscheinungen zu sprechen, die, indem sie von uns wahrgenommen werden, bereits vor 500 Jahren und mehr vorgegangen seien, so kann man darin einerseits empirische Erscheinungen der Fortpflanzung des[117] Lichts, die in einer Sphäre gelten, auf eine andere übertragen glauben, wo sie keine Bedeutung haben – Jedoch ist solche Bestimmung an der Materialität des Lichtes nicht im Widerspruche mit seiner einfachen Untrennbarkeit –, andererseits aber eine Vergangenheit zu einer Gegenwart nach der ideellen Weise der Erinnerung werden sehen. – Von der Vorstellung der Optik aber, daß von jedem Punkte einer sichtbaren Oberfläche nach allen Richtungen Strahlen ausgeschickt, also von jedem Punkte eine materielle Halbkugel von unendlicher Dimension gebildet würde, wäre die unmittelbare Folge, daß sich alle diese unendlich vielen Halbkugeln durchdringen. Statt daß jedoch hierdurch zwischen dem Auge und dem Gegenstande eine verdichtete, verwirrte Masse entstehen und die zu erklärende Sichtbarkeit vermöge dieser Erklärung eher die Unsichtbarkeit hervorbringen sollte, reduziert sich damit diese ganze Vorstellung selbst ebenso zur Nichtigkeit als die Vorstellung eines konkreten Körpers, der aus vielen Materien so bestehen soll, daß in den Poren der einen die anderen sich befinden, in welchen selbst umgekehrt alle anderen stecken und zirkulieren; welche allseitige Durchdringung die Annahme der diskreten Materialität der reell sein sollenden Stoffe aufhebt und vielmehr ein ganz ideelles Verhältnis derselben zueinander, und hier des Erleuchteten und Erleuchtenden, des Manifestierten und Manifestierenden und dessen, dem es sich manifestiert, begründet; – ein Verhältnis, aus dem, als der in sich verhältnislosen Reflexion-in-sich, alle die weiteren Formen von Vermittlungen, die ein Erklären und Begreiflichmachen genannt zu werden pflegen, Kügelchen, Wellen, Schwingungen usf. so sehr als Strahlen, d.i. feine Stangen und Bündel, zu entfernen sind.
[118]

§ 277

Das Licht verhält sich als die allgemeine physikalische Identität zunächst als ein Verschiedenes (§ 275), daher hier Äußeres und Anderes zu der in den anderen Begriffsmomenten qualifizierten Materie, die so als das Negative des Lichts, als ein Dunkles bestimmt ist. Insofern dasselbe ebenso verschieden vom Lichte für sich besteht, bezieht sich das Licht nur auf die Oberfläche dieses so zunächst Undurchsichtigen, welche hierdurch manifestiert wird, aber ebenso untrennbar (ohne weitere Partikularisation glatt) sich manifestierend, d.i. an Anderem scheinend wird. So jedes am Anderen erscheinend und damit nur Anderes an ihm erscheinend, ist dies Manifestieren durch sein Außersichsetzen die abstraktunendliche Reflexion-in-sich, durch welche noch nichts an ihm selbst für sich zur Erscheinung kommt. Damit etwas endlich erscheine, sichtbar werden könne, muß daher auf irgendeine physische Weise weitere Partikularisation (z.B. ein Rauhes, Farbiges usf.) vorhanden sein.


§ 278

[121] Die Manifestation der Gegenstände aneinander, als durch ihre Undurchsichtigkeit begrenzt, ist außersichseiende, räumliche Beziehung, die durch nichts weiter bestimmt, daher direkt (geradlinig) ist. Indem es Oberflächen sind, die sich zueinander verhalten, und diese in verschiedene Lagen treten können, so geschieht es, daß die Manifestation eines sichtbaren Gegenstandes an einem anderen (glatten) sich vielmehr an einem dritten manifestiert usf. (das Bild desselben, dessen Ort dem Spiegel zugeschrieben wird, ist in eine andere Oberfläche, das Auge oder [einen] anderen Spiegel usf., reflektiert). Die Manifestation kann in diesen partikularisierten räumlichen Bestimmungen nur die Gleichheit zum Gesetz haben, – die Gleichheit des Einfallswinkels mit dem Winkel der Reflexion, wie die Einheit der Ebene dieser Winkel; es ist durchaus nichts vorhanden, wodurch die Identität der Beziehung auf irgendeine Weise verändert würde.

