b. Kohäsion
§ 295

[163] In der Kohäsion setzt die immanente Form eine andere Weise des räumlichen Nebeneinanderseins der materiellen Teile, als durch die Richtung der Schwere bestimmt ist. Diese somit spezifische Weise des Zusammenhalts des Materiellen ist erst am Verschiedenen überhaupt gesetzt, noch nicht zu in sich beschlossener Totalität (Gestalt) zurückgegangen; sie kommt somit nur gegen gleichfalls verschiedene, und kohärent verschiedene, Massen zur Erscheinung und zeigt sich daher als eine eigentümliche Weise des Widerstands im mechanischen Verhalten gegen andere Massen.


§ 296

[163] Diese Formeinheit des mannigfaltigen Außereinander ist an ihr selbst mannigfaltig, α) Ihre erste Bestimmtheit ist der ganz unbestimmte Zusammenhalt, insofern Kohäsion des in sich Kohäsionslosen, daher die Adhäsion mit anderem. β) Die Kohärenz der Materie mit sich selbst ist zunächst die bloß quantitative, – die gemeine Kohäsion, die Stärke des Zusammenhalts gegen Gewicht, – ferner aber die qualitative, die Eigentümlichkeit des Nachgebens und ebendamit des sich selbständig in seiner Form Zeigens gegen Druck und Stoß äußerer Gewalt. Nach der bestimmten Weise der Raumformen produziert die innerlich mechanisierende Geometrie die Eigentümlichkeit, eine bestimmte Dimension im Zusammenhalte zu behaupten: die Punktualität, – Sprödigkeit; die Linearität, – Rigidität überhaupt und näher Zähigkeit; die Flächenhaftigkeit, – Dehnbarkeit, Hämmerbarkeit.
[164]

§ 297

γ) Das Körperliche, gegen dessen Gewalt ein Körperliches im Nachgeben zugleich seine Eigentümlichkeit behauptet, ist ein anderes Körperindividuum. Aber als kohärent ist der Körper auch an ihm selbst außereinanderseiende Materialität, deren Teile, indem das Ganze Gewalt leidet, gegeneinander Gewalt ausüben und nachgeben, aber als ebenso selbständig die erlittene Negation aufheben und sich herstellen. Das Nachgeben und darin die eigentümliche Selbsterhaltung nach außen ist daher unmittelbar verknüpft mit diesem inneren Nachgeben und Selbsterhalten gegen sich selbst, – die Elastizität.


§ 298

[167] Es kommt hier die Idealität zur Existenz, – welche die materiellen Teile als Materie nur suchen, der für sich seiende Einheitspunkt, in welchem sie, als wirklich attrahiert, nur negierte wären. Dieser Einheitspunkt, insofern sie nur schwer sind, ist zunächst außer ihnen und so nur erst an sich, in der aufgezeigten Negation, welche sie erleiden, ist diese Idealität nun gesetzt. Aber sie ist noch bedingt, die nur eine Seite des Verhältnisses, dessen andere Seite das Bestehen der außereinanderseienden Teile ist, so daß die Negation derselben in ihr Wiederherstellen übergeht. Die Elastizität ist daher nur Veränderung der spezifischen Schwere, die sich wiederherstellt.

Wenn hier und sonst von materiellen Teilen die Rede ist, so sind nicht Atome, noch Moleküle, d.h. nicht abgesondert für sich bestehende zu verstehen, sondern nur quantitativ oder zufällig unterschiedene, so daß ihre Kontinuität wesentlich von ihrer Unterschiedenheit nicht zu trennen ist; die Elastizität ist die Existenz der Dialektik dieser Momente selbst. Der Ort des Materiellen ist sein gleichgültiges bestimmtes Bestehen; die Idealität dieses Bestehens ist somit die als reelle Einheit gesetzte Kontinuität, d.i. daß zwei vorher außereinander bestehende materielle Teile, die also als in verschiedenen Orten befindlich vorzustellen sind, jetzt in einem und demselben Orte sich befinden. Es ist dies der Widersprach, und er existiert hier materiell. Es ist derselbe Widerspruch, welcher der Zenonischen Dialektik der Bewegung zum Grunde liegt, nur daß er bei der Bewegung abstrakte Orte betrifft, hier aber materielle Orte, materielle Teile. In der Bewegung setzt sich der Raum zeitlich und die Zeit räumlich (§ 260); die[168] Bewegung fällt in die Zenonische Antinomie, die unauflöslich ist, wenn die Orte als Raumpunkte und die Zeitmomente als Zeitpunkte isoliert werden, und die Auflösung der Antinomie, d.i. die Bewegung, ist nur so zu fassen, daß Raum und Zeit in sich kontinuierlich sind und der sich bewegende Körper in demselben Orte zugleich ist und nicht, d.i. zugleich in einem anderen ist, und ebenso derselbe Zeitpunkt zugleich ist und nicht, d.i. ein anderer zugleich ist. So ist in der Elastizität der materielle Teil, Atom, Molekül, zugleich als affirmativ seinen Raum einnehmend, bestehend gesetzt, und ebenso zugleich nicht bestehend, – als Quantum, in einem als extensive Größe und als nur intensive Größe. – Gegen das Ineinssetzen der materiellen Teile in der Elastizität wird für die sogenannte Erklärung gleichfalls die oft erwähnte Erdichtung der Poren zu Hilfe genommen. Wenn zwar sonst in abstracto zugegeben wird, daß die Materie vergänglich, nicht absolut sei, so wird sich doch in der Anwendung dagegen gesträubt, wenn sie in der Tat als negativ gefaßt, wenn die Negation an ihr gesetzt werden soll. Die Poren sind wohl das Negative – denn es hilft nichts, es muß zu dieser Bestimmung fortgegangen werden –, aber sind das Negative nur neben der Materie, das Negative nicht der Materie selbst, sondern da, wo sie nicht ist, so daß in der Tat die Materie nur als affirmativ, als absolut-selbständig, ewig, angenommen wird. Dieser Irrtum wird durch den allgemeinen Irrtum des Verstandes, daß das Metaphysische nur ein Gedankending neben, d.i. außer der Wirklichkeit sei, eingeführt; so wird neben dem Glauben an die Nicht-Absolutheit der Materie auch an die Absolutheit derselben geglaubt; jener findet außer der Wissenschaft statt, wenn er stattfindet; dieser aber gilt wesentlich in der Wissenschaft.
[169]


§ 299

Die Idealität, die hierin gesetzt ist, ist eine Veränderung,[170] die ein doppeltes Negieren ist. Das Negieren des (außereinander) Bestehens der materiellen Teile wird ebenso negiert als das Wiederherstellen ihres Außereinanderseins und ihrer Kohäsion; sie ist eine Idealität als Wechsel der einander aufhebenden Bestimmungen, das innere Erzittern des Körpers in ihm selbst, – der Klang.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 163-165,167-171.
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