c. Der elementarische Prozeß
§ 286

[143] Die individuelle Identität, unter welche die differenten Elemente und deren Verschiedenheit gegeneinander und gegen ihre Einheit gebunden sind, ist eine Dialektik, die das physikalische Leben der Erde, den meteorologischen Prozeß, ausmacht; die Elemente, als unselbständige Momente, haben in ihm ebenso allein ihr Bestehen, als sie darin erzeugt, als existierende gesetzt werden, nachdem sie vorhin aus dem Ansich als Momente des Begriffs entwickelt worden sind.

Wie die Bestimmungen der gemeinen Mechanik und der unselbständigen Körper auf die absolute Mechanik und die freien Zentralkörper angewendet werden, so wird die endliche Physik der vereinzelten individuellen Körper für dasselbe genommen, als die freie selbständige Physik des Erdenprozesses ist. Es wird für den Triumph der Wissenschaft gehalten, in dem allgemeinen Prozesse der Erde dieselben Bestimmungen wiederzuerkennen und nachzuweisen, welche sich an den Prozessen der vereinzelten Körperlichkeit zeigen. Allein in dem Felde dieser vereinzelten Körper sind die der freien Existenz des Begriffes immanenten Bestimmungen zu dem Verhältnis herabgesetzt, äußerlich zueinander zu treten, als voneinander unabhängige Umstände zu existieren; ebenso erscheint die Tätigkeit als äußerlich bedingt, somit als zufällig, so daß deren Produkte ebenso äußerliche Formierungen der als selbständig vorausgesetzten und so verharrenden Körperlichkeiten bleiben. – Das Aufzeigen jener Gleichheit oder vielmehr Analogie wird dadurch bewirkt, daß von den[143] eigentümlichen Unterschieden und Bedingungen abstrahiert wird und so diese Abstraktion oberflächliche Allgemeinheiten, wie die Attraktion, hervorbringt, Kräfte und Gesetze, in welchen das Besondere und die bestimmten Bedingungen mangeln. Bei der Anwendung von konkreten Weisen der bei der vereinzelten Körperlichkeit sich zeigenden Tätigkeiten auf die Sphäre, in welcher die unterschiedenen Körperlichkeiten nur Momente sind, pflegen die in jenem Kreise erforderlichen äußerlichen Umstände in dieser Sphäre teils übersehen, teils nach der Analogie hinzugedichtet zu werden. – Es sind dies überhaupt Anwendungen von Kategorien eines Feldes, worin die Verhältnisse endlich sind, auf eine Sphäre, innerhalb welcher sie unendlich, d.i. nach dem Begriffe, sind.

Der Grundmangel bei der Betrachtung dieses Feldes beruht auf der fixen Vorstellung von der substantiellen unveränderlichen Verschiedenheit der Elemente, welche von den Prozessen der vereinzelten Stoffe her vom Verstande einmal festgesetzt ist. Wo auch an diesen sich höhere Übergänge zeigen, z.B. daß im Kristall das Wasser fest wird, Licht, Wärme verschwindet usf., bereitet sich die Reflexion eine Hilfe durch nebulose und nichtssagende Vorstellungen von Auflösung, Gebunden-, Latentwerden und dergleichen. Hierher gehört wesentlich die Verwandlung aller Verhältnisse an den Erscheinungen in Stoffe und Materien, zum Teil imponderable, wodurch jede physikalische Existenz zu dem schon erwähnten Chaos von Materien und deren Aus- und Eingehen in den erdichteten Poren jeder anderen gemacht wird, wo nicht nur der Begriff, sondern auch die Vorstellung ausgeht. Vor allem geht die Erfahrung selbst aus; es wird noch eine empirische Existenz angenommen, während sie sich nicht mehr empirisch zeigt.
[144]


§ 287

Der Prozeß der Erde wird durch ihr allgemeines Selbst, die Tätigkeit des Lichts, ihr ursprüngliches Verhältnis zur Sonne, fortdauernd angefacht und dann nach der Stellung der Erde zur Sonne (Klimate, Jahreszeiten usf.) weiter partikularisiert. – Das eine Moment dieses Prozesses ist die Diremtion der individuellen Identität, die Spannung in die Momente des selbständigen Gegensatzes, in Starrheit und in selbstlose Neutralität, wodurch die Erde der Auflösung zugeht – einerseits zum Kristall, einem Monde, andererseits zu einem Wasserkörper, einem Kometen, zu werden – und die Momente der Individualität ihren Zusammenhang mit ihren selbständigen Wurzeln zu realisieren suchen.
[149]

§ 288

Das andere Moment des Prozesses ist, daß das Fürsichsein, welchem die Seiten der Entgegensetzung zugehen, sich als die auf die Spitze getriebene Negativität aufhebt; – die sich entzündende Verzehrung des versuchten unterschiedenen Bestehens, durch welche ihre wesentliche Verknüpfung sich herstellt und die Erde sich als reelle und fruchtbare Individualität geworden ist.

Erdbeben, Vulkane und deren Eruptionen mögen als dem Prozesse der Starrheit der freiwerdenden Negativität des Fürsichseins, dem Prozesse des Feuers angehörig angesehen werden, wie dergleichen auch am Monde erscheinen soll. – Die Wolken dagegen mögen als der Beginn kometarischer Körperlichkeit betrachtet werden können. Das Gewitter aber ist die vollständige Erscheinung dieses Prozesses, an die sich die anderen meteorologischen Phänomene als Beginne oder Momente und unreife Ausführungen desselben anschließen. Die Physik hat bisher weder mit der Regenbildung[151] (ungeachtet der von de Luc aus den Beobachtungen gezogenen und, unter den Deutschen, von dem geistreichen Lichtenberg gegen die Auflösungstheorien urgierten Folgerungen), noch mit dem Blitze, auch nicht mit dem Donner zurechtkommen können; ebensowenig mit anderen meteorologischen Erscheinungen, insbesondere den Atmosphärilien, in welchen der Prozeß selbst bis zum Beginn eines irdischen Kernes fortgeht. Für das Verständnis jener alltäglichsten Erscheinungen ist in der Physik noch am wenigsten Befriedigendes geschehen.
[152]


§ 289

Indem der Begriff der Materie, die Schwere, seine Momente zunächst als selbständige, aber elementarische Realitäten auslegt, ist die Erde abstrakter Grund der Individualität. In ihrem Prozesse setzt sie sich als negative Einheit der außereinander seienden abstrakten Elemente, hiermit als reale Individualität.[155]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 143-145,149-153,155-156.
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