Die Bestimmungen dieses §, die schon der bestimmteren Physik anzugehören scheinen können, enthalten den Übergang der allgemeinen Begrenzung des Lichts durch das Dunkle zur bestimmteren Begrenzung durch die partikularräumlichen Bestimmungen des letzteren. Diese Determination pflegt mit der Vorstellung des Lichts als einer gewöhnlichen Materie zusammengehängt zu werden. Allein[122] es ist darin nichts enthalten, als daß die abstrakte Idealität, dieses reine Manifestieren, als untrennbares Außersichsein für sich räumlich und damit äußerlich determinierter Begrenzungen fähig ist; – diese Begrenzbarkeit durch partikularisierte Räumlichkeit ist eine notwendige Bestimmung, die weiter nichts als dieses enthält und alle materiellen Kategorien von Übertragen, physikalischem Zurückwerfen des Lichts und dergleichen ausschließt.

Mit den Bestimmungen des § hängen die Erscheinungen zusammen, welche auf die grobe Vorstellung von der sogenannten fixen Polarisation, Polarität des Lichts geführt haben. So sehr der sogenannte Einfalls- und Reflexionswinkel bei der einfachen Spiegelung eine Ebene ist, so sehr hat, wenn ein zweiter Spiegel angebracht wird, welcher die vom ersten reflektierte Erhellung weiter mitteilt, die Stellung jener. ersten Ebene zu der zweiten, durch die Richtung der ersten Reflexion und der zweiten gebildeten Ebene ihren Einfluß auf die Stellung, Helligkeit oder Verdüsterung des Gegenstandes, wie er durch die zweite Reflexion erscheint. Für die natürliche unverkümmerte Helligkeit des zum zweitenmal reflektierten Hellseins (Lichtes) ist die normale Stellung daher notwendig, daß die Ebenen der sämtlichen respektiven Einfalls- und Reflexionswinkel in eine Ebene fallen. Wogegen ebenso notwendig folgt, daß Verdüsterung und Verschwinden des zum zweitenmal reflektierten Hellseins eintritt, wenn beide Ebenen sich, wie man es nennen muß, negativ zueinander verhalten, d.i. wenn sie senkrecht aufeinander stehen (vgl. Goethe, Zur Naturwissenschaft [überhaupt], I. Bd., 1. Heft, S. 28 ff. und 3. Heft, »Entoptische Farben« XVIII, XIX). Daß nun (von Malus) aus der Modifikation,[123] welche durch jene Stellung in der Helligkeit der Spiegelung bewirkt wird, geschlossen worden, daß die Lichtmoleküle an ihnen selbst, nämlich sogar an ihren verschiedenen Seiten, verschiedene physische Wirksamkeiten besitzen, wobei es auch geschieht, daß die sogenannten Lichtstrahlen als vierseitig genommen werden, auf welche Grundlage dann mit den weiter daran sich knüpfenden entoptischen Farbenerscheinungen ein weitläufiges Labyrinth der verwickeltsten Theorie gebaut worden ist, – ist eins der eigentümlichsten Beispiele vom Schließen der Physik aus Erfahrungen. Was aus jenem ersten Phänomen, von dem die Malussche Polarisation ausgeht, zu schließen war, ist allein, daß die Bedingung der Helligkeit durch die zweite Reflexion die ist, daß der dadurch weiter gesetzte Reflexionswinkel in einer Ebene mit den durch die erste Reflexion gesetzten Winkeln sei.[124]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 110-112,116-119,121-126.
